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Nr. 2 Oberlausitzer Helmatzeitung 21 seiner Gläubiger hingegeben. Trotz seines unsteten Lebens muß er mit seiner Zittauer Heimat unö seinen Angehö rigen in Verbindung geblieben sein. So nahm er einen jungen Verwandten, einen Orgelbauer, zu sich unö ging bei ihm förmlich in die Lehre, in der Folgezeit hatte er sogar einen Bruder bei sich. Seine Haupterwerbsqnelle waren damals Wunder kuren, deren nicht ausbleibende Mißerfolge ihn freilich öfters zu einem Aufenthaltswechsel nötigten. Als ihn einst Diebe um seine letzte Habe gebracht hatten, reiste er auf gut Glück ins sächsische Erzgebirge. In Annaberg führte ihn der Zufall um das Jahr 1712 an das Krankenbett einer Jungfer Schumann, der ihr Vater, der Bürger meister und Arzt lStadtphysikusj zugleich war, nicht helfen konnte. Unserin Betzler gelang seine Wunderkur, das Mädchen wurde gesund und reichte seinem Retter, den es lieb gewonnen hatte, die Hand zum Ehebunde. Nun hatte er Frau und Geld, er machte seine Ma schine fertig und stellte sie zu Gera 1712 erstmalig öffent lich aus. Weder mit dieser noch einer größeren, die er daraufhin baute, fand er die erhoffte Anerkennung. Er zerschlug daher kurzerhand sein Werk und baute in Merse burg ein neues, das gegen 6 Ellen im Durchmesser maß. Diesem erteilte eine herzogliche, sicher nicht sachverständige Kommission im Oktober 1715 ein günstiges Zeugnis. Da gegen sprach der kurfürstliche Modellmeister Andreas Gärtner, der, gleichfalls ein Lausitzer, aus dem Dorfe Qua- titz bei Bautzen stammte, und als der bedeutendste Mecha niker jener Zeit galt, die ganz richtige Vermutung aus, daß die Maschine irgendeinen geheimen Antrieb habe. Sein Erbauer ließ sie nun für Geld sehen und auch der Merse burger Rat suchte durch Auferlegung einer Steuer Ge? winn daraus zu ziehen. Das nahm ihm Beßler allerdings sehr übel, und er drohte, sein Kunstwerk zu vernichten. Vorher hatte er aber noch einen „Gründlichen Bericht usiv." verfaßt und in Buchform drucken lassen. Vielleicht hat diese Schrift dazu beigetragen, daß unserm Beßler — Orffyrs 1716 plötzlich- ein Glücksstern aufging, indem er von dem Landgrafen Karl von Hessen, einem Freunde der einschlägigen Wissenschaften, an seinen Hof berufen wurde und die Erlaubnis erhielt, seine Wundermaschine in dem Schlosse Weißenstein aufstellen zu dürfen. Dort und in Karlshafen, wohin er 1724 übersie delte, lebte er jahrelang in bedeutend besseren Verhält nissen als früher, obwohl Sorgen, Gefahren und Unruhe ihn nie ganz verließen. Zu der Aufstellung in Weißen stein benötigte er über ein Jahr. Darauf veröffentlichte er wieder eine Schrift unter einem sehr langatmigen Titel, in dem es heißt, daß sein Werk sich in einem verschlossenen und bewachten Zimmer vorzüglich bewährt habe. Schon 1719 erschien eine neue Veröffentlichung unter der Bezeichnung „Triumphans Perpetuum mobile". Man hatte in Wirklichkeit in ihm ein Ding vor sich, daß sich drehte, ohne daß jemand merkte, wo und wie das ge schah. Damit war jedoch noch nichts gewonnen, bevor man nicht wußte, auf welchen Kräften und Gesetzen diese Be wegung beruhte. Allen näheren Besichtigungen und An wendungsversuchen seiner Maschine wußte Beßler geschickt auszuweichen. Als er erklärte, sein Gangwerk sei noch zu klein, schenkte ihm der