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184 Gberlausitzsr Heimatzeltung Nr. 14 dieses stillen, arbeitsamen Mannes. Am 18. April 1827 wurde er in Roßwein als Sohn des Seifensiedermeisters Friedrich Adolf Kaulisch geboren, und zwar als das 15. Kind in 8. Ehe. Seine Mutter, Christiane Charlotte geb. Notbdurft, war eine vorbildliche Christin, die sich mit ganzer Hingebung ihren Kindern aufopferte. Ihr galten auch die innigen Worte des Dichters, der mit 13 Jahren den Vater verlor und dann umsomehr die große, heilige Mutterliebe immer wieder fühlen durfte. Für ihn hat die Mutter gedarbt, daß er Lehrer werden konnte. Nach seinem Besuch des Freiberger Proseminars, wo er als sehr begabter Schüler gelobt wurde, erhielt er 1846 eine Vikarstelle in Seifersdorf bei Roßwein. Hier entfal tete sich seine Dichterseele und sein Herz fand Zuneigung zu Auguste Wilhelmine Koch, der Tochter des Forstfrons in Nossen, die er 184g als Gattin heimführte, nachdem er ständiger Lehrer in Seifersdorf geworden war. Der Ehe entsprossen zwei Söhne, von denen der ältere, Gustav Adolf Emil, Bürgermeister von Gottleuba wurde. Im Sommer 1857 wurde Kaulisch Kirchschullehrer in Ulbersdorf bei Schandau und 1862 erhielt er ein Lehramt in Neustadt, wo er bis kurz vor seinem Tode blieb. Schwärmte der junge Lehrer in Seifersdorf auch poe tisch für seine Auserwählte, so sind doch dort auch schon die Anfänge seines tiefen Empfindens für das Elternhaus und die Mutterliebe zu suchen, die durch sein ganzes Leben schwingen. An einem Herbstbußtage 1851 hat er, nach der Mitteilung seines Sohnes Emil, bei starkem Schneefall das schöne Gedicht „Wenn du noch eine Mutter hast . . ." in Seifersdorf geschrieben. In die Ulbersdorfer Zeit, die ihm wenig Muse ließ bei dem arbeitsreichen Amte als Kirchschullehrer, fiel der Tod der geliebten Mutter, die am 19. November 1866 starb. Doch später wurde der Schmerz dichterische Form in den Gedichten „Am Sterbebett der Mutter" und „Der Mutter Grab". Erst in Neustadt lebte Kaulisch nach ernsten, schweren Jahren wieder mehr auf und hier hatte er den Erfolg, mit einem Gedicht auf die Helden von Gitschin und Königsgrätz von 75 Einsendern als Preisgekrönter hervorzugehen. Er wurde bekannter und sein Sang von der Mutter fand. Auf nahme in den verschiedensten Büchern und Druckschriften. Mit seiner Novelle „Therese" schuf er auch eine gute Prosa arbeit. Unermüdlich hat er weiterhin noch vieles Schöne geschaffen. Mit 50 Jahren befiel ihn ein schweres Herz leiden, von dem er auch im Sommer 1881 in Dresden, wo er bei seinem Sohne zur Erholung weilte, nicht mehr ge nesen konnte. Ammer mit der Ruhe Ich weeß ei der Lausitz a kleenes Nast, Do bie ich moanch liebsmol en Grätschen gewast, Und weil mer bei dan Dischkerieren Ne ei der Stube wullten frieren, Toat mer a Diesch oan Ufen ricken. Der Oamtsvurstieher wärmt'ch a Ricken; Mier andern soaßen ei der Runde, Und do verging su moanche Stunde. Oa der Decke roocht de ale Loampe, Ver jeden stund an grüße Stoampe Mit Kurn und oh a Seidel Bier, Und dobei lug mer uns woas vier. — Dan eenen Öbend, wu's euch goar Su tulle kahlt und finster woar — 's woar schund de zwelfte Stunde im —, Do bulderts oa der Diere rim, Und Geißlersch August, dar kimmt oa; A woar oals Nachtwechter htnt droa. A toat an woarmen Kurn austrinkeu Und glei drus noh an zweeten winken, Und