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weiße Gardinen zieren, sind Blumen- und Gemüsegärten angelegt worden. Die mächtigen Betonblöcke der Beobach tungsunterstände für die Artillerie liegen zerbrochen dar nieder, große Strecken des Übungsplatzes hat der Land mann urbar gemacht. In kirchlicher Beziehung ist die Kolo nie eine Filialkirchgemeinde des Kirchspiels Zeithain, die ihren eigenen Geistlichen hat. Eine geräumige Offiziers baracke wurde zum Beetsaal ausgebaut. Mitten im herr lichen Kieferwalde befinden sich ein alter und ein neuer Heldenfriedhof mit mächtigen Steinkreuzen, am Rande des Lagers aber stehen noch zwei hohe, altersgraue Sandstein pyramiden, die an die Zeit Kurfürst August des Starken erinnern, der vor 200 Jahren das berühmte Lustlager von Zeithain abhielt. Wer das Lager jetzt besucht, hat den Eindruck, als ob er in einem Kurorte sei, denn alles mutet so freundlich an. So ist aus jener historischen Stätte, die einst nur vom militärischen Geiste beseelt war, eine kleine Stadt 'm Walde geworden, die als ein rechtes Vorbild deutschen Schaffens und deutschen Strebens gelten kann. Wissen und Bildung. „Das Wissen macht keinen Menschen bes ser und glücklicher". Wirklich nicht? Macht Nicht wissen vielleicht besser oder glücklicher? Welche unendliche Bereicherung unseres geistigen Lebens wird uns erst durch Wissen ermöglicht! Ein gewaltiges Gebiet unserer Dich tung ist den Unwissenden unzugänglich. Bei der bildenden Kunst ist es das Gleiche. Die Natur und ihre Anwendung auf das menschliche Leben liegen nur den Wissenden offen. Die vernünftige Lebensweise erfordert Kenntnis des menschlichen Körpers und seiner Lebensbedingungen. Um im täglichen Leben zurecht zu kommen, ist Kenntnis der Gesetze notwendig. Von einer geistig belebten Gesellschaft ist der Unwissende ausgeschlossen. Und welche unendlichen Welten werden uns durch Wissen von dem Leben der Na tur erschlossen. Die Entlaubung der Bäume, die Rück wanderung der Nährstoffe aus den Blättern in die Äste, die Ablagerung dieser Stoffe und ihre Verwendung, die ähnlichen Vorgänge im Tierleben, die Ernährung, die Blüte, die Fruchtbildung der Pflanzen. Wer von alledem nichts weiß, ist für den die Natur dasselbe wie für den Wissenden? Alles geringschätzige Urteilen über das Wissen ist tö richtes Geschwätz und Schlimmeres als das. Mephistopheles hat recht: „Verachte nur Vernunft und Wissenschaft, Des Menschen allerhöchste Kraft, So hab ich dich schon unbedingt." Sorgsame Pflege des Wissens als Grundlage und Be standteil der Bildung wird darum immer eine der hervor ragendsten Aufgaben aller und jeder Bildungsarbeit sein, in der Schule bei der Jugend und in der freien Bolksbil- dungsarbeit bei den Erwachsenen. Aber gerade als Bestandteil der Volksbildungsarbeit wird das Wissen immer wieder abgelehnt, am öftesten mit dem Hinweis auf die dadurch erzeugte Halbbildung. Das Schlagwort Halbbildung will gewiß nicht wörtlich genommen werden, auch von denen nicht, die es auf volkstümliche Wissenspflege anwenden,' denn niemand vermag sich heute die Hälfte aller Bildungsgüter anzu eignen. Und auch in der Ausbildung seiner geistigen Kräfte kann niemand bis zu der Hälfte der möglichen Vollendung aussteigen. „Unser Wissen ist Stückwerk", heute mehr als je. Wir müssen uns mit der Aneignung und geistigen Be herrschung sehr bescheidener Teile unseres Bildungsgutes begnügen. Viel weniger als „halb gebildet" ist heute auch der größte Gelehrte und der größte Künstler und jeder vielseitig Gebildete, der sich mit Sicherheit im öffentlichen Leben bewegt. Man versucht unter Halbbildung ja auch tatsächlich etwas anderes, nämlich eine unzureichende, min derwertige Bildung, die nicht Klarheit, sondern Unklar heit, Verworrenheit erzeugt, nicht einen sicheren Blick in das Vorhandene eröffnet und nicht Gemütsruhe, sondern mit unreifen Gedanken wirre und nicht zu verwirklichende Wünsche hervorruft. Das gibt es aber leider in allen Ge- sellschafts- und Bildungsschichten und in allen Berufen. Auf jeder Bildungsstufe, in allen Berufen und in allen Gesellschaftsschichten gibt es Halbgebildete dieser Art. Ans keiner Werkstatt gehen nur tadellose Erzeugnisse hervor. Neben aller Vollkommenheit und Ganzheit gibt es immer auch der Unvollkommenheiten sehr viele. Oft ist unzurei chende Begabung und unzureichender Fleiß die Ursache, daß das Ziel nicht erreicht werden kann. Ziele, Arbeits kraft und Arbeitswille müssen sich entsprechen, wenn „ganze" Bildung erreicht werden soll. Aber frommt dem Menschen das Licht des Wissens und Denkens? Richard Dehmel sagt: „Könnte ich zauberhaft mit Blicken Licht in jede Seele schicken, Klarheit mücht ich keiner geben, Nur Verklärung braucht das Leben". Ähnliche Stimmen haben sich immer hören lassen. Aber heute klingt dasselbe Lied viel bestimmter, lauter, von viel mehr Lippen als ehedem. Es geht eine Welle nicht nur des Zweifels, sondern der völligen Ablehnung des Wissens als Volksbildungsmittel durch weite Kreise unse rer Gebildeten. Inwieweit darin der Wechsel in den start- lichen und gesellschaftlichen Auffassungen zum Ausdruck kommt, kann außer Betracht bleiben, weil diese Wissens müdigkeit und Wissensverachtung noch viel weiter greift und das Wissen in der menschlichen Bildung und Gesittung überhaupt als minderwertig ansieht. Unsere Bolksbildungsarbeit hat sich nie mit der Übermittlung von Wissen begnügt. Sie hat seit lange der Wissenschaft die Kunst an die Seite gestellt, hat der Belehrung die Erhebung gesellt, will bas Denken pflegen, aber auch die Freude an allem, was schön ist. Sie erschöpft sich nicht in der Pflege des Erkenntnis mäßigen, sondern führt den Menschen auch zu dem, was sein Gefühl und seinen Willen aufs tiefste ergreift. Nicht die Wissenschaft, nicht die Kunst, nicht das Ver senken in die Rätsel vom Ewigen und Unendlichen für sich allein ist unsere Aufgabe. „Macht die Köpfe hell und die Herzen warm" — so stand seit langem an unseren Weg weisern, und wir haben auch heute keinen Anlaß, diesm Wahl- und Leitspruch zu ändern. vttten n>tr »n, 3us«?nviir>l> von 3 -Adressen «nter »er »ornnSkovnng vauernvrn «eznsr« vrrfnnv« rnerven «nnn Vrovennnnnrrn verfenvet Ser Verlas der sverlausitzer Hesinatzeiitung