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Einsamkeit dieses malerischen Erdenwinkels. Zwei gut ge pflegte Wege führen in den Znschauerraum hinein. „Der Poetenweg", der die Theaterbesucher bringt, die von der Oybin—Jonsdorfer Straße aus kommen, und der schon er wähnte Hausgrundweg, der den kürzesten Weg nach dem Oybintal sucht und sich dann in scharfer Biegung am Oybin- Belsen entlang nach dem Dorse zu windet. Beide Vvege sind gut gepflegt und die Wanderung auf ihnen zum iWaldtheat.-r ist mit so wenig Anstrengung verbunden, daß es jedem, auch dem Kurgaste, der auf manchen Gebirgsgenuß verzichten muß, möglich ist, die Vorstellungen zu besuchen. Eine Erfrischungs halle gegenüber der Bühne sorgt übrigens für leibliche Er- gnicknng. Im Hintergründe der Bühne steigt der Pferdeberg ans, hinter den Zuschauern erhebt sich der Schuppenberg. Als das Waldtheater sein „Goldenes Zeitalter" durchlebte, war es an manchen Tagen von Tausenden von Zuschauern besucht. Gegen 7000 Menschen vermag es zu fassen. Als sich dieser denk würdige Fall ereignete — freilich sagenhaft lang ists her! — da blieb nicht nur auf den Bänken unten vor der Bühne kein Platz unbesetzt, sondern da flutete die Zuschauermenge bunt und lebendig am Hange des Schuppenberges bis säst zur Kammlnüe empor. Eine solche Ausnützung des Raumes 'st freilich nur möglich, weil der Kessel, auf dessen Grunde die Freilichtbühne liegt, über eine Akustik verfügt, um die sie von mancher geschlossene» Bühne beneidet werden könnte. Bis auf den entferntesten billigsten Plätzen versteht man jedes Wort. Bei windsiillem Wetter — und bei der Geschlossenheit und dem von Natur aus terrassigen Aufbau des Geländes kennt tuan hier kaum eine Lustbewegung — ist überall jeder Flüster ton zu vernehmen. Für die Kulissen sorgte die Natur selbst. Die romantischen Gipselformen des Gebirges und der von allen Seiten herandrängende W>ald, soivic die Felsgruppen aus dem Bühnenboden schaffen eine Szenerie, die auf um ständliche, die Natur höchstens verdeckende und den unbefan genen Eindruck störende Theaterbauteu verzichten kann. Es ist die besondere Eigenart des Oybiner TLaldthcaters, daß ihm die Natur fast alle Kulissen selbst anbietet. Dadurch wird diese Bühne zu einer wirklichen „Naturbühne", nicht nur zu einem Theater, das man, wie es so oft der Fall ist, nur aus dein geschlossenen Raum in die Natur hinauögeholt bat. Mit Leichtigkeit lassen sich fünf verschiedene Handlungs plätze seststellen: man spielt auf der Hauptbühne, außerdem rechts und links, ferner noch weiter rechts oben am Hange und schließlich, bei Szenen, die einen kirchlichen Raum brauchen, tief im Hintergründe. Immer bietet der von der Natur ge gebene Schauplatz die äußere Szenerie. Prozessionen wandeln nach dem Hintergründe zu über eine Brücke bis zur abschlie ßenden Felswand. Steile Kletterpfade geben natürliche Ab- und Zugänge für Szenen in Stücken, die großen Schauplatz brauchen. Die Größe, im besonderen die Tiefe des B2ald- theaters, schaffte eine gewaltige Perspektive und bietet Raum für Veranstaltungen, die Mussen bewältigen müssen. Und dabei geht trotz der scheinbaren Zerklüftung nicht ein Ton verloren. Ouer unter der Bühne hindurch führt ein verdeckter Gang. Seit man ihn schuf, ist manche Schwierigkeit bei Akt schlüssen und -anfängen behoben. So umfaßt der -Blick des Zuschauers ein vielseitiges Bild, einen Theaterspielplah, dem es an nichts fehlt. Die Begründer dieser prächtigen Freibühne schnitten einen Streifen aus dem Waldmantel des Gebirges heraus und nun sieht man hinauf bis auf die Höhen und ihre seltsamen Felsgebilde wie der „Kanzel" und