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Das s!8 ^^!tui-6u!-ZZ!i>e Von Rektor Iaspcrt, Frankfurt a. M. 1. Vorsitzender des Reichsverbandes Deutscher Gebirgs- und !Wandervereine Seit einiger Zeit regt es sich in Deutschland in großer Bewegung, aus dein Reisen, der Touristik, dem Kilometer rasen und der oberflächlichen Zerstreuung ein deutsches lWau- dern als Kulturtat und Kulturanfgabe zu gestalten. TLir sühltens alle, daß unsere hochgepriesene Zivilisation mit Radis und Flugschisf, mit Schnellsahrt und Auto für eine gewisse Ilkenschenschicht nie geahnte Lebenöbedingungen schasst, für Millionen aber nichts ist als die Spitze der Pyramide des Inhumanen. Wir empfinden schaudernd die Tiefe der Leere, Vie hohle Entseelnng, fröstelnd die kristallene Kälte ohne lVenschenrum. Im kleinsten Dörfchen des ^Mittelalters war mehr Seele als in den gewaltigen Lichtzentren des Großstadtlebens. Der schlichte Volkstanz mit dem heiteren Volkslied war seelen voller als der unsinnige Negertanz mit der Jazzmusik. Unter den Linden am Dorsbvrn wars anmutiger, heimeliger und deutscher als aus dem Spiegelparkett mit Revue, Girls und Schlagern. Alle iWelt beklagt den Zerfall der deutschen Kultur, Sitte, Sittlichkeit. Wir wissens alle, daß ein Hauptsaktor beim Zerstören von alten, guten, deutschen Kulturgütern die wirtschaftliche Lage, die vermaledeite Arbeitslosigkeit ist. Abw wir müssen, bei aller Anstrengung zur Besserung der Wirt schaftslage zugleich Erziehungsarbeit in allen Altern leisten, und wir glauben, daß auch Wirtschaft und Finanz, Politik und Lebensanschauung erst durch bewußt deutsche, große, natio nalpolitische Erziehungsarbeit wieder zur Blüte gebracht wer den, ja, daß der Weg zur Wirtschastsstcherheit durch die Eharaktersicherheit geht. Oswald Spengler glaubt in düsterem Pessimismus nicht mehr an eine deutsche Kultur- und Wesensauferstehung. Für ihn ist nach der magischen, apollinischen nun der letzte Akt unserer, der faustischen Kultur, gekommen, und das Abendland ist rettungslos in Altersschwächen dem Tode verfallen. Ein furchtbares Wort, das zugleich vernichtend und zersetzend aus unseren Willen zur Tat wirken kann. lWeun dann alles dem Untergang geweiht ist, wozu dann noch Kulturarbeit; dann, herbei rasender Taumel aus dem Vesuv, nach uns das Ehaos! An der Stärkung solcher Gedankenreihen wirken gewisse Philosophen und andere ^Wissenschaftler stark mit. Alles Starke, Verehrte, Ehrwürdige, Heldische, Natürliche wird mit zersetzender Kritik begeifert. Alles bisher in ewiger Ruhe Liegende, selbst Gott, wird relativiert. Literatur, Malerei, Musik, Vortragöwesen predigt einen jämmerlich kleinen JUaterialismns, der über menschliche Zäune hinter dem Dies seits nichts niehr sieht, nichts fühlt, nichts glaubt. Darum fehlt der Moderne das Große, sie ist hündisch klein. Der deutsche Idealismus liegt in hartem Kampf mit Gottlosigkeit und Vergottung des Nkateriellen, mit Beengung im Folter stock des Mechanischen und bleiernem Druck ans allen Strö mungen des Alltags. Der Titanismus des jungen Goethe, Verirrung einer jun gen, frevelnden Seele, wird als Gottesdienst fürs Volk er klärt. Man vergißt, daß derselbe Goethe in „Grenzen der Menschheit" den letzten Saum seines Kleides küßt, „kindliche Schauer treu in der Brust". Die Goetheverehrer mit ihrer Vermestenheit sollten den großen, religiösen Goethe unserem Volk näherbringen und ihn selbst