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Äc. 7 Gberlausitzer Helmatzeitung sen, so kunnte ha vu dr Stroaße aus a Streichhölzel as Daach haln und de Bude ibern Kuppe wegbrenn. Glei hindern Fanstrn stoanös Gezehe. Und hinder dann Gezehe is menner Mutter an Juhre 66 a merkwird- ges Ding poassiert. Do zugn de Proißn ban Hoisl verbei no der Sitte zu. Meine Mutter woar dozumoal 18 Juhre. De Proißn woarn de Feinde. Aber oaguckn wullt se sich se doch. Zum verdern Fanstr raus gings ne, sunst hättn sich de Proißn no wunderwoas eigebildt. Nu do beegt se sich abu zum undern raus, um ihre Neuschier zu befriedgn. Uf emoal kimmt do su a Helm mit an Gesichte drunder im De Hausecke gesaust, und — schwoapp — do hoattse an Schmotz an Gesichte, dar ne vu Poappe woar. 's woar der irschte vu an Moannsen und no derzu vu an Proißn. Ja, de Proißn woarn besser oals ihr Ruf. Oals es an Dürfe hieß: de Proißn kumm und steckn oalle jungen Sachsen as bloe Nickl, do krigtn 's die mit der Angst zu tun. Hindern Gezehe afier, a de Bratlloitschn nei, a Gries as Bruthoisl, a Brut hindern Schiirzenloatz und surt gings an Hemdsarmln, mit blußgn Kuppe bis Rummerch oder goar bis Schielinde, wu endlch de Jberlädche wieder- koam und se sich ver sich falber schamtn, wie se su aus- reißn kunntn. Bei Nacht und Nabl koam se wieder heem, ausgelacht wurdn se o no. Mener Grußmutter ihr Bruder hoat sich aber lischt 'n Sunntgoazug oagezoin und sich vern Spiegel no 's Hoalstichl imgebundn, ehe ar obgerickt is. Mei Voater und meine Mutter hoau mir doas ganze Ding drzahlt, sie woarn ja mit drbei. Aber wie's abn su is,- wie woarsch 1914, oals se oalle uf de Guldautos lauertn. Meine Grußmutter durfte sich sech oa ni uf der Stroaße sahn lussn. Sie ftoammte nämlich aus 'n Prvißschn, aus an Dürfe hinder Gerltz. Bei uns hieß es, sie wäre aus 'n Niederlande. Doas woar dozumoal schun ane ärmliche Gegend. Do ruckte meine Grußmutter oals junges Maigl aus und fuhr efach mit ihrer Loadc mit'n Blechbauern as Aberland und foand oa glei an Dienst uf der „Riete- miehle". Sie is derno no wu andersch gewast, ich gleebe, es woar uff'n „Ruin Gutte". Durt hoat se derno ihren Goaberel kenn gelarnt. Dann gefiel doas schles'sche Maigl und hoats geheiroat. Sie senn o ganz gutt mitnander ausgekumm, aber wie gesoit, 66 durfte se sich an Dürfe ne sahn lussn, do hoatn oalle an fürchterliche Wut uf se. Zu dar Zeit, doaß ich mich uf meine Grußeldern be sinn koann, do woar mei Grußvoater schun bale blind. Seine Brille hoatte ganz stoarke Gläser. Aber immer noch fuhr a mit sen Zweeradrg an Herrnhut und hulte Herrn- hitsche Woare. Die woar weit und breet bekannt, und meine Grußmutter ging derno mit dann Kuchn, Brutln und Brazln hausiern. Fer uns Kinder woarn de Mohn- brutl, ces kustete 6 Pf., doas oallervurnahmste, und wir frätn uns schune, wenn mer unsere Grußmutter mit'n Troikurbe kumm soagn. Die Mohnbrutl oder Pfannkuch- brazln oder goar a Stickl Quoarkkuchn schmacktn doch goar zu gutt. Aber goar moanchmoal poassieirtel es, doaß de Grußmutter bei uns nischt lus wurd und wir ock de Fin ger leckn mußtn, weil de Mutter soite: „Nee, hoite brauch« mer nischt." Do toats uns derno im de Grußmutter bale mihr leed oas im uns falber. Na irgend su a Ring! oder Platzl blieb doch no hängn, wenn se su sahg, wie uns der Speeche! an Maule zusoammlief. Aber dar ganze Handel woar doch ock a Pfengkroam, und do mußte abn jeder zu- soammgehaln wardn, 's woar ne su wie hoite. Der Grußvoater wurkte derheeme. Aber wie's derno mit sen Ogn immer schlaichter wurd, do kunnte ar ock no treibn, und wir mußtn ihm moanchmoal 'n Foaden suchn. A wurd zuletzt ganz blind, und wenn a amoal zu uns as Äberdurf kumm oder a de Kirche gihn wullde, do mußte ar sich ftehrn loassn. Derheeme kimmerte a sich alleene, do machte ar sugoar Foier und o su moanchn andern Hand grief, wenn