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Eintritt ins Heimatmuseum machen wir Bekanntschaft mit einer alten Ziehmangel, einer „Mandel", wie sie im Volks- mnnde genannt wird. Nun wenden wir uns nach der „Oberlausitzer Weberstube" Der Raum ist stilgerecht aus gemalt. Hier zeigt uns ein „Glasschrank" seine Herrlich keiten aus der Groß- und Urgroßeltern Tagen. Die ein fachen Sitzgelegenheiten, Tisch und Bänke, deuten aus die Armut der Lausitzer Weber hin. Die eine Ecke nimmt der Handwebstuhl, das „Gezehe" ein. Es ist aufgebäumt. Der sachkundige Weber braucht sich nur daran zu setzen, und sogleich kann die Arbeit mit Hilfe der „Trietschemmel", des „Zuckepfleckels" und der Weblade beginnen, Vor dem Webstuhle Haben „Treiberad", „Rolle" und „Winde", desgl. das „Spulradl" ihren Platz gefunden. Mancher der älteren Besucher wird hier an seine Kindheit erinnert, in der er selbst täglich seine 10 oder 20 und mehr „Pfeifen treiben" mußte, bevor er „den Ziel" hatte, und der wollte bei „die ser Wolle" oder „Fitzegarne" oft gar nicht herankommen. Am „Gezehe" sind alle Teile sachgemäß beschriftet, wie überhaupt alle Sammlungsgegenstände. Jeder kann hier selbst in Ruhe seine Studien treiben. Dabei wird manch launiges Berschen des Betrachters Lachmuskeln reizen. — Im andern Teile des großen Raumes bemerken wir eine alte „Bauernstube". Die Möbel sind in Blau gehalten und mit bunten Blumen bemalt. Hier in der Ecke hat das mäch tige „Himmelbett" mit rot-weißen „Züchen" seinen Platz gefunden. Daneben macht sich ein alter Bauern-Kachelofen breit, und ein behäbiger Kleiderschrank birgt allerhand Schätze: den „Bräutgenrock", kuriose Frauenhütchen, Jäck chen von anno dazumal usw. Selbstverständlich fehlen auch nicht der wuchtige Tisch mit Stühlen und eine Wiege. Eine Menge Bilder zieren die Wände der zartblau getünchten Stube. — Machten uns diese Räume mit Volkstum, Ar beit und Gewohnheiten unserer Väter bekannt, so gewah ren wir in den anderen Zimmern nun Sammlungen aus dem weiten Gebiete der Naturwissenschaft. In bequemen Schaukästen treten uns, mit Erklärungen versehen, zahl reiche interessante Stücke ans dem Mineralreiche entgegen aus .st>cimat und Ferne. Allerlei Vögel, zum Teil seltener Art, und viele andere Vertreter ans dem Tierreiche laden in den Glasschränken zum Betrachten ein. Besonders er wähnt sei noch die Muschelsammlung mit allerhand Rari täten. Auch noch allerlei interessante Dinge aus dem fernen Osten lenken in einem besonderen Schranke unsere Auf merksamkeit auf sich. Es sind zum Teil Geschenke weit gereister früherer Schüler — Matrosen — an den Samm- lungswart des Naturwissenschaftlichen Vereins, Oberlehrer Junghans. Er hat sich um die Einrichtung des Museums ganz besonders verdient gemacht. Doch cs ist unmöglich, all das Biele aufzuzählen, was noch recht bemerkenswert ist. Darum, lieber Heimatfreund, komme und schaue selbst! Das Neugersdorfer Heimatmuseum befindet sich Mar- tiu-Lnther-Straße 9, unweit des Rathauses, und ist wäh rend des Winters Sonntags nach dem 1. und 16. jeden Monats ll—12 Uhr geöffnet. Gerhard Hennig. Einweihung des Kaiserimtz-Msemns in MW Görlitz, 14. Oktober. Als Auftakt zur Einweihung des Kaisertrütz-MuseumS, das nach vollendetem Umbau seiner Bestimmung als stadtgeschichtliches und vorgeschicht liches Museum übergeben wird, fand heute mittag im Stadttheater in Anwesenheit zahlreicher staatlicher und städtischer Behördenvertreter eine große Feier statt. Ober bürgermeister Du hm er nahm zuerst das Wort und ging einleitend auf die großen Schwierigkeiten 5er vorgeschicht lichen Forschung ein. Görlitz dürfe für sich in Anspruch I nehmen, allzeit die Pflanzstätte einer großen Kultur ge- ! wesen zu sein. Der Redner gedachte dann des leider allzu früh verstorbenen Professors Feyerabend, des größten Be fürworters