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Iw« Gedenkfeiern ans dem Laltenberge Von Ni er ich, Neukirch In diesem Jahre, das so reich an Gedenkfeiern ist, be geht auch unser Battenberg, der mächtige Eckpfeiler am Eingangstore der Oberlausitz, zwei Jubelfeiern. Zwar kann er sich nicht mehr seiner Jugendzeit entsinnen, in der sein Gipfel höher als die gegenwärtigen 589 m emporragte, aber in seinem zerfurchten Antlitz lesen die Geologen so manch interessante Begebenheit. Verwundert blickt er oft aus seiner Nebelhaube herab in das Tal zu seinen Füßen. Wie ist es da doch anders geworden. Wo an sumpfigem Bache einst Hirsch und Bär zur Tränke gingen und der Eber sich in der Suhle wälzte, da krabbeln jetzt die win zigen Lebewesen, die sich Menschen nennen, und die durch Jahrhunderte hindurch die Landschaft verändert haben. Ihre, steinernen Häuser ziehen sich in langer Zeile an dem selben Bache hin, den sie aber gezwungen haben, ihnen bei der Arbeit wertvollen Dienst zu leisten. Nur nach Süden zu, da schweift sein Blick noch über weite Wälder bis zu den basaltenen Brüdern im Böhmerlande. Es gab eine Zett, und die ist nach dem Gedächtnis des alten Berges noch gar nicht so lange her, da wohnten die Menschen da unten noch in Häusern, die aus den Baum stämmen seines Waldes gefügt waren, selbst das Moos des Waldes war mit auf die Strohdächer übergesieöelt. Damals waren die Dörfer noch klein, die Äcker reichten noch nicht bis auf die Höhen hinauf und der Bauer hatte seine liebe Not, um das Wild von seinen Saaten fern zu halten. Den Berg aber, Ser wie ein Hüter des Tales die dunklen Ge witterwolken zerteilt und der selbst bet Hellem Sonnen glast sich mit den dunklen Wäldern fast drohend in den blauen Himmel reckt, den mied der Dörfler mit abergläu bischer Scheu, wußte doch so mancher in den langen Winter abenden der Spinnstuben gar merkwürdige Dinge zu be richten, die dieser oder jener erlebt haben sollte; vom Ritter Starschedel, der für Jagdfrevel den Tod im Tannenpfuhle fand, vom Buschmüller, der die Freikugel goß, vom ver sunkenen Schlosse, und man konnte sich davon überzeugen, daß noch Mauerreste auf dem Gipfel zu finden waren. Und es gehörte wohl in das Reich der Sage, oder wenig stens war es schon sehr lange her, daß einst fremde Män ner aus dem Süden gekommen waren und im Waldes dickicht nach Gold schürften. Nur das Hifthorn der Besitzer der Ritterhöfe erklang zur Herbstzeit im Bergwalde, und aus dem dunklen Hange stieg bisweilen der Rauch eines Kohlenmeilers auf. Jahre gingen dahin, oder waren es Jahrhunderte? Da verflieg sich manch einer hier hinauf in die tiefe Waldein samkeit; trieb ihn nur die Neugier, um zu ergründen, was von all den Sagen Wahrheit sei? War ihm das Leben im Dorfe zu laut geworden und wollte er seine müde Seele in der Bergwaldstille gesunden lassen? Die Scheu aber vor den Berggeistern war gebrochen, und manch einer kam immer wieder und fand immer neue Schönheiten, von denen ihm die alten Geschichten nichts berichteten. Zu diesen Be suchern gehörte auch um 1800 der Pfarrer Götzinger aus der alten Goldwäscherstadt Neustadt auf der anderen Seite des Berges. Dieser Mann war ein Freund der stillen Wäl der, der bemoosten Felstrümmer und der geheimnisvoll raunenden Quellen, und viele Anregungen hat er aus den Predigten, die ihm die Natur hielt, mit heim genommen und am Sonntag seinen Zuhörern in der Kirche übermit telt. Da man aber vom Berge aus nur hin und wieder durch die Lücke, die ein vom Sturme gefällter Baum ge rissen hatte, einen Blick in die Ferne erhaschen konnte, der das Herz aber bezauberte und den Wunsch der Menschen wieder rege werden ließ, dem Vogel es gleich zu tun und von steiler Höhe herabzublicken auf das Leben und Treiben da unten im Tale, so regte Götzinger 1804 den Bau eines Aussichtsgerüstes an. Dieser Anregung folgend, entwarf Freiherr von Huldenberg aus Neukirch, der Eigentümer des Grund und Bodens auf dem Gipfel, den Bau eines Turmes und ließ bereits den Platz abmessen. Sein früher Tod aber ließ das Bauprojekt wieder ruhen. 