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führungen die geschichtlichen Vorgänge, auf denen das neue Bertramsche Werk aufgebaut ist: die Angriffe der Hussiten auf die Stadt Reichenbach, die sich zwischen dem Weihnachtstag 1430 und dem 10. Januar 1431 abspielten und bei denen der vollständige Untergang der Bürgerschaft nur durch ihren Hartnäckigen Widerstand hinter der festen Mauer des Friedhofs abgewendet werden konnte. Nachdem das Vorspiel zu Lortzings „Waffenschmied" in bemerkenswert guter Wiedergabe verklungen war, und Fräulein Merb ach den inhaltreichen dichterischen Vor spruch eines ungenannten Verfassers zu Gehör gebracht hatte, begann das Spiel. Das neue Werk zeigt alle Vor züge des Verfassers im günstigsten Lichte. Die Handlung ist geschickt und spannend aufgebaut,' die dichterische Sprache ist rhythmisch gebundene Edclprosa, etwa im Sinne von Goethes „Egmont". Die Darstellung wurde von Mitglie dern der Vereinigung bestritten und wies zum Teil recht reife, im übrigen durchaus anerkennenswerte Einzellei stungen auf: der Gesamteindruck war tief und nachhaltig. Auch die szenische Aufmachung entsprach allen berechtigten Anforderungen. Der Beifall wuchs von Akt zu Akt und gipfelte in herzlichem Hervorruf des Dichters Fritz Bert ram, dem als sichtbares Zeichen der allseitigen Anerken nung ein Lorbeerkranz und ein schönes Blumenangebinde überreicht wurde. Von der Bühne herab dankte Herr Rabe allen Mitwirkenden und sprach der Vorsitzende der Bereinigung. Schriftsteller Otto Schöne, das zusammen fassende Schlußwort. Das Werk, das einen neuen vollen Erfolg Fritz Bert- rams bedeutet, soll am 1. Februar au gleicher Stelle erst malig wiederholt werden. Außerdem sind einige Schüler aufführungen in Aussicht genommen. Hoffentlich würdigt die Lausitzer Bevölkerung die Gelegenheit durch recht zahl reichen Besuch! Bruno Reichard. Ser letzteWendenkönig nnd dietzeil.Zvßna Einem wendischen Bootsmann nacherzählt von Fred Müller „Sehen Sie dort diesen Hügel bei dem Dorfe Werben? Es ist die geheiligte Zoßna! Heute noch! Und wie unsere katholischen Stammesbrüder jenseits der schwarzweißen Grenzpfähle ihren heili^-n Czorneboh sowohl wie den Vieleboh in althergebrachter Weise verehren, so neigen wir protestantischen Wenden unser Haupt in Ehrfurcht vor der geheiligten Zoßna, an deren Fuße der letzte König drD wendischen Volkes begraben liegt." Und in gleichmäßigen Nnderschlägen gleitet das Boot auf dem fast spiegelglatten Hauptarm der Spree dahin, während der kleine Wende weiter erzählt: „Gero, der kühne Markgraf der Ostmark und beson dere Freund des deutschen Königs Heinrich I., führte einen erbitterten Kampf gegen unsere Vorfahren. Jedes Mittel, das Wendenvolk zu vernichten, erschien ihm recht. So verfiel er auch eines Tages auf die seltsame Idee, die Großen und Edelleute unseres Volkes zu einem Gastmahl zu laden, um mit ihnen ein Schutz- und Trutzbündnis ab zuschließen. Die Streitaxt sollte für immer begraben und das Bündnis in Geros Zwingburg auf dem Gehrener Berge besonders gefeiert werden. Nichts Böses ahnend, strömten die wendischen Großen gen Gehren, wohl ver sehen mit ausreichenden Vollmachten des alten Wenden- k-mias. Gero empfing seine Feinde mit besonderer Freund lichkeit. Aus seinem sonst so grimmigen Bärbeißergesicht unter dem Federbuschhut erstrahlte Milde und Güte. Die auserlesensten Weine der Meißner Berge wurden auf getragen und sehr bald befand sich die Festgesellschaft in gehobenster Stimmung. Die Wände der Zwingburg Hallten wider vom Gesang unserer Ahnen. Aber draußen auf den dunklen Gängen und Treppen lauerte mittlerweile der Tod. Geros Kriegsknechte zogen