so mancher anderer. Ab und zu steht ein Wan derer droben auf dem Steine wie eine Silhouette in die Lust gestellt, oder ein Wanderlied drängt sich in das heitere oder ernste Spiel. Wolken ziehen in ewiger Bewegüng über die Gipfel. Träume, wer träumen mag. Hier lebt noch die echte waldeinsame märchenheimliche deutsche Romantik, hier konnte bei aller Nähe, doch abseits von Hast und Jagd des Alltags, eine Waldbühne ihr verdienstvolles Werk üben. Eine unvergleichbare Stimmung umfängt den Erholung-, Zerstreuung- oder Erhebung-Suchenden, der hier, von Einsam keit und Schönheit eines der reizvollsten deutschen Mittel gebirge umfangen, einer Vorstellung beiwohnen kann. In den ersten Jahren, in der Zeit vor dem Kriege, zogen klassische Dramen große Zuschauermengen heran. Die „Iphigenie"-Aus- führnngen erfreuten sich höchsten Lobes. In den letzten Jah ren, den Jahren der Theatermüdigkeit, hat auch das Oybiner Waldtheater nicht mehr die hohen Besuchszisfern aufzuweisen. Die Künstler, die im Sommer auf der Oybiner Bühne spie len, stammten zumeist ans der Zusammensetzung, wie sie Vas Zittauer Stadttheater in der vorhergehenden Winterspiclzeit answies. Seit einigen Jahren spielen die Künstler auf Teilung. Mit Hilfe von Unterstützungen durch die Gemeinde Oybin und durch den sächsischen Staat, sowie durch das Entgegen kommen ver Stadt Zittau ist es bisher immer möglich ge wesen, das Oybiner Waldtheater am Leben zu erhalten. Frei lich sind die Künstler nicht ans Rosen gebettet und ein vom Wetter so herzlich wenig begünstigter Sommer-Ansang wie der diesjährige ivirft ihnen keine Schätze in den Schoß. Aber sie lieben ihr Waldtheater, und manche, die der Theaterwind längst anderswohin geweht hat, kommen auf eine Sommer gastspielzeit wieder nach Oybin zurück. Eine Freibühne er zieht ihre Leute, ob sie als Künstler auf der Bühne stehen oder als Zuhörer in den Bänken fitzen, zu treuen Freunden, manchesmal saßen die Zuschauer unter dem Regenschirm oder warteten unter den Bäumen zu beide» Seiten einen Gewitter guß ab und sahen zu, wie bei den tapser und unentwegt weiter spielenden Künstlerinnen sich die Ringellocken in die Länge zogen und den mimenden Herrlichkeiten das Wasser von den Hüten lief. Zuweilen kommt es auch vor, daß das !Wetler selber mitspielt und schmetternder Donnerschlag pünktlich und passend in den Tert hineinkracht, als ob er seit langem schon ans das Stichwort gewartet hätte. Im Oybiner Waldtheater wird von Pfingsten ab - meist findet am 1. Pfingstfeiertag die Eröffnungsvorstellung statt — bis Ende August gespielt, in der Zeit vor den großen Ferien wöchentlich gegen dreimal, während der großen Ferien fast alle Tage. Eine solche Spielzeit, die sich nicht nur auf einige Festvorstellungen beschränkt, stellt an die Spieler, m ihren Fleiß und ihren frohen Willen höchste Anforderungen, ^las Repertoir muß reichhaltig sein; denn das in Frage kom mende Publikum ist sehr schnell ausgeschöpft. Einen Teil dieses Publikums stellen die Sommerfrischler des Zittauer Ge birges, ferner kommen treue Gäste aus Zittau und der Lausitz. Ihretwegen beginnt das Theater seine Vorstellungen um Uhr, damit es den mit dem „Theaterzuge" ^ch-4 Uhr An kommenden möglich ist, beim Beginn oben im iWaldtheater zu sein. In jedem Jahre sind auch Versuche gemacht worden, besondere Abendvorstellungen anzusetzen. Solche Vorstellungen, die sich die Dämmerung eines lauen Sommerabends zunutze machen können, atmen natürlich eine Stimmung, die den künstlerischen Gennß zu einem Erlebnis steigert, das unver lierbar im Gedächtnis hasten bleibt. Es gibt Stücke, die sür das Oybiner Waldtheater ge-