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7 O^erlarisitzetlZeimatreituog 165 Kann machen, daß die Blinden gehn nnd daß die Lahmen wieder sehn ..." Und mm schilderte ich alle Künste einer weisen Fran. Ich glaube nicht, daß ich "eine einzige vergessen hatte. Sie müssen außerordentlich witzig gewesen sein: denn ich mußte die Szene^ ost wiederholen, auch Erwachsene sahen sie an und lachten dazu. Das köstlichste an diesen Spielen war die Unbefangen heit. Die Jugend hak sie. Nm- wenige retten sie sich in spä teres Alter. Auch mir ging sie bald verloren. Als ich später in den Ferien aufgefordert wurde, in einem Theaterstück mic- zuwirken, schämte ich mich, und ich habe cs auch uic mehr gewagt. Dafür schrieb ich bald Stücke. Auch das begann ich unbefangen. Ein Drama nach dem anderen ivnröe entworfen. Die Ideen schossen nur so ins Kraut zwischen Vierzehn und Siebzehn! Dann erfuhr ich von dramatischen Gesetzen, später las ich auch Kritiken — und auch die Unbefangenheit >s Dichtens ging verloren. > ^ulsnitr - clie Jeder, der zum erste» Male nach Pulsnitz kommt, ist überrascht, eine Stunde nordöstlich von Dresden, dort, wo er den Übergang ins Flachland erwartet, ein Hügelland mit Bergen bis zu 450 m Höhe anzutreffen, von denen aus man weit ins Lausitzer Bergland bis zum Erzgebirgskamm und west wärts bis zum Kollmberg bei Oschatz sehen kann. Der Granit- Slick vom kierberg legel des Sibylleusteins nnd der Doppelgipfel des Keulenbcrgs umlagern mit ihren ausgedehnten Waldungen, die sich bis dicht an die Manern heran,ziehen, die kleine Industriestadt Pulsnitz, von der man scherzhaflerwcise sagte, daß sie tagsüber doppelt so viel Menschen in ihren Mauern berge wie nachts. Den schönsten Blick aber hat der Wanderer, der von Radeberg her kommt und beim Austritte ans dein Walde aus einer Höhe von über 350 in plötzlich das Städtchen, in saftiges Grün ge bettet und von Bergen umgrenzt, wie einen kleinen Kurort fast 400 m tiefer zu seinen Füßen liegen sieht. Und wenn man dann durch die Straßen der Stadt pilgert nnd Kleinstadtzauber auf sich wirken läßt, dann duften einem neben Pflastersteinen, Znckernüsscln, Leckerlc und braunen Pfeffernüsscln feinste Leb- und Honigkuchen, Schokoladen kuchen, Schokoladenherzen und -spitzen, Makronen und Nka- kronenknchen, Vanille und Mandcllebkuchen, Mandelmakro nen und gefüllte Ananas- und Nuogatkuchen entgegen; alles, was die Zunge an Süßigkeiten liebt, wird hergestellt: Leb kuchen nach Nürnberger Art, Nußkuchen, Katzenzungen und Baumkuchen und nicht zuletzt Pfefferkuchenmänner, -frauen nnd -kinder. Aus Honig, bei billigeren Pfefferkuchensorten aus Sirup, aus Weizenmehl, Eiern, Zitronen, feinsten Gewürzen, deren Namen beinahe altmodisch klingen, wie Anis, Koriander, Kardamon, Mckcis, Zimmct — nur beileibe nicht Pfefser — nnd ans sonstigen süßen Zutaten, aus geriebenen bitteren und süßen Mandeln wird der Teig gemengt und geknetet. Jeder Küchler hütet heute noch ängstlich sein Rezept, beruht doch auf der jahrhundertealten Erfahrung die Güte und damit der Ruf der Pulsnitzer Pfefferkuchen. In großen Teigbehältern, die bis zu 28 Zentner Pfcffcrkuchenteig enthalten, wird dieser monatelang, oft bis zu 5, auch 6 Monaten — und früher noch länger — sich selbst überlassen, ähnlich dem englischen Plumpuddingteig, der oft jahrelang steht, damit er richtig durchzieht. Erst dann wird er herausgeschnitten und ausgewogen und erhält in der „Auslängmaschinc", einer Auöwalzvorrich- lung, die gewünschte Dicke und durch Ausstechen die verlangte Form; dann wandert er in den Oien, um dort bei ungefähr 350 Grad 5 bis 40 Minuten, je nach der Art der Waren, gebacken zu werden. In der „Abkebrmalchinc" werden die ge backenen Herzen nnd anderen Pfefferkuchenformen von dem noch anhaftenden Mehl gesäubert. Dann werden sie glasiert oder „kandiert" oder mit einem Schokoladenguß überzogen, und Zitronat, Nüsse oder Mandeln werden in die weiche Teig oberfläche eingedrückt. — Das Pulsnitzer Pfefferkuchengeschäst ist fast ausschließlich Jnlandsgeschäft und auch hier wiederum beschränkt auf das weitere Mitteldeutschland. Abgesehen vom Slick vom Kirckturm über clie Hockt rum !cbweckenrtein Bahn und Postvcrsand kommt vor allem das Jahrmarkts geschäft in Frage. Nach den Dresdner Jahrmarkts-Katastern hatte eine Firma seit 4832 regelmäßig ans dem Dresdner Jahrmarkt anfangs einen, später mehrere Stände; desgl. in Ehcmnitz seit 4833, in Torgau seit 4838 und auf der Leip-