endlich langt a noh an Stuhle. — Doas woar men Oamtsvierstand zu dullc: Nee, August, doarfst'ch ne lang ufhaln; Se kinnen ja en Dürfe stahln." Do soatzt sich August ruhig nieder Und soat zun Oamtsvurstieher wieder Und schmunzelt, 's woackelt richt'g is ganze Kinne: „War füll ock stahln? Mer sein ju olle hinne!" Erich Pompe. Der Bettler Skizze aus dem Grenzleben v. Johannes Friedrich. Zuerst hatte ich ihm gewohnhcitsgemäß gegeben: Einige Kupfermünzen. Einer von den 5—6 Bettlern, die von der Grenze bis zum Kaffeehaus an der Straße saßen, sollte doch eine kleine Freude haben. Nachdem aber sein „Ver gelts Gott, lieber Herre!" mir einige Male in so kindlich dankbarem Tone in die Ohren geklungen war, gab ich ihm regelmäßig ein Nickelstück. Er kannte mich bald und blin zelte mir mit seinen trüben wasserblauen Äuglein meist vergnügt schon von weitem zu. Übrigens war er nicht zu verfehlen. Seit einiger Zeit hatte er sich auf einer „Ge rümpelausstellung" eine alte Guitarre erworben und klim perte immer die gleichen drei oder vier Akkorde. Musika lisch war er offenbar keineswegs. So machte er sich be merkbar, auch wenn man in Gedanken einmal an ihm vorübereilen wollte. Außerdem hatte er sich seit dem letzten Wiedersehensfest der 83 er eine alte blaue Soldatenkappe zugelegt, die ihm gottvoll stand. Er markierte, ob bewußt oder unbewußt, die „alte gute Zeit". Manch einer ging lächelnd an dem alten ewig klim pernden Bettler vorüber. Er hatte zwei Arbeitsplätze. Von 1—8 Uhr saß er an einer Ecke der Bahnhofstraße. Wenn dann die Züge herein waren, verlegte er seine Tätigkeit auf die Hauptstraße, schlürfte mit seinen langen müden Beinen, die Guitarre unter dem Arme, eilends da hin und ließ sich am Rande einer Anlage nieder. Dort saß er, bis in den Abend hinein. Sonntags hatte er starke Konkurrenz. Da lag an einer Fabrikecke ein Krüppel mit seinen zwei Beinstümpfen auf einer Strohmatte. Weiterhin saß ein Alter, demütig den Hut vor sich hinhaltend. Da war ferner ein fast erblindeter Kriegsverletzter, der, mit einem Grammophon ausgerüstet, die Vorübergehenden mit den Schlagern ergötzte, die vor zwei Jahren Mode wareM Aber Wochentags war er mei stens allein. An der Bahnhofstraße, wo er von 1—3 spielte, war nicht immer starker Verkehr. Da sprach ich ihn eines Tages an. „Nun, wie geht das Geschäft?" „Schlecht, lieber Herre!" und er wies auf die Blech schale, ans deren Boden einige ärmliche Kupfermünzen lagen. „Heutzutage sind die Leute hart. Es sind zu schlechte Zeiten. Ich mutz froh sein, wenn ich 2—3 Kronen zusam menbringe. Von der Stadt kriege ich den Tag zwei Kro nen, davon kann ich mit meiner Frau nicht leben. Wenn mich der liebe Herrgott doch wegnehmen wollte. Was soll ich mit meinen 80 Jahren noch auf dieser Welt? Die wird ja immer schlechter. Aufruhr und Mord, Hungersnot und da in Amerika die Überschwemmungen. Nein, die Welt ist außer Rand und Band!" — Nach einer Pause: „Es gibt doch keinen Gott mehr. Sonst hätte ich meinen Prozeß gegen die Weltordnung doch gewonnen." „Einen Prozeß gegen die Weltordnung?" unterbrach ich seine Redseligkeit. „Was ist denn das?" „Ja, mein Prozeß gegen die Welt ordnung. Ich habe das Schreiben aufgesetzt. Ich werde es Ihnen einmal mitbringen. Drei Frauen habe ich gehabt und zehn Kinder und muß als 80 jähriger Mann auf der Straße sitzen. Wenn das mein Annerl wüßte! Das war