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Der Name „Nonnenklunzen" scheint damals schon all gemein gebräuchlich gewesen zu sein. Das läßt auch die Deutung vermuten, die jene jugendlichen Wanderer von 1812 mit ihrer lebhaften Phantasie den wunderlichen For men der vor ihnen aufragenden, vielfach zerklüfteten Fels wand verliehen: „Schaut ihr das Paar dort jso rief Minonaj, das traulich verhüllte, Wie mit der Norm' ein Mönch, vielleicht dem Kloster ent flohen, Und versteinert, wie einst Vater Wieland gesungen?" — jA. a. O.) Den Anlaß zu diesem Flurnamen gab also zu nächst jener aufrechtstehende, in der Mitte längsgespaltene Felskegel auf der vorderen Hälfte der Felswand, in dem man unschwer zwei Menschengestalten in Nonnentracht er kennt. Mit Klunzen!, Klunsen oder Klünsen, Klinsen oder Klinschen bezeichnet man in verschiedenen Gegenden unseres Vaterlandes Ritzen oder Spalten in den Dielen, hohle Stellen im Strohdach, aber auch Spalten im Gestein (Grimm-Adelung). War für diese steile Felswand mit ihrem charakteristischen „Nonnenpaar" und ihren zahlreichen Ritzen, Spalten, Klüften wohl auch noch ein trefflicherer Name zu finden als „Nonnenklunzen"? Wohl zeigt sie dem Wanderer im Tal noch eine ganze Reihe seine Phantasie anregende Felsformen: unmittelbar neben den „Nonnen" einen auf hohen Fels sich niederlassenden Vogel — ur sprünglich „Hutstein", auch „Dreiecker" geheißen (Mora weck, Führer in die Nonnenklunzenfelsen und ihre Um gebung in Neujonsdorf bei Zittau) —, auf dem südwest lichen Teile einen „Clown", daneben unsere „Barbarine", von der Pescheck in der oben angeführten „Felsenreise" , seinen Bruder sagen läßt: „Kennt ihr dort an dem Hut, von Felsenzacken gebildet, Nicht des Königs Bild, des wohlbekannten, ein Denkmal, Das die Natur hier selbst gesetzt und frei von Zerstörung?" (A. a. O.) Gemeint ist Friedrich der Große. — Endlich eine liegende Frauengestalt, die „allererste" Sommerfrischlerin in Jonsdorf, mit ihrem etwas tiefer unter ihr auf einer Matte spielenden „Bubi". Aber keins dieser Felsbilder ist so scharf herausgearbeitet wie die „zwei Nonnen". — Lei der hat Wan den alten charakteristischen Namen „Nonnen- klunzcn." in die Rumpelkammer sprachlicher Altertümer geworfen, ein Schicksal, ähnlich dem der „Orgelpfeifen steine". Heutigentags ist nur noch der ganz allgemeine „Nonnen f e l s e n" gebräuchlich. Vielleicht besinnt man sich in der Zeit der „neuen Sachlichkeit" wieder einmal auf den alten. Die „Nonnenfelsen" sind jetzt ein gern aufgesuchter Aüssichts- und Ruhepunkt im Zittauer Gebirge, unmittel bar an der Haupttouristenstraße — dem bekannten Kamm weg — etwa in der Mitte zwischen Lausche und Hochwald gelegen. Die kleine freundliche Bergwirtschaft Wit Gesell schaftsplatz, von dicht belaubten Kastanienbäumen beschattet, ist rings von steilragenöen Felsen umgeben. Vis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts glichen sie jedoch mehr einem „verwunschenen Zauberschloß", das die wenigen Wanderer jener Zeit meist umgingen, dessen kühne Zacken und Zinnen sie aber von unten destomehr bewunderten. Nur die Verwegensten unter ihnen wagten es, auf schma lem, durch Spalten und Ritze an tiefen Schluchten sich hin aufwindendem Gebirgspfad zwischen Gestrüpp und Ge sträuch hindurch, die fast senkrecht abfallende Felswand zu erklimmen, um von da einen überraschenden Rundblick über die ganze Jonsdorfer Felsenstadt zu gewinnen. Auch die beiden Brüder Pescheck wollen ihren jugendlichen Be gleiterinnen, „den zarten Mägdlein", den beschwerlichen und nicht ungefährlichen Aufstieg „nicht zumntcn", obwohl „die Wand vieles birgt und wunderherrliche Felsen da oben zu schauen" sind. (Siehe oben Zittauer Geschichtsblät ter.) — Da unternehmen es im Jahre 1846 zwei begeisterte Jonsdorfer Naturfreunde, der Kammstrtcker Johann Fried rich Seidel