40 Jahre dauerte es, bis der Valtenberg neue Freunde in solcher Zahl gewonnen hatte, daß ein Ausschuß zusammentreten konnte, der diese Idee verwirklichte. Man muß unfern Vorfahren und den Neukirchern Begeisterung für diesen Plan und einen Weitblick nachsagen, daß sie nicht halbe Sache machten und ein hölzernes Aussichtsgerüst errichte ten, wie es auf vielen Bergen getan wurde, sondern die Erbauer waren sich schon vor 75 Jahren einig, daß der Berg als Wanderziel eine Zukunft hatte, wenn man auch noch nicht ahnte, daß die Besucherzahl aus viele Tausende jährlich anwachsen würde, kannte man das Wandern doch nur von den Handwerksburschen her, und die Touristik steckte noch in den zaghaftesten Anfängen. Daher ist die Großzügigkeit der Unternehmer umsomehr zu bewundern, beschloß man doch gleich den Bau eines steinernen Lugins land. Die Bausumme von 1775 Talern wurde durch An teilscheine von je einem Taler aufgebracht. Am 14. April 1856 erfolgte die Grundsteinlegung, am 17. September war der Turm vollendet und erhielt den Namen „König-Johann- Turm". Ein gußeisernes Medaillon zeigt das vergoldete Reliefbild des einstigen Königs. Zum Bau wurde das sagenhafte Gemäuer, wahrscheinlich ein vorgeschichtlicher Steinwall, mit verwendet und zerstört, so daß nichts mehr von diesen Überresten aus ältester Zeit zu erblicken ist, die aber Oeder auf seiner Karte von 1586 anführt. Am 1. Juli 1857 wurde dieses Bauwerk eingeweiht, so daß der Lugins land am 1. Juli 75 Jahre lang in Sturm und Wetter, in Sonnenschein und Rauhreif seine Zinnen über die höchsten Buchenwipfel erhebt. Der Schlußstein nennt dankbar die Mitglieder des Turmbauausschusses: Bauführer M. Bachmann, G. Wobst, G. Richter, L. Richter. Erbaut im Jahre 1856. Eingeweiht den 1. Juli 1857. Man siehts dem alten Gesellen aber auch an, daß die 75 Jahre nicht spurlos selbst am festesten Granit vorüber gehen; denn der Stein ist grau, braun, manchmal säst schwarz geworden, und mancher Blitzstrahl ist an ihm niedergefahren, ohne ihm Schaden zuzufügen. Als markan tester Punkt der Westlausitz wurde auf seinem Scheitel ein wichtiger Triangulierungspunkt der Landesvermessung fest gelegt. Daß sich die Bauunternehmer vor 75 Jahren nicht getäuscht hatten, als sie glaubten, durch den Bau dieser Warte ein neues schönes Wanderziel geschaffen zu haben, das Tausende anlockt, die ebenfalls von der Schönheit und Erhabenheit des Fernblickes stumm und sehnsuchtstrunken den Blick in die unendliche Weite schweifen lassen, das be weisen die unzähligen Namensinschriften, mit denen das Stiegenhaus von unten bis oben bedeckt ist, wenn sie auch nicht gerade ein Beweis für den Schönheitssinn der Be sucher sind. Zwar war es zu Anfang nur Sitte, bei schönem Wetter und im Sommer den Berg zu besteigen, doch all mählich stellten sich die echten Wanderer ein, die sich durch kein Wetter und durch keine Jahreszeit die frohe Wander laune nehmen lassen und auch die Schönheit der Natur er kennen und suchen gehen, wenn graue Nebelfetzen um den Gipfel jagen, wenn Turm und die alten Buchen im dia mantenen Nauhreifschmucke erstarren, ja selbst wenn in bleicher Mondnacht die Käutzchen in den alten Bäumen rufen. Das erste hölzerne Berggasthaus wurde am 19. April 1859 durch Brandstiftung eingeäschert und noch im selben Jahre durch einen steinernen Bau ersetzt, wie ihn der Wanderer heute noch trifft. Seit dieser Zeit ist der Ruf des Berges in alle Gaue Deutschlands gedrungen, und auf be quemen Wanderwegen oder auf steilem Bergpfad kommen die Besucher und finden am Fuße des Turmes einen schat tigen Platz, um bei kühlem Trünke neue Kräfte für die