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Nr. 4 Gbevlaufltzsv Hslmatzeltung 51 und so ertrug er lieber zwei Stunden lang die uner wünschte Bürde. Die Sache wurde mit jedem Sonntage schlimmer. So ordnete denn zuletzt das Oberamt an, daß eine Kommission an Ort und Stelle eine Untersuchung vornehme und, wenn möglich, einen Vergleich herbeiführe. Die nun folgenden Verhandlungen hatten einen günstigen Verlauf. Die ge lösten Stände wurden den einzelnen Personen bestätigt, die übrigen Bänke aber den Gemeinden zu beliebiger Benutzung überlassen. Besonders wurde noch festgestellt, daß niemand sein Besitzrccht für den wendischen Gottes dienst auch auf den deutschen oder umgekehrt ausdehnen dürfe. Übrigens steuerten die zum Kirchspiel gehörigen Gutsherrschaften über 200 Taler freiwillig zum Turmbau bei und versprachen, dafür zu sorgen, daß auch ihre Unter tanen eine gleichhohe Summe aus gutem Herzen dazu aufbringen würden, so daß der Turm vollendet werden konnte. Damit war der Kittlitzer Kirchenkrieg beendet, und es kehrten wieder friedliche Zustände ein. Wenn auch die an gewandten Formen der Selbsthilfe nicht zu billigen waren, so zeigen sie doch, welchen Wert man auf die Erhaltung jenes alten Rechtes legte. Ob wohl heute so etwas auch noch möglich wäre? Men vor M> Mren Von Hans Kahl, Zittau Der moderne Reisende von heute, der in dem behag lichen Polster des O-Zuges oder des Neiscautös im 100- Kilometer-Tempo die Landschaft durcheilt, macht sich wohl kaum noch eine Vorstellung, mit was für Schwierigkeiten und Umstünden eine Reise zu früheren Zeiten verbunden war. Aus einem alten Reisebüchlein des 17. Jahrhunderts entnehme ich die folgenden „dienlichen Sachen": „Der getreue Gefehlte und Helfer . . . mit allerhand sehr nöthige Nachrichten, nebst dem Sonnenzeiger, Wind- und See-Compaß, und andere nützliche Sachen . . ., mit Churfürstl. Süchs. gnacd. Privilegio verlegts Christian Gottlieb Hofmann in Waldenburg." Dieses Reisebüchlein muß für damalige Zeiten eine Art Baedecker gewesen sein. Außer einigen Aufstellungen der wichtigsten Reiserouten, die in Tabellcnform die Meilen entfernungen von einem Ort zum anderen anzeigcn, sind Klöster, Herbergen, Marktflecken nsw. besonders vermerkt. Die Fahrpreise erscheinen uns für unsere heutige Rech nung verhältnismäßig niedrig. Kostete doch auf einer „ordi- nairen Posten" eine Reise nach Dresden und Leipzig 1 thlr., 16 gr., nach Wittenberg 2 thlr., 20 gr., eine Extrapost nach Leipzig und Wittenberg mit vier Pferden Io thlr., eine Stafette an diese Oerter 6 thlr. In der Mitnahme von Gepäck war man sehr beschränkt. „. . . . Ein Reisender muß vorsichtig seyn, und handelt klüglich, wenn er nicht zu viel Bagage mit sich führet, welche sich leicht verlieren läßt. Es vertraue auch einer seine Sachen keinem Träger alleine, sondern bleibe bey ihm, und zwar so, daß er mit seinen Sachen vor Ihm her gehe, damit der Träger nicht mit seinen Gütern heimlich davon schleichen kann." Wie umständlich der Verkehr mit den verschiedenen Münzen war, zeigen lange Berechnungstabellen. Bald jeder Ort hatte seine eigene „Währung". Hier empfiehlt der „treue Gefehrte" dem Reisenden: „Vor allen Dingen muß ein Reisender sich der Münze erkundigen, denn man kann an manchem Orte kaum eine Tage-Reise thun, so gilt das vorige eingewechselte Geld schon nicht mehr. Reichsthaler und Z^ucaten sind überall gangbar,' und wenn mau einer fremden Münze ihren Wert wissen will, so lasse man sichs nur sagen, wie viele Stück derselben auf einen i Reichsthaler gehen, absonderlich muß das Wort Reichs- bey- gesaget werden, denn es gibt