de Grußmntter underwaigs woar. Aber ich hoa vu ihm nie ane Kloage gehurt iber sei Leidn, ar hoats rä geduldg getroin 30 Juhre lang, und's woar wirklich ne lachte. Bei men Grußeldern wohnte o meine Tante mit ihrer Fomilje. Sie hoatte an Pustboten geheiroat, und sie hoattn sechs Kinder, drei Jungn und drei Maigl. Ich weeß wirklich ne genau, ob se oalle a dr Eibe geburn sen, ich gleebe ni, aber es langte v su schun zu, wenn mer amoal oalle beisoamm woarn und im de Wand rimtobtn. Ganz und goar hoatts uns de Hoalle oagetoan. durt kunntch ees su schiene versteckn. Do stoand noa su ane ale Mandel, der ganze Koasten loag vul Stcene, sie wurd no mitn Oarmn hie und har geschubn, und mir üurstn uns ufn Koastn setzn. Vu dar Hoalle üerzahlte schun immer unsre Mutter, durt hoat se sich nämlich mit ihrer Schwaster 's Tanzen gelarnt. Voater und Mutter durftn's ni wissn, die woarn ni derfier. Do mußtn sich abn de Maigl de Loatschn ausziehn und an Strimpn probiern. Aber ich gleebe, die hoan dodroa mihr Spoaß gehoat oals de Maigl hoite a dar kustspielgen Tanzstunde. Doch doas su nabenbei. Beim Grußvoater goabs no woas ganz besundersch Oaziehndes, doas woarn der Grischel- und Pflaumbaum. De Grischelbeeme sen hoite ganz verschwundn. Die rundn blon Kugeln, die se trugn, woarn o reichlich sauer. Ich gleebe, destrwaign durftn m'r vu dann Beem'n noaschn, aber wenn mer amoal a de Pflaum giehn wulltn, do dunnerte de Tante glei as Fanstr und joite uns heem. Doas hoaich ihr eegntlich nie su raicht vergass« kinn. Ihr Moan woar, wie gesoit, Pustbote, hoite heeßts „Brieftraiger", ob doas nu schinner klingt, ich weeß ne, 's kimmt ja schließlich o ne druf oa. A senner freien Zeit baute ar Windestöcke, doaß woar ane Stange, die a an Fuß eigezopft woar und zwee Rulln trug, die zu verstelln ging«. Iber die Rulln wurde die Goarnstrahne gelät, die derno oabgespult wurdn. Mei Unkl woar nämlich gelarnter Zimmermoan. Mich intressterte die Bauerei immer ganz besundersch, und ich hoa ihm moanchn Handgrief derbei oabgeguckt. Mei Gruhvoatr woar v a grußer Vogelfrend. Immer hoatte a a Rutkatl oder an Zeisg an Bauer, und wenn a mit uns an Sunntge Vornmittg as Feld ging, do machte a uns uf die verschieünen Vugelstimm ufmerksoam. A kunnte ja de Vogl falber nimmie sahn, aber a hoatte se oalle an Geöaichtnisse. Do hoa ich denn schunn oals Junge gewußt, wie der Golhoammer, der Finke, de Lärche, wie s Rutkatl singt. Ich hoa mer derbei o ihr Aussahn gemerkt. Bet men eegnen Kindern hoa ich do dermit ni vill Glick gehoat, mei Studente weeß heute no ne, wie ane Oamsel und wie ane Druffel singt. Miehe genug hoach mer ge- gan, aber sie hoattn abn keene Lust derzu. Na amende kimmt se no. Wenn o mei Grußvoater blind woar, interessiert hoat ar sich fer oalles. Jedn Sunntg ließ a sich a de Kirche fiern. 's Gesangbichl brauchte a ne, ar kunnte de Lieder ja oalle auswendg. Aus Gutts Wurte hulte a sich Trust, a hoat nie gekloit, und doas will doch vill Heeßen bet su an Leid«. Vu sen Schwiegersuhne ließ a sich die Zeitung vierlasn und dischkerierte derno mit wie a Junger. Woas hoat ar o oalles derlabt: 48, 64, 66, 70/71. Waign sen Ogn is a ja nie Suldvate gewast, aber innerlich hoat a oals miterlabt. Sugoar 'n Waltkrieg mußte a o no durchmachn. Und aus- gerechnt a dr Sitte, wu ar non Tube unsrer Grußmutter, die mit 84 Juhren no langn Leidn heemging, bei sener Tochter labte, do hoatte ar ane ale Russin zur Freindin, die a ufte ganz alleene trutz sener Blindheet besuchn ging. 1920, a sen 96. Labensjuhre is a ohne Kranknloagr, geistg bis zuletzt uf dr Hihe, gesturbn. Meine Kinder hoattn an Urgrußvoatr, ich hoatte ja o en gehoat. Ich koann mich no ganz gutt ufn besinn. Ihm schittelte es immer 'n Kupp su hie und har. Und wennch su bedenke, doaß meine eegne Mutter, oals se mit 83 Juhrn de Ogn zumachte, no ane labendge Tante hoatte.