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116 Gberlausitzer Heimatzeitung Ne. 8 hier an und bi» anno 51, den 25. Januar, noch hier, in Herrnhut 1751. Nachschrift von anderer Hand Den 1.Juni 51 ging er nach Schlesien und war als Oekouon: ab und zu in den 8 Geweinen. Auuv 53 war er in England und anno 54 auf etliche Wochen in Herrnhut zum Besuch. Anno 58 ging er als Oekonvinus nach Barbh und kau: am 19. September an. Anno l>0 besuchte er in Herrnhut. Anno 92 kam er am 19. Januar hierher nach Herrnhut und blieb bis zur Generalfpnode und kam auch von derselben wieder hierher. Sein Dienst bei der Brnder- Kirche ins ganze, der Ehorsache und in hiesiger Gemeine und Ehechvr bleibt unvergessen. Voriges Jahr tat er die Reise über Ebersdorf und Neuwied nach Zeist nnd nach vollendeten Archiv-Geschäften wieder über Barby hierher. Vorigen Oktober ging er mit dem Direktoriv nach Schle sien und blieb da bis znm 29. Januar dieses Jahr; und nun hat er am 1. April 17lit> seinen Lauf vollendet und ruhet in Jesu Arm nnd Schoss. 1700. Wilhelm von Polen; iVortrag anläßlich seines 70. Geburtstages im Zweigverein für Geschichte und Vorgeschichte zu Kirschau, Schirgiswalde, Crostau) (Fortsetzung) Als äußerst realer Querriegel schiebt sich nun nach dieser Sturm- und Drangperivdc, der Reifeprüfung, der Reise nach dem sonnigen Italien nnd dem ersten juristischen Studiensemester bei Freund Knobloch in Breslau das ein jährig-freiwillige Dicnstjahr bei den Gardereitern in Dres- den. „Ich werde viel geplagt und geschunden," schreibt er von ihm, „ertrage indes alles mit Humor und fühle mich körperlich und seelisch wohl." Es erhält seinen tieferen Ge halt durch eine Persönlichkeit, die er selbst als Fanatiker der Pflicht bezeichnet: seinen Rittmeister Moritz von Egidy, der den Freiwilligen klar macht, daß sie nichts vor den Gemeinen voraus haben, sie keine Putzer halten nnd die fchmutziae Wäsche selbst waschen läßt nnd der einmal einen Rvmaulesenden anvfeift: „In diesem Jahre gibt es für Sie uv'- zwei Bücher, die Bibel und das Exerzier-Reglement"; und der einige Jahre später als Oberstleutnant der Großen hainer Husaren dies Exerzier-Reglement mit dem Abschied vertauschen mußte wegen der Bibel, oder vielmehr wegen seiner rücksichtslosen Wahrhcitssncht, die ihren "Niederschlag in seinem Buche „Ernste Gedanken" fand nnd das Motto trägt „Ich Habs gewagt!", nämlich die Kritik an der Kirche. Sein ehemaliger Einjähriger aber ist von der Tiefe und dem Ernst dieser Persönlichkeit nicht mehr losgelassen wor den nnd ist Egidns Verehrer, Vertranter nnd Herold ge blieben, als er selbst bereits Rittmeister der Reserve und Kirchenvvrstaud war. Er hat ihm seinen Roman „Der Pfarrer von Breitendorf" gewidmet und in seinem Gedicht „Egidhs Tod" nnd in dem tief empfundenen Nekrolog diesem „lichtvcrklärten Streiter" für Wahrheit und soziale Menschenwürde ein erhebendes Denkmal gesetzt. Bezeichnend um so mehr für Polenzes eigenen Idea lismus, wenn der Einjährige, der jetzt in seinen Kame raden die Vertreter aller Volksschichten kennen lernt, und glücklich ist, Einblick in die Gedankcngänge des einfachen Mannes zu bekommen, in seinem Tagebuch schreibt: „Ich zermartere mir das Hirn, wie man dem Elend der großer: Brasse steuern könne;" und sodann, unter Nichtbefvlgnng des rittmeisterlichen Leseverbvts, sein Flug in die große Politik und za, Bismarck! Sein Studium der Kanzlerlite- ratnr von Bnsches nnd Hesekiels Werken bis zu seinen Briefen; nnd nach dein Studium von Mars' Schrift „Sieg des Judentums" sein Ausruf: „Gott sei Dank, noch gibt es ein Germanentum, ein Deutsches Reich und deutsche Ideale!" Und suchte ihre Erfüllung und seine Vorbereitung zum „Menschen des Staates und Lebens" Michaelis 1883 in Deutschlands Kaiserstadt und Kultnrmetrvpvle