des Museumsbaues. Wie der Oberbürgermei ster weiter ausführte, fehlten leider noch 12 000 RM. zur endgültigen Ausgestaltung des Museums. Das neue Mu seum soll der Jugend eine Pflanzstätte sein, den Erwach senen aber Belehrung und Förderung geben. Sodann be grüßte der Redner >u.a. den kommissarischen Regierungs präsidenten von Hahnke, den Vizepräsidenten von Spießen, den Landeshauptmann der Preußischen Oberlausitz von Eichel, u. a. die Landräte von Görlitz, Hoyerswerda, Lau- ban, Rothenburg, die Oberbürgermeister von sechs schle sischen Städten, den Vertreter der Reichswehr, der Geist lichkeit und die Vertreter der Presse. Zum Schluß drückte der Oberbürgermeister die Hoffnung aus, daß das heute eingeweihte Museum nicht nur eine kulturelle, sondern auch eine wirtschaftliche Bedeutung für die Stadt Görlitz haben werde. — Hierauf begrüßte Museumsdirektor Professor Dr. Polaczek die überaus zahlreich vertretene Festversammlung. Er gedachte zunächst ebenfalls seines verstorbenen Vor gängers Professor Feyerabend und wies dann auf die end losen Schwierigkeiten hin, die sich dem Umbau des Kaiser trutzes zum Museum entgsgcustellten. Au Hand zahlreicher Lichtbilder zeigte der Vortragende dann das Wachsen und Werden der Stadt Görlitz, insbesondere aber das des Kaisertrutzes. — Die sehr eindrucksvoll verlaufens Feier umrahmten musikalische Darbietungen. Nach der Feier im Stadttheater begaben sich die Ehren gäste nach dem am Obermarkt gelegenen. Kaisertrutz, dessen Grundstein im Jahre 1490 gelegt wurde. Seine gegenwär tige äußere Erscheinung hat der Kaisertrutz durch einen Um- und Neubau in der Mitte des 19. Jahrhunderts er halten. Nach dem Betreten der Halle im Erdgeschoß fällt der Blick zuerst auf eine Büste des Ungarnkönigs Mat thias Corvinus. Vorbei an der Gedenktafel des unermüd lichen Förderers des Mussums, des Professors Ludwig Feyerabend, gestorben 1927, führt der Weg ins Haupt geschoß zur stadtgeschichtlichen Sammlung. Hier sieht man die Bildnisse der Landesherren aus den verschiedensten Ge schlechtern. Am merkwürdigsten berührt die lange Reihe der Bildnisse böhmischer Fürsten vom 11. bis zum 16. Jahr hundert. In den Fensternischen liegen Zeugnisse der Rechts übung: Schwert und Folterzange. Die nächste, ebenfalls zum Arbeitsgebiet des Museumsdirektors Professor Dr. Polaczek gehörende Abteilung ist den Görlitzer Kirchen ge widmet. Ergreifend auf den Beschauer wirkt die große „trauernde Maria" (um 1600). Am Ausgang der Abteilung steht ein Modell der Peterskirche von 1781. In einem Drehgestell kann mau bildliche Darstellungen der Görlitzer Kirchen bewundern. Die dritte Abteilung umfaßt das Gör litzer Handwerk. Der mit Jnnungsfahncn geschmückte Raum wird beherrscht durch einen Jnnungsschrein der Tuchmacher (1664), gegenüber die Schreine der Fleischer (1893) und Böttcher (1794). Die letzte Abteilung der stadt geschichtlichen Sammlung zeigt Görlitz und die Görlitzer im Bilde. Der Weg führt nun weiter nach der im Ober geschoß untergebrachten vorgeschichtlichen Abteilung, dem Reich des Prähistorikers Dr. Gandert. In der Abteilung „Me Steinzeit bis 2000 Jahre vor Christi" erwecken die Sammlungen mit Darstellungen von Menschen und Tieren aus der Eiszeit größte Beachtung. Die nächste Abteilung umfaßt die Bronzezeit der Lausitz von 2000 bis 750 vor Christi. Eine große Reihe von Funden veranschaulicht den Einbruch fremder Völker in die Lausitz. Bemerkenswert ist die bildliche Darstellung eines germanischen Schiffes. Den Germanen und Slaven um 600 vor Christi bis 1100 nach Christi ist die nächste Abteilung vorbehalten. U. a. sind hier die im Queis bei Siegersdorf aufgefundene Jupiter-Figur und ein Abguß der Marküssäule in Rom untergebracht. Zahlreiche Tongefäße zeugen von der deutschen Kultur bis 1600. Die letzte Etappe des Museums für Vorgeschichte ist