empfinden. Das wäre Er ziehung des Volkes zur Volkskultur des Deutschen. Wir aber sind die deutschen ^Wanderer und haben die große, wundervolle Aufgabe, die „menschliche Tiefe der Leere" mit unseren großen Zielen und Ausgaben, mit unserer Natur begeisterung und Heimatliebe, mit unserer Brüderlichkeit und Vaterlandsverchrung, mit unserem gesunden Sein und Denken zu füllen und unser deutsches Kulturgut der deutschen !Welt und uns selbst wieder zu finden und unserem Volk von Brüdern iriever zu schenken. Man hat erst ganz allmählich die wunderbare Schönheit der deutschen Landschaft gesunden. Vor Dürer war sie kaum da. Wir Wanderer tragen sie als ein unübertreffliches Gut m einem seinen und klugen Herzen, und unsere Seele lebt auch davon. Am frühen Sonnenaufgang, ans tanglitzernder Höne enthüllt die Natur dem treuen Sohn, dem Wanderer, ih.e schönsten Reize: das Nebelmeer, die vergoldete Höhe, den er blassenden Morgenstern, die steigende ^»unegerin Sonne, ttud ivie einen wohlbehüteten Talisman tragen wir das Bild auch am Schraubstock, aus der Lokomotive, am Schreibtisch, in Kontor, an der Theke in unserer Seele, und seine Kräfte strahlen beleuchten das stickige Feld unseres dumpfen Alltags, geben ihm Licht und Wärme; denn das Bild vom Kreuz im Gebirge, vom Mond im Nebel von der Tanne im Rauhreis ist trotz aller Armut ein lebendiger Schatz. Die Scholle des Heimatbodens erzählt von unserer Väter Taten. Und wenn der mittägliche Gluthauch vom Brodem veS Weizenfeldes, der Ackerkrume Duft unseren Sinnen er kenntlich wird, so slüstelrn die Blutwellen, die der Boden trank, von den Verteidigern der Heimat, ihren Heldentaten, ihrem Heldenlied, ihrem Heldentod. Der seine gekräuselte Rauch heimatlichen Herdes, der vom Dörfchen in den Abendsrieden emporschwebt, beruhigt unsere rom Wirrwarr des Lebens zerfetzte Seele. Im schönsten Wiesengrunde liegt meine Ruhe, liegt meine Stärke, will ich begraben sein. Die ursprünglichen, schlichten Verhältnisse des Dorfes, auch die wirtschaftlichen und politischen, lassen uns Nachgeborene von dem Großen alter germanischer Urzeit tief empfinden, und das Große wird unserer Seele Größe verleih:n. Die in der Ferne zum Himmel ragenden Türme der Stadt weisen uns aus eine Zeit, in der das ganze Volk erglühte in einem, einem einzigen Gedanken: Gott allein die Ehre! Und da erschuf Erwin von Steinbach das Haus, da zahlten die weltlichen und kirchlichen Fürsten, da gab jeder sein Schcrt- lein. Da arbeitete jeder gotische Mensch an der Belebung des Steins, der am Fundament und der an der Säule und der am Kapitäl und der am Schwibbogen und der an der Kreuz blume, alle Kinder eines Gedankens, alle in kultureller Ein tracht. Dadurch erst entstand das wundervolle große Kultur werk und die Kulturgemeinde. Aber der lWanderer ergreift die Gedanken, sie ergreifen ihn, und als Kulturträger gibt er dem Gedanken Weg und Ziel im trauten Wanderverein. Uno in seiner Heimatzeitschrift. Go entstanden die 37 Blätter unseres Neichsverbandes der deutschen GebirgS- und Wandervereine, Niederschlag oes Erlebten, Fundgruben für Geologie, Archäologie, Erdgeschichte, für Heimatkunde und Vaterlandsgeschichte. Wir können es ja nicht lasten, zu reden, zu schreiben von dem, wag wir auf unserer ^Wanderfahrt gesehen, gehört, erlebt haben, und so ist der Minderer der echte Träger der Fackel, an der fich neue Begeisterung entzündet, neue Seelen wärmen.