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schrieben scheinen. Hauptmanns „Versunkene Glocke", Anzen grubers „Pfarrer von Kirchfcld", Schönherrs „Glaube und Heimat", Schillers „Teil" und „(Wallensteins Lager", Goe thes „Iphigenie", das sind Gipfelleistungen großer Freilicht- bnhnenkuust gewesen, mit denen sich das Oybiner Waldtheater die Anerkennung der gesamten deutschen Presse erworben hat. Dnrch Abbildungen, die vor über 20 Jahren durch die illn stricrren deutschen Zeitschriften gingen, wurde in verhältnis mäßig kurzer Zeit das Theater am Fuße des Poesie- und sagen- nmsponnene» Oybin in ganz Deutschland und im benachbarten Grenzland bekannt. Eine Berliner Filmfirma machte damals Aufnahmen von einer Vorstellung auf der Oybiner Freibühae und diese Aufnahmen wurden in vielen Lichtspielhäusern Deutschlands gezeigt. (Mancherlei fließt zusammen, um dem Oybiner (Wald- lhcakcr Sinn und Bedeutung zu geben. Einmal bietet es denen, die in dem herrlichen Zittauer Gebirge Aufenthalt nehmen, für längere oder kürzere Zeit Unterhaltung und Zerstreuung. Sodann erfüllt es eine Aufgabe, die gerade iu unserer Zeit von höchster Wichtigkeit ist. Es ermöglicht den Schauspielern, die nicht der Allgemeinheit zur Last fallen wollen, eine Epi stenz für die engagementslose Sommerszeit und gibt den Künst lern dabei zugleich Gelegenheit, ihr Talent und ihr Gedächt nis nicht cinrosten zu lasten. Schließlich aber ist das Wald- lheater in einer Zeit, da sich ans der geschloßenen Bühne immer mehr ein auf äußere Effekte zielendes Theater breit macht, eine Stätte, ans der noch ernsthafte Kunst gepflegt werden kann. Der Spielplan dieses Sommers brachte Pfingsten zunächst die Erstaufführung des ländlichen Lustspiels „Wenn der Hahn kräht". Ein Stück voller Situationskomik, das augenblicklich in der Dresdner „Komödie" täglich volle Häuser hat. Als besondere Neueinstudierungen find vorgesehen: „Andreas Holl mann" von Kaergel, „Der 18. Oktober" (als Abendvorstel lung), „Iohannisfeuer" und zur Tausendjahrfeier als Fest spiel die Uraufführung „Tankmar". Wer das Zittauer Gebirge besucht, und es werden ja immer mehr, die gerade dieses im östlichen Sachsen gelegene Gebirgsidyll als eine der schönsten deutschen Landschaften schätzen und rühmen, der darf das (Waldtheatcr Oybin nicht vergeßen. Der Dresdner Schriftsteller Ernst Max Floessel schrieb einst in der Berliner Zeitschrift „Das Theater": „Das Naturtheater dürfte . . . für die herrliche Gegend des Oybin eine neue Anziehungskraft bilden und seine Pflege noch man chen reichen kulturellen Geivinn bringen." Wer es kennt, lernt es lieben, und er weiß, daß es nichts Edleres, nichts Schöneres und Würdigeres geben kann, als an einem schönen Sommcrtagc im Schatten des Nadelwaldes, in der weihe vollen Ruhe einer wunderbar schönen Gebirgswelt einer Vor stellung im Oybiner Waldtheatcr beizuwohuen. Und wenn wir mit einem herzlichen Wunsche schließen dürfen, so kann es nur der sein, den der Dichter Johannes Trojan dem Oy biner (Waldtheater im Jahre seiner Eröffnung 191 l in das Stammbuch schrieb: Glück auf! Mög es gedeih» und bluhn, Das (Waldtheatcr von Oybin! Von Oskar Schwär Es ist gesagt worden, das Volk der Oberlausitz sei ein spiclfreudiger Menschenschlag. Das stimmt auch. Ich muß es wissen. Selbst in meinem kleinen Heimatdorfe wurde gern und oft Theater gespielt. Im Gasthof und im Kretscham gab es „Bretter, die die Welk bedeuten". Gewiß nicht allzu geräu mige Bretter, aber doch groß genug, um die Schauplätze für mancherlei heitere und ernste, alltägliche und heroische, zarte und erschreck! ehe Handlungen abzugeben, Bilder ans der Wirklichkeit und ans dem (Märchenreichc erstehen zu lasten. Und das ist Wunders genug, wenn man bedenkt, daß dieser Zauber mit einfachste» Mitteln hcrvorgerufen wurde. (Wir kannten keinen Bühnenbildner und Trachtenmeister, und das technische Personal bestand in einem Manne, der die Petroleumlampen der Rampe anzündete, die Glockenzeichen gab und den Vorhang aufzog. Aber wir hatten eine naive und starke Einbildungskraft. Kulissen und Hintergrund für vier Bilder reichten ans: Bauernstube, Schloßranm, Dorf platz, (Wald. Sic waren bei Tag- und Nachtszenen gleich mäßig erleuchtet und schienen uns doch einmal mittaghell, einmal mitternächtig-dunkel, wie das (Wort des Dichters e-' wollte. Die Kostümierung bereitete kaum Schwierigkeiten. Es nab ja die verschiedensten Soldaten-, (Wächter- und Feuer wehr-Uniformen, in den Laden und Schränken der Familien wurde die alte „Wodcht" aufbewahrt, wattierte Jacken, lange Schößclröcke, bunte Westen, Mieder, Hauben und vorsintflutliche Zylinder. Im übrigen schneiderten die Dar stellerinnen, was ste und die (Männer in die Gestalten des Stückes verwandeln sollte. Sie hatten kein Trachtenstudium nötig, sie besaßen genug Erfindungsgabe. Je kurioser die Kostüme ausfieleu, desto bester wirkten ste. Aber Ansprüche stellten wir an die Darstellung, vor allem an Mimik und Gesang! Da mußte herzzerreißend „ge flennt", fürchterlich Rache geschnaubt, rührend „gehimmelt", dröhnend geflucht, schallend gelacht werden. (Wer da ver sagte, erntete vernichtende Kritik: „Dar hoat ja dogestann wie a Pflok! — Die koan ja 's Maul ni verstehn!" Dra stisch mußte alles sein: denn wir wollten für unsere Groschen auch ein paar Tränen mitweinen und vom Lachen erschüttert werden. O, es gab Spieler im Dorfe! „Leimdjanz Deps" (Leinewand-Iohanns Theobald) und seine Schwester „Leimd janzens Utkielche" (Ottilie) hatten das richtige Thcaterblut. Er war hager und lang, konnte täppisch oder gravitätisch da herstelzen und mit Gebärde und Stimme wunderbar komisch wirken. Die Schwester mit dem vollen hellblonden Haar, das ste bald in langen Zöpfen, bald als Kranz trug, stanv ihm nicht nach. Sie sangen beide vorzüglich, und ihre Duette ernteten stets besonderen Beifall. Keck und neckisch gab sich Bergmanns Anna, aber auch „zu Tode betrübt", sic schmet terte Liebcslust wie die Lerche und seufzte wie die Nachtigall. Sie riß die (Mitspieler fort, eroberte sich immer ihre und der Zuschauer Herzen. So manchen Vers, der uns von der Bühne her ent zückt hatte, sangen wir noch wochenlang nach. So das drol lige: „Ein Buddel Bier, zwei Buddel Bier, Drei Buddel Bier . . das eine Abteilung schwarzer Kameruner, Bierflaschen strek