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Schloß Stolpen hat durch die gefangene Gräfin Cosel eine traurige Berühmtheit erlangt, wenn auch seine frühere Geschichte fast nur Bilder der Grausamkeit und des Vanda lismus aufzuweisen hat. Denn hier, wie in jeder respektablen Veste des so gepriesenen Mittelalters, gab es eine Folter kammer nnd unterirdische Kerker mit schlammigem (Wasser gefüllt, worein die Gefangenen vermittelst eines Globens ge laßen wurden; hier rangen tausend ohnmächtige Seufzer der Gemarterten sich an den (Mauern empor, um ungehört sich in den Felsspalten zu verlieren. Hier unten büßten calvinistische Prediger ihren Glaubenseifer unter den entsetzlichsten Vualen, während oben ihre Peiniger, die frommen Bischöfe (Meißens, geistliche Lieder sangen oder „kühlen Klosterwein" schlürften. Die Überreste des Schlosses Stolpen, einer ehemaligen Bischöf lichen Residenz und zu seinerzeit berühmten Bergfestung, ge hören sicher zu den bemerkenswerten Denkmälern der letztver gangenen Jahrhunderte. Auf einen 356 m über N. N. er hobenen, sacht aufsteigenden Basaltberge, an besten Süd- und Nordabhange das Städtchen Stolpen gelegen, ungefähr 25 Kilometer von Sachsens Hauptstadt entfernt, erblicken wir die selbe, die noch jetzt, außer in beträchtlichen Ruinen, in vier Türmen bestehen. Die Veste Stolpen ist sicherlich um 4421 von Deutschen gegründet, zunächst als „Bollwerk aus geschro- tenem Holz". Bald scheint sie jedoch den Böhmen in die Hände gefallen zu sein, nnd im Jahre 4444 nahm sie (Markgraf Konrad von Meißen in Besitz. Erst 400 Jahre danach er fährt man von ihrem weiteren Schicksal, als sie, nebst Jock- rym, wie früher das Städtchen hieß, von ihrem anderweiten Besitzer (Moyko de Stulpen, einem wendischen Edelmann, an den Bischof Benno I!. von (Meißen für 468 (Mark Silber verkauft wird. Es blieb nun daö Eigentum und die zeitweilige Residenz der fünf letzten Bischöfe von Meißen, welche daselbst einen glänzenden Hofstaat unterhielten. Die bekannte „Carlo- witzcr Fehde", die wegen einer Testamentsforderung seitens des Stallmeisters Hans von Carlowitz an den Bischof Johann IX. sich entspann, wurde jedoch die Veranlassung, daß diese Be sitzung im Jahre 4559 abermals ihren Herrn wechselte und an den damaligen sächsischen Kurfürsten August kam. Seitdem blieben Schloß nnd Stadt Eigentum des Staates Sachsen. Das Schloß bestand früher, wie sich an den Überresten auch noch erkennen läßt, aus drei Höfen, die durch Zugbrücken mit einander verbunden waren nnd in die man erst durch die mit starke» Brustwehren, gewölbten Toren nnd tiefen Gräben ver sehenen „Klengelsburg" gelangte, die Johann Georg II. 4675 durch den Äberlandbaumeister von Klengel anlegen ließ. Der erste Hof enthielt außer dem St. Donatsturm (nach Dona tus, Bischof von Arezzo, genannt, der nächst Johann VI. Bischof von (Meißen, Schutzpatron des Schlosses war), dessen Spuren gänzlich verschwunden sind, die Marterkammer, den Kornboden, den Marstall nnd eine große Cisterne. Der zweite Hof hingegen enthielt die Hanptveste, rechts einen dicken Turm, die alte Schlösserei genannt, und links den St. Johannisturm, im Volksmund Coselturm genannt. Der gleichfalls mit starken (Mauern und tiefen Gräben umgebene dritte Hof enthielt die ehemaligen herrschaftlichen Gebäude, die später der Platzkom mandant bewohnte. Diese Gebäude bestanden aus dem Geiger oder Uhrenturm, der vom Kurfürst August erbaut und 4744 zum letzten Male repariert wurde. Neben demselben stand das Destillierhaus, in dem die Kurfürstin Anna Aquavit feine Estenzen (»erstellte, sodann den Siebenspitzenturm, dem Brunnenhaus mit dem über 80 rn tiefen, in den Jahren 4608 bis 4630 