viele Thaler, die geringer seyn, als Reichsthaler sind. Wegen des Aufgeldes hat man sich in acht zu nehmen, daß man nicht Schaden leide: denn wer in Ländern reisen will, der muß nothwendig die Münze kennen und wissen, soll man es erst von Gast- wirthen und anderen Leuten im Lande lernen, so möchte es allemal nicht ohne Lehrgeld ablaufen . . ." Hatte der Reisende nun glücklich den nächsten Ort am Abend erreicht, so nahm ihn nicht ein erstklassiges Hotel mit allem Komfort auf, sondern ein bescheidenes Wirts haus, von dessen Beschaffenheit er meist nicht orientiert war. Hier schlägt der „Gefehrte" vor: „Wegen der Wirts häuser ist es besser, in die vornehmsten sich einzulogiren, weil die bessere Bequemlichkeit und Aufwartung zu finden ist ... ." Trotzdem traut man nicht recht, wenn mau den Reisen den aufföröert, daß er sich „. . . einen Wachsstock in einer blechernen Büchse, nebst einem guten Feuerzeug anschaffet, und dies nebst seinem Gewehr vor sein Bett hinleget, sol ches ber> vorfallender Nothwendigkeit zu gebrauchen. In gleichen ist es nützlich, wenn einer etliche Anwürfe und Schlösser bey sich führet, die Kammer, da er schläfet, des Nachts von innen zu verwahren,' denn manche Kammer hat weder Schloß noch Riegel. Da heißts alsdann: Ge legenheit macht Diebe." Damit ists aber noch nicht getan. Die vollkommene Sicherheit ist noch nicht gewährleistet; denn der „Getreue" rät weiter: „Wenn nun das Schlafgemach verwahret ist, so durch suche er sein Bettzeug, ob es reine sey, alsdann lege er sich in einem Schlafrocke und seinen Unterkleidern in Gottes Namen nieder und schlafe nicht feste, damit er höret, was in der Nacht vergehen möchte: damit er nicht etwan um das Seinige kommen möchte." — Alle Ratschläge und Anweisungen sind in einer um ständlichen Schwerfälligkeit gemacht, so wie eben die Art der damaligen Zeit war. Der moderne Mensch lächelt über diese längst überholte komplizierte Umständlichkeit, und trotzdem läßt sich manches noch ebensogut auf die Jetztzeit anwenüen. „. . . Kürzlich wird noch erinnert, daß ein Reisender wohl tut, wenn er der fremden Länder und Völker ihre Sitten und Gewohnheiten gegen unserer Leute Sitten und Gewohnheiten Hält, der kann hieraus sehen, was der Unter schied sey. Jedoch ist kein Land, das Lauter nützliche Ge wohnheiten hat, sondern man nimmt nur das Gute an sich. Es hat sich einer in der wahren Gottesfurcht wohl in acht zu nehmen, weil er in der Fremde mit vielerley Reli gionsverwandten umgehen muß. Deßgleichen hüte sich einer, daß er nicht von fremden Leuten verfängliche Reden führe, noch auch von Königen und Fürsten etwas Nachtheiliges spreche: Denn gedenke, daß der Verrather nicht schläft, der manchen in großen Schaden bringen kann. Es ist auch sehr angenehm, wenn 2, 3 oder mehr Rei sende sich zusammen vereinigen, und ihre Tour miteinander thun, solches macht ein Vergnügen, und können alle Dinge besser observiret werden, solche müssen aber alle einerlei; Houmeurs sein." Oder: „Hat einer Geld bey sich, oder Geldes werth, auf der Reise, so halte crs geheim, und laß es niemand merken, wenn man der Gefahr entgehen will, absonderlich in Wirts häusern, da man nicht weiß, was für ein Volk da ist; da man sich ohnedem zu hüten hat, sich mit den fremden Leuten nicht zu gemein zu machen, es ist da besser, du zehrest und lebest vor dich, und sagest zu keiner Sache gar nichts, so hast du keine Gefahr, denn man steht manchesmal einen braven Menschen, in seinem Thun ist er ein Anfbasscr, oder ein Haupt-Dieb, und darum nimm dich in acht. Wenn du aber auf der Reise in den Wirtshäusern bleibest, so thue