aus den Burgverlietzen herauf und fuhren prüfend über die blanken Klingen. Wie auf ein geheimes Zeichen drangen sie plötzlich von allen Seiten in den Saal. Unsere Ahnen, schnell ernüchtert, flehten die Götter an. Allein: Es war zu spät! Geros Henker verrichteten ganze Arbeit und während Haupt für Haupt zu Boden rollte, lehnte Gero kaltlächelnd am Fen ster und schaute mit verschränkten Armen dem grauen vollen Werke zu. Der Wind blies durch den Saal und die Kerzen auf der Festtafel züngelten, geradeso, als verkün deten sie göttliche Rache. Derweilen zog der Mond herauf und sandte seine silbernen Strahlen auf die am Boden in ihrem Blute liegenden enthaupteten wendischen Edelleute. Der alte Wendenkönig war in höchstem Maße bestürzt, als er die schreckliche Kunde vernahm. Sein eigener Sohn befand sich unter den meuchlings Hingemordeten. Trauer und Schmerz um des geliebten Sohnes willen warfen ihn aufs Krankenlager. Er fühlte, daß er nun ebenfalls bald sterben würde. „Ich bin der Letzte," sagte er stöhnend zu seinem Weibe. „Wer wird nun nach mir das wendische Volk schützen vor frevelhaften Überfällen der Fremden? Ich bin tiefbctrübt, daß wir unseren einzigen Sohn dem blutdürstigen Gero opfern mußten. Ich fürchte, Gero wird erneut ins Land kommen und unser Wendenvolk wird dahinsinken wie die Blumen im Spätherbst. O, wären wir doch nie in dieses Land des Grauens gekommen!" Leise trat die Königin an das Lager und fuhr dem Kranken mild über das schneeweiße Haar. „Zürne nicht. Liebster! Du weißt, wie ich mit dir leide. Seit uns die Fremden umlauern wie die Wölfe die Schafherde, haben wir Unglück im Land. Unsere Götter wollen scheinbar nichts mehr von uns wissen. Wie der Wächter auf dem Hügel berichtet, hats ihm die heilige Zoßna selbst ver kündet und hernach laut ins Land hineingerufen." Der König richtete sich auf. Seine Stirn zog grimmige Falten. „Frau! Versündige dich nicht wider die Götter!" sagte er vorwurfsvoll. „Unsere Götter sind lieb und gut, nur die Menschen sind schlechter wie je zuvor. Aber ich kann dennoch nicht sterben, bevor ich nicht weiß, daß das Wendenvolk einen neuen König hat." Die Königin überlegte. Einen neuen König! Alle Edlen des Landes sind dahingemordet! „Höre meinen Rat!" sagt sie endlich. „Hinter dem Dorfe Werben, dicht bei Gora, liegt unser Wachtort Strie- sow. In diesem Wachtort lebt ein Fischcrsmann mit zwei hübschen gesunden Knäblein. Laß dir durch deine Pachulken einen der Knaben bringen. Dieser mag unser rechtmäßiger Sohn sein, der später dein Erbe antreten kann." Der König zauderte, ehe er einwilligte. Schwer at mend ließ er sich in die dicken Kissen zurückfallen. Am anderen Tage, bevor die Sonne zur Rüste ging, fuhren zwei königliche Pachulken die Spree aufwärts. Die letzten Sonnenstrahlen spielten mit den Zinnen der könig lichen Burg auf dem Burger Schloßberg. Tiefer Frieden lag auf den Eichen und Erlen am Ufer der Spree, auf Fließen und Tümpeln, Wiesen und Weiden. Das Vieh war noch auf der Weide und fraß noch begierig von dem saf tigen Grün. Als die beiden Knechte vor dem Hause des Fischers anlangten, gewahrten sic die beiden Knäblein spielend vor der Haustür. Drinnen stand die schwerhörige Großmutter am Herd und richtete die Abendsuppe. Ohne Zaudern er griffen die beiden Knechte einen der Knaben und steckten ihn in einen Sack, in dem er wie ein aufs Trockene ge worfener Fisch zappelte. Aber ehe die beiden königlichen Räuber ihren im Schilf versteckten Kahn erreichten, war die Freveltat schon entdeckt worden. Auf das Geschrei des zweiten Knaben waren alle im Dorfe befindlichen Nach barn herbeigeeilt. Sie bemühten sich eifrig, den Räubern