Berlin. Der Sprung ans der Garnison wie aus der kleinen Welt in die große! Nach den UnterofsizierSfranen nnd Kame radenliebsten, mit denen er eben noch ans dem Unteroffi ziersball getanzt hat, der Eintritt des Junkers in die große Gesellschaft. Nach den öden Jnstruktivnsstunden jetzt das Lauschen vor den Füßen eines Trcitschke. Nach den: theo retischen Studium politischer Schriften jetzt ein Aufgehen in den Eindrücken von Volksversammlungen, Landtags und Reichötagssitzungen, wo er alle Größen von Stöcker bis- Bebel hört. Ja, sein Eintritt in den Verein Deutscher Stu denten, weil er hier wirkliches Ringen nm Bismarcks Idee vermutet und seine energische Beteiligung an den Stu dentenwahlen. Nach der Dresdner Lektüre von Wilden bruchs Dramen jetzt ein Besuch bei den: Meister selbst, und weiterhin ein Bekanntwerden mit allen möglichen hohen nnd höchsten Persönlichkeiten der Kunst und Politik des damaligen Deutschland, von Stöcker, Wagner bis znm Generalfeldmarschall von Moltke. Zugleich riugt Polenz, der das Dichte» nicht lassen kann, weiter um die Guust der Binse. Er hält zwei tief gründige Vorträge über Literatur im V. D.St. Ein Drama hat er sich in den Kopf gesetzt, das als Zeitdokument die sozialen Probleme schildern soll und übergibt es dem Deut schen Theater; und schreibt, als er es mit einer vernichten den Kritik von Augnst Förster zurück erhält, glaubensstark iu sei» Tagebuch: „Ilud ich bin doch ein Dichter!" — Und mar einer. Nicht als Dramatiker, aber als Jüngling mit einem Dichterherzen, das sich beim Bismarck-Kommers an: 27, Februar vor Berlins Studentenschaft offenbarte, als er nach den Festreden von Trcitschke, Wagner, Stöcker nnd von der Goltz die Damenrede halten sollte; nnd die Kyff- hänserzeitung vom 9. März 1885 berichtet darüber: „Den letzten der offiziellen Toaste brachte stuck, jur- von Polenz auf die Damen aus. Wohl war es kein leichtes Stück, uach so viel glänzenden patriotischen Reden den deutschen Frauen zu ihrem Rechte zu verhelfen. Aber der Redner, dessen edle, blühend kräftige Erscheinung gewiß manchen: in Erinnerung geblieben ist, entledigte sich seiner Aufgabe in anerkennenswerter Weise. „Unser Kanzler ist uns in allem ein Muster, so auch iu seinen: Verhältnis zu den drei vortrefflichen Frauen, mit denen er in: Leben vor allem in Berührung gekommen ist: feiner Mutter, seiner Schwester, seiner Gemahlin. Von ganz Europa läßt er sich nicht imponieren, und doch ist ein edles Weib seine Herrin! - So wollen auch wir sein: Tapfer im Kampf, rastlos in der Arbeit, aber weich, wenn wir leben!" (Wiederholt auS- brechende Heiterkeit und Beifall.)" Und doch wurde dieses Bekenutuis seiuer Dichterseele uvch übertroffen vvu seiuer BegeisterungSfühigkeit au Bis marcks Geburtstag, als er den Fackelzug der Studenten schaft anftthrte! und er hat dies, den Höhepunkt seines Ber liner Erlebens, in seinen: späteren Roman „Wurzellocker" festgehalten. Da lesen wir vorher: „Sehen wollte er ihn, dieses Phänomen, das wie ein weittragender alter Baum in der deutschen Erde stand, seinen Schatten werfend bis in das Leben und Denken eines Jeden. Und er sah ihn. Nachdem er manche liebe Stunde umsonst vor den: Reichs- kanzlcrpalais abgeschritten war, lief er eines Tages ans einsamer Promenade im Tiergarten dem Fürsten gerade in den Weg. Er erkannte ihn erst, als er ihm beinahe gegenüber stand. Ein fliegender Blick aus den großen, blitzenden, dunkelblauen Augen traf den jungen, verblüfft dreinschauenden Menschen. Ein belustigtes Zucke» um das grauitue Kinn, die schmalen, vieles verbergenden Lippen. Er erholte sich nur langsam vvu den: Erlebnis. Dann kehrte er nm, lies eiligst dem Fürsten nach. Er holte ihn ein nnd kam gerade zurecht, Bismarck ein paar Damen be grüßen zu sehen. Er schritt an der Gruppe vorbei und