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Ludwig Enarlmann in RMenau t Oberlehrer Ludwig Engelmann weilt nicht mehr in dieser Welt! Schnell und unerwartet ist er am Freitag, dem 18. September, im Alter von 74 Jahren in die Ewigkeit abgerufen worden. Diese Nachricht wird allen denen, die mit ihm verbun den waren, allen, die diesen wahrhaft edlen Menschen kannten, tief ins Herz schneiden. In den letzten drei Wochen mußte leider ein merklicher Rückgang seiner Kräfte wahr genommen werden, doch war er geistig bis zum letzten Augenblick noch äußerst rege. Um 6 Uhr abends begab sich der Entschlafene aus seinem Arbeitsstübchen in seine eine Treppe höher gelegene Wohnung, wo er sich noch mit seinen Angehörigen unterhalten hat. Doch plötzlich neigte sich gegen l47 Uhr sein Haupt er war verschieden. Einen herben Verlust erleidet die Gemeinde Reichenau. Neben Wilhelm Friedrich f stellen wir Ludwig Engelmann. Diese zwei können wir als die beiden Bedeutendsten der Gemeinde Reichenau in den letzten Jahrzehnten bezeich nen: Friedrich als Heimatschriftsteller, der in seinen Wer ken die heimatlichen Sitten und Gebräuche wieder wach rief — Engelmann als Heimatforscher, als der Ge schichtsforscher seiner Heimatgemeinde. Sein Werk ist es, daß dem gegenwärtigen Geschlecht Kunde da von gegeben ist, wie unsere jetzigen Lebensverhältnisse nach und nach im Laufe der Jahrhunderte entstanden sind. Er schuf die „Geschichte von Reichenau", die in einer neuen Bearbeitung gegenwärtig eine Neuherausgabe durch den Verlag der OHZ. erlebt. Hierdurch hat er sich ein ewiges Denkmal gesetzt und Gemeinde und Bewohnerschaft werden ihm dies nicht genug danken können. Bis in die letzten Wochen hat er an der Neubearbeitung gearbeitet, und wir müssen uns glück lich preisen, daß diese Arbeit, die noch in einigen Heften im Druck erscheinen wird, von ihm vollendet werden konnte. Vor vielen Gemeinden und Städten können wir stolz sein, ein solch umfassendes, bis ins kleinste erschöpfendes und systematisch bearbeitetes Werk zu besitzen. Neben diesem Hauptwerk hat der Entschlafene eine An zahl Familien-Chroniken bearbeitet. U. a. erschien im Druck im Jahre 1918 eine solche über „Die Familie Burghart lBurghardt—Burkhardt). Ein Reichenauer Bauerngeschlecht." Eine weitere über die Familien Donath, Bad Oppelsdorf, hat er bis vor kurzem fertiggestellt. Engelmann hat in vollstem Maße das Wort beherzigt und betätigt: „Was du ererbt von deinen Vätern, bewahr es, um es zu besitzen!" Einen besonders schweren Verlust erleidet auch die evangelische Kirchgemeinde, deren Kantor und Organist er war. Dieses Amt hat er trotz seines hohen Alters mit un geschmälerter physischer und geistiger Kraft bis fast zu seinem Lebensabsnde ausgeführt. Am 30. August d.J. saß er zum letzten Male an seiner Orgel. „Er ruhe in Frieden!" Die kirchliche A b s ch i e d s f e i e r des weit über die Grenzen unseres Ortes hochgeschätzten Entschlafenen fand am Dienstag, dem 22. September mittags 1 Uhr in der ev.-luth. Kirche statt. Schon lange vor dieser Zeit hatten sich in seinem Wohnhause eine große Zahl Leidtragender eingesunden, um von dem Freunde und Berater, dem lieben Bekannten und edlen Menschen Abschied zu nehmen. Im Namen der Distrikts-Konserenz der Lehrerschaft (Reichenau und umliegenden Ortschaften) sprach bei der Niederlegung eines Kranzes deren Vorsitzender Oberlehrer Lorenz (Wald—Bad Oppelsdorf) ehrende Worte dem verschiedenen Kollegen und Freunde in die Ewigkeit nach. Als Beauf tragter der Lehrerschaft von Reichenau hatte Oberlehrer Gebürtig bereits im Laufe des Vormittags im engsten Familienkreise einen Kranz an den irdischen Überresten des Kollegen niedergelegt mit den Worten: „Im Namen und Auftrage der gesamten Lehrerschaft von Reichenau rufe ich dir, du lieber getreuer Freund und Amtsgenosse, einen letzten herzlichsten Abschiedsgruß und ein inniges „Habe Dank" für deine Treue als unser Weggenosse in die Ewig keit nach. Du lieber, feiner, stiller, selbstloser und beschei dener Mensch wirst in den Herzen deiner Freunde und Amtsgenossen fortleben als ein Großer aus den Gebieten der Kunst und der Wissenschaft. Wir werden dich nie ver gessen. Wer im Gedächtnis seiner Lieben lebt, der ist nicht tot, der ist nur fern. Tot ist nur, wer vergessen wird." — Das Textwort für die Trauerrede in der ev.-luth. Kirche hatte Pfarrer Seiler aus 2. Korth. 9,6 genommen: „Wer da säet im Segen, der wird auch ernten im Segen." Wenn unter Segen eine Ausrüstung mit guten Gaben zu ver stehen ist, so können wir auch aus dem Leben des Ent schlafenen von einer Segenssaat, d. h. von einer Saat guter Gaben reden. Der Verstorbene führte als Heimat forscher ein ganzes Geschlecht an seiner Hand in ver gangene Zeiten, das Eine als Warnung, das Andere als Aufmunterung der Gegenwart vor Augen haltend. Aber es war die Heimatliebe, die dem Schreiber der Reichenauer Chronik die Hand und das Herz hatte warm werden und bleiben lassen. So ist die Segensernte auch dem Entschlafe nen zu teil geworden, bestehend in einem großen Kreis von dankbaren Lesern heutiger und zukünftiger Zeit. Der Verstorbene führte aber auch als Musikbegnadtgter eine große Gemeinde in das Reich erhebenden Genusses und erschloß die Goldadern künstlerischer Empfindung. Allen Gottesdiensten wußte der Entschlafene ihren beson deren Akzent und Interpretation zu geben. Die 44 Jahre Kirchendienst sind Saatproben edler Art gewesen, denen auch der Erntesegen nicht gefehlt hat. Des heimgerufenen Kantors musikalische Auslegung des Kirchenliedes war in ihrer Art auch Predigt. Und wenn drittens des Verstor benen Persönlichkeit als Mensch zu werten ist, so ist seine Herzcnsgüte und einfache Schlichtheit von edelster Art, eine Segensgabe für Jeden, der mit ihm in den Verkehr gekommen und als Erntegemeinde auch bleiben wird. — Nach Überführung in das Zittauer Krematorium wurden nach 3 Uhr während der auf dem Harmonium von Musik direktor Menzel (Zittau) gespielten 12. Beethovenschcn Sonate die irdischen Überreste in die Tiefe gelassen, um Asche zu werden. Reichenau hat einen Großen verloren! Möge es sich ihm immer dankbar zeigen! — „Wenn du noch eine Mutter Hutt..." Zum SV. Todestage des Dichters Kaulisch Der Lehrer und Dichter Friedrich Wilhelm Kaulisch, der am 15. September 1881 in Neustadt starb, ist schon fast der Vergangenheit anheimgefallen, und doch ist ein Gedicht von ihm wohl den meisten bekannt, ohne den Namen des Verfassers zu wissen. Dieses Gedicht ist beinahe in den Be stand der