in Neujonsdorf (jetzt Emil Wehle Nr. 28) und der Mühlenbesitzer Meister Karl August Sußig in Altjonsdorf (Rengermühle), die Nonnenklunzen zugänglich zu machen. Die hier oben an manchem schönen Frtthlings- und Sommersonntagsmorgen im Anblick der „erhebenden Natur" in heiliger Andacht verlebten Stunden mögen diese beiden bewogen haben, die Ersteigung dieser unersteigbar scheinenden Steilwand inmitten einer jener Zeit immer hin imposant erscheinenden Felsen- und Bergwelt zu er möglichen und damit dies herrliche Stückchen Heimaterde auch anderen Naturfreunden zu erschließen. „Bei weitem das Meiste that der Erstere, welchen man gleichsam als den Begründer jener anmutigen Gänge betrachten kann, er scheute keine Mühe, wo es noth that, selbst Hand ans Werk zu legen." (Morawek, A. a. O.) Meister Snßigs Verdienst um das Werk bestand darin, daß er die Hälfte der Kosten für Steinbrecherarbeit, Anlegen von Treppen und Ruhebänken deckte. — Seidel wählte für seinen Zweck den von seinem Hause aus nächsten Weg durch die Zigeu nerstuben, „große Thälle", über den „Ruh st ein" (Steinbank über den Vogelherdsteinen mit herrlichem Aus blick) und durch die Schlucht zwischen Nonnenklunzen und „K a tz en st e in en" hinauf, also den vom Zittauer Verein „Globus" wieder hergestellten Weg mit der Markierung „durch die Zigeunerstuben". Morawek widerrät noch 1883 in seinem „Führer" (s. oben) jedem Besucher, die Nonnen- klunzen auf einem andern Wege als dem soeben beschrie benen zu besteigen, „weil es erstlich weit beschwerter, und zweitens ohne Naturgenuß für ihn sein würde". (Mora wek, A. a. O. — 2. Fußnote.) Die bei dieser Weganlage zu überwindenden Schwierigkeiten bestanden darin, die seit Jahrtausenden von den Felsen heruntergeschwemmten Sand- und Geröllmassen, sowie die fast undurchdringlichen „Dornensträucher" aus dem Wege zu räumen und „gefähr liche Stellen auszufüllen". Oben wurde dort, wo die erste große Lücke zwischen den Felsen klafft, ein kleiner Platz freigelegt und eingeebnet. Von diesem hieb man eine 17 Stufen lange Treppe in das Gestein hinauf zu einem reichlich 3 in hohen Felskegel, der Pyramide. An ihrem Fuße wurde ebenfalls ein kleiner freier Platz an gelegt und an den gegenüberliegenden Quader weitere fünf Stufen hinauf eine Felsenbank cingehauen. Eine In schrift im Fels nennt Ort, Jahr und Gründer: „Der Pyramidenplatz 1846 I. Fr. S." Diese Anlage ist bis jetzt erhalten geblieben. — Noch in demselben Jahre wurde der höchste Punkt, die Nonnenhöhe, einige Schritte westlich von der eben beschriebenen Anlage, mit 34, eben falls in die Steine gehauenen Stufen den Besuchern zu gänglich gemacht. Oben luden auf zwei Seiten Felsensitze die müden Wanderer zum Ruhen und ungestörten Ge nießen der herrlichen Aussicht ein, während ihnen ein auf der Platte des Felsens angebrachter Gegendzeiger (Kom paß) Klarheit über die Lage der Orte und Berge in der zu Füßen ausgebreiteten heimatlichen Landschaft ver schaffte. Auch an diesem Felsen zeigen zwei Tafeln die Namen der Anlage und ihrer Meister und die Jahrzahl ihrer Entstehung: links I. F. S., darunter C. A. S. 1846; rechts „N o n n e n - H ö h e". Von beiden ist nur noch die erstere vorhanden, während die zweite und die Treppe der späteren Buttigschen Neuanlage Haven weichen müssen. Begeistert schreibt Morawek, A. a. O., von der Nonnen höhe: „Eine schöne weite Aussicht von der Brüdergemeinde Herrnhut an östlich herum bis in die Friedländische Gegend> wo dann der Jonsberg die weitere Aussicht ver hindert, fesselt hier unser Auge. — Die schöne Beleuch tung der uns umgebenden Gebirge, die mit purpurnem Morgenrots) bekränzten Waldsänme, das Chor der munte ren Waldvögel, dieses alles versetzt uns in eine Stimmung, die sich nur fühlen, aber nicht beschreiben läßt. Ja, die be geisternde und erhebenste Rede eines Menschen, sie muß