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In der Mitte des 16. Jahrhunderts wandte sich die Stadt Kamenz ganz dem Protestantismus zu. Der letzte katholische Geistliche an der Stadtktrche war der von der Äbtissin 1540 berufene frühere Prior des Augustiner-Ere- miten-Klosters in Alt-Dresden, Johann Ferber, der wegen seines Eifers gegen die Protestanten 1546 Kamenz verlassen mußte, worauf der Stadtrat ohne Zuziehung des Klosters den evangelischen Prediger Johann Kittel berief. Wolfgang Lindner aus Frankfurt a. d. O., der 1566 starb, führte als Erster den Titel „Pastor Primarius". 1570 starb der letzte katholische Bürgermeister von Kamenz, Antüeäs Günther, der 1548 auf der südlichen Seite des Marktes den Andreas- brunnen mit dem monumentalen Aufbaue von 1570 er richtete „und der lutherischen Reformation abgünstig war". Das Kloster und die Kirche der Franziskaner ad sanctam Annam in Kamenz kamen 1565 an die Stadt unter der Be dingung, das Kloster zu Schulen einzurichten und in der Kirche wendisch zu predigen. Mit der wendischen Predigt begann man am Feste Allerheiligen 1565, aber im Geiste Luthers. Vor mehreren Jahren ist sie gänzlich eingestellt worden. Bei dem großen Brande in Kamenz 1842 wurde die Kirche der Franziskaner teilweise zerstört, aber wieder auf gebaut und am 1. Januar 1850 feierlich eingeweiht. Die als Lateinschule errichtete und schon vor 1565 bekannte An stalt führte den Namen Lyceum Camencience, das 1816 wegen Mangel an Schülern aufgelöst wurde. An dessen Stelle trat die jetzige Bürgerschule. In der Klosterurkunde Nr. 198 vom Montage nach St. Veit 1558 bekennen der Bürgermeister und der Ratmann von Kamenz, daß die Abtissin Anna von Baudissin <1554— 1558) zur Aufrechterhaltung des Friedens, der Ruhe und der Einigkeit das Pfarrlehen zu Kamenz dem Rate der Stadt übergeben habe unter der Bedingung, daß alle Jahre von der Stadt oder einem dazu Beauftragten der Äbtissin, solange es ihr gefällig sei, Rechnung gelegt werden solle, was aber in der Folgezeit aufhörte. Weil später die fast ganz protestantisch gewordene Stadt Kamenz nach dem großen Brande 1572 das Pfarrhaus allein aufführte, also ohne Beihilfe des Klosters, so verlor es dort allen Einfluß. 1597 wurden noch Verhandlungen wegen des alten Pfarr hauses, das das Kloster beanspruchte, gepflogen, über den Erfolg ist aber nichts Genaues bekannt. Eine Erinnerung an die wechselseitigen Beziehungen Mariensterns zu Ka menz ist das Läuten in der Hauptkirche täglich eine Stunde die ganze Woche hindurch, wenn eine Äbtissin gestorben ist. Dasselbe geschieht auch in den Patronatskirchen des Klo sters. Auch sendet der Stadtrat noch alljährlich zum Neu jahre der Frau Äbtissin seine Glückwünsche mit einem An gebinde, das von ihr freundlich erwidert wird. Dieses An gebinde der Stadt besteht in einem großen Pfefferkuchen, der nach dem Stadtbuche von Kamenz schon 1552 daselbst gebacken wurde. 1671 bezog der Rat von Kamenz mangels eines Küchlers in der Stadt den Neujahrspfefferkuchen fürs Kloster um 7 Taler von Gottlob Teuffel in Pulsnitz. Die Abtissin erwidert das Geschenk mit kunstvoll gefertigten Filigranarbeiten. Am 30. März 1598 ermächtigte Kaiser Rudolf II. die Abtissin Luzia Günther <1592—1607), das Dorf Jesau, et liche Untertanen und Gärtner zu Bernbruch und zwei Bauern und einen Gärtner zu Wtesa um 5600 Taler zu 6A auf sechs Jahre an die Stadt Kamenz zu verpfänden, um dafür Wetro, Zescha, Niesenöorf, Berge, Ober- und Niederkiesdorf, Weißnauslitz und Spittwitz einzulösen. Das an Kamenz Verpfändete löste die Abtissin Katharina KoSi- zin <1607—1619) für 5850 Taler wieder ein. Sie regierte unter den traurigsten Zeitverhältnissen, so daß an ihrem Lebensende Marienstern der Aufhebung nahe war. Um diese Zeit machte sich der sächsische Kurfürst