Landgraf Haus und Hof in Karls- Hafen, um ihm die Erbauung einer größeren Maschine zu ermöglichen. Nachdem unser Schlauberger seine vorherige zerschlagen hatte, dachte er nicht daran, sofort wieder eine neue zu bauen, sondern warf sich zunächst wieder auf die Schriftstellerei über diesen Gegenstand. Bald nach seiner Übersiedelung nach Karlshafen kamen dann auch die Täu schungen, die er bei seinem Perpetuum mobile angewendet hatte, nach und nach an den Tag. Seine Wundermaschine war von Anfang an durch Menschenhand bewegt worden, zu bewundern ist nur, daß des ihm daß dies nicht durch den Scharfblick der Beobachter bekannt wurde, sondern von Mitwißenden ansgeplaudert worden ist. Sowohl er selbst, als auch sein Bruder, seine Frau, eine Magd, Anne Rosine Biauersberger aus Drehbach bei Wolkenstein, die seit 1711 bei ihm diente, hatten das Werk mittels geheimer Verbindungen von einem Nebenzimmer aus gedreht. Der Bruder und die Magd sollen für die Drehstunde 2 Groschen bekommen haben, durch allerlei ge heime Zeichen wußte sich Orfsyro mit ihnen zu verständi gen. Freilich war größte Vorsicht notwendig, damit kein unerwarteter Besuch ein Stillstehen der Maschine vorfinde. In Weißenstein war das Drehen in Orftyros Schtaf- kammer, hinter seinem Bette, besorgt worden, und zwar einmal mitten im Winter acht Wochen lang. Damals war die Magd nur durch große Versprechungen zum Aushalten zu bewegen gewesen. Der Bruder Gottfried hatte die Sache zuerst satt oder bekam sonst gewichtige Bedenken, er machte sich, nachdem er ein Sümmchen Geld erdreht hatte, aus dem Staube nach Amerika. Seine Frau und Magd, bevor diese den Dienst verließ, suchte er durch schauerliche Eidschwüre und Drohungen zur Wahrung Geheimnisses zu bringen. Obwohl dieses trotzalledem offenbar wurde, scheint daraus kein anderer Nachteil erwachsen zu sein, als er seine Maschine aufgeben mußte. Seine Lage wurde nach dem Tode des Landgrafen s1730j jedenfalls ungün stiger, er beschäftigte sich aber unausgesetzt mit neuen Plänen und kündigte neue Wunderwerke an. Auch litera risch trat er mehrfach hervor und wandte sich n. a. auch religiösen Fragen und Bestrebungen zu. Er wollte in Kartshafen eine Tugend- unö Weisheitsschule, „Gottes- - bürg" genannt, stiften, in der Menschen aller Konfessionen, auch Nichtchristen, ausgenommen werden sollten. Auch in industrieller Beziehung hatte er vor, eine Art Aktienunter nehmen zu gründen, fand aber auch dafür nicht das rechte Verständnis. Da setzte der Tod am 30. November 1745 seinen geplanten Unternehmungen ein Ziel. In seinem Erbbegräbnis zu Karlshafen fand er seine letzte Ruhe stätte, seine Frau war ihm schon längst im Tode voran ¬ gegangen, seine vier Töchter waren anscheinend sämtlich gut versorgt. Seine zweifellos vielseitige Begabung unö sein beinahe beispielloser Unternehmungsgeist wären einer besseren Zielrichtung wert gewesen. O. Sch. Winter. Nun ist sie doch gekommen, des Winters weiße Pracht, und hat hinweggenvmmen die dunkle Nacht. Auf allen Zweigen wieget sich wollig-weicher Schaum,' durch alle Lüfte fliegets wie eitel Flaum. Und linnenweißes Glänzen deckt Dächer, Wald und Feld, und Eisblumen bekränzen die stille Welt. Doch durch dies lichte Schweigen bricht hoffnungsheller Klang: Schließ, Sonne, Winters Reigen mit Lenzgcsang. Oswald Gebaurr, Nkiieibau.