in Basalt gebrochenen Brunnen, dann dem Kunst türmchen, genannt nach der darin befindlichen (Wasserkunst, durch die aus dem Tiergartentale das Wasser auf den Berg getrieben wurde, und endlich aus der Schloßkapellc. Diese war durch den Bischof Thimo zu Ehren der heiligen Barbara er baut und enthielt außer einer Kanzel mit drei kunstvollen Steinbildern sieben Altäre. Die Kanzel und ein Altar dieser Kapelle befinden sich seit 4843 in der Begräbniskirche zu Bischofswerda. Die Anzahl der Gebäude wird im Stande sein, einen kleinen Begriff von dem ümfang der Festung zv geben. Erst zur Zeit des Hussitenkrieges werden die Nachrichten über die Geschichte des Schlosses Stolpen zuverlässig und vom Jahre 4429 bis zu den sechzig Friedensjahren, die dem dreißig jährigen Kriege vorausgingen, wüteten fast ununterbrochen Feuer und Schwert in feinen (Mauern. Da, wo zwei Jahr hunderte früher die Hussiten gehaust, erschienen jetzt 4632 die Kroaten unter dem Befehle des Rittmeisters Romhof, plün derten die Stadt und ermordeten jeden, der sich ihnen wider setzte. Der Veste jedoch konnten sie nicht beikommen, denn die selbe wurde von den Bürgern unter Anführung des Predigers Sperling tapfer verteidigt. Hierüber erzürnt, zündeten die Kroa ten bei ihrem Abzüge die Stadt an, wobei auch das Schloß litt, indem der (Wind die glühenden Schiefer des Kirchdaches auf den Siebenspitzenturm trieb, welcher Feuer fing und nebst allen äußeren Gebäuden ein Raub der Flammen wurde. Durch den 4635 zu Prag mit dem Kaiser geschloffene:! Frieden macht sich Sachsen die Schweden und deren Verbündete zu Feinden, was abermals das arme Stolpen empfinden mußte 4639 erschien der schwedische Feldhetr Banner mit 6000 (Mann und forderte die Besatzung des Schlosses, das seit dem Besuche der Kroaten eine kurfürstliche Besatzung erhalten hatte, auf, sich zu ergeben. Der Kommandant der Veste leistete der Aufforderung keine Folge, und wie einst die Kroaten, rächen sich jetzt die Schweden, indem sie bei ihrem Abzüge die Stadt einäscherten. Als endlich der Friede in Deutschland wieder eingekehrt, wurden die abgebrannten Gebäude nach und nach wieder aufgebaut und die Festungswerke noch vermehrt. Allein ein böses Geschick waltete über dem Ärt. 4723 brannte durch die Unvorsichtigkeit einer Schulmeisterstochter die ganze Stadt bis auf ein Haus und die Gottesackerkirche ab und was nach dem Wiederaufbau der Stadt Menschenhände verschont ließen, vernichteten die Elemente. (Mehrmals suchten die schwersten Gewitter Schloß und Stadt heim und was diese übrig ließen, zerstörten während des siebenjährigen Krieges die Preußen unter Äderst (Warneri. Vom 3. bis 48. September 4756 verweilten die Feinde in der Veste und führten die metall - nen Geschütze mit sich weg, nachdem sie die eisernen Kanonen zerschlagen, Gewehre und Munition in den Schloßbrunnen geworfen und die (Wasserkunst aus dem Tiergarten zerstört hatten. Seit dieser Zeit liegt die Veste in Trümmern und wäre bald wieder ein Schauplatz des Kriegseleuds geworden, als Napoleon 4843 befahl, die Tore und Mauern in Verteidi gungszustand zu setzen. Er selbst hielt sich am 24. und 25. August in Stolpen auf und rühmte die Festigkeit und Stärke der Mauern, die sämtlich aus Basaltsäulen errichtet find. Glücklich jedoch entging diesmal der Ort der drohenden Gefahr und mahnt heute durch seine öden Ruinen nur noch an die Nichtigkeit irdischer (Macht und Größe, an die Schrecken wilder Eroberungssucht nnd mittelalterlicher Grausamkeit. Da, Ivo einst wilder Kriegslärm tobte, wo der Fuß barbarischer Söldner den Boden zerstampfte, wandeln jetzt friedliche Menschen in den zerfallenen Ruinen, wie in einem offenen Buche lesend.