Johann Georg I. auf, um die Oberlausitz dem rechtmäßigen Landesherrn, dem böhmischen Könige und deutschen Kaiser Ferdinand II., zu unterwerfen, weil die Lausitzer Stände dem Gegenköntg Friedrich von der Pfalz gehuldigt hatten. Die Kamenzer schickten Deputierte an den Kurfürsten ab, die ihn am 26. August 1620 zu Stolpen auf offenem Markte um Gnade für die Stadt baten. Der Kurfürst soll bei dieser Gelegen heit lächelnd gesagt haben: „Die Kamenzer riechen den Braten." Darauf soll die Redensart „eine Kamenzer Nase haben" zurückzuführen sein. Im Jahre 1818 traten der Staötphysikus Dr. Bönisch, Akcistnspektor Horn und dessen Bruder, der Regierungs advokat Horn in Kamenz, sowie der Klosterverwalter Rie del, der Klostersekretär Heink und der Gutsbesitzer Nobel in Höflein zusammen, um am östlichen Fuße des Wein berges bei Schmeckwitz eine Badeanstalt auf Aktien zu gründen, die sie „Marienborn" nannten, da die aus dem Braunkohlenlager kommende Schwefelquelle sich heilbrin gend gegen mancherlei Krankheiten erwies. Frau Inspek tor Horn, in deren Familie sich später sämtliche Aktien be fanden, schenkte 1831 das Bad dem Barmherzigkeitsstift zu Kamenz, das dasselbe 1839 unter günstigen Bedingungen weiter verkaufte. In der Folgezeit wechselten die Besitzer öfterer. Am 28. Mat 1877 verkaufte das Kloster einen Teil des „Spittelwaldes" mit etwas Wiese — gegen 6 Scheffel — für 9000 Mark an die Stadt Kamenz und 1912 dann noch den Rest. Im Laufe der Zeit haben die kulturhistorischen Be ziehungen früherer Jahrhunderte zwischen dem Kloster Martenstern und der Stadt Kamenz immer mehr nachge lassen, umso stärker entwickelten sich die wechselseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse. Dazu trug auch die neue Staatsstraße zwischen den beiden Sechsstädten Kamenz und Bautzen, erbaut in den Jahren 1842—1844, wesentlich bei. Die Kriegsjahre und die Folgezeit mit ihren ungünstigen Auswirkungen haben die bisher innigen Bande in etwas gelockert. Dieser kurze chronistische Überblick zeigt t>ie kultu relle und wirtschaftliche Verbundenheit zwischen Stadt und Land, die auch die Länge der Zeit nicht vernichten konnte. Wenn das Kloster im Jahre 1948 sein 700 jähriges Bestehen feiern wird, dann wird auch die Stadt sicherlich regen An teil an der Jahrhundertfeier nehmen, da sie ja in den Herren von Kamenz der eigentliche Urheber dieser Grün dung gewesen ist. G. M. Der öchlechlebecg, ein Wanderziel Von Werner Ändert Schlechteberg, welch nichtssagendes Wort. Dennoch, wie liegst du so herrlich im Herzen des Lausitzgaues. Wie reckst du doch dein altersgraues Basalthaupt 485 m in die Lüfte! Wie grüßest du von deiner hohen Warte weit hinaus ins deutsche Land. Allcbersbach mit Berg und Tal, mit Wald und Feld, mit Haus und Hof und mit seinen fast 10 000 Menschenkindern umsäumt deinen flur- und waldbedeckten Mantel. Vor Zeiten warst du verachtet. Mit Gruseln trieb der Schäfer seine Lämmer über den schaurigen Ort, wo einst der Henker seines traurigen Amtes waltete und wo der Totengräber in dunkler Nacht die Selbstmörder verscharrte. Manches ist erdichtete Volksmär. Und doch steckt ein wahrer Kern dahinter. Wohl berichtet die Urkunde nur von einem Galgen bei dem Schlechteberge, aber Germanisten meinten diese „bei" könnte auch „auf" bedeuten. Nicht genug da mit. Am 7. Oktober 1913 wurde beim Bau der Humboldt- baude ein menschliches Skeletts gehoben sMuseum Hum- boldtbaude). Jahrhunderte versanken in das unendliche Meer der Vergangenheit. Vergessen ward die schreckliche Kunde. , Aus dem Aschenputtel wurde eine Königin. Emsige Menschenhände schufen in mühevoller und kostspieliger Ar beit nur einige Meter unter seinem Scheitel einen weit ins Land schauenden Heimatbau, die Humboldtbaude. Die Triebfeder zum Baue war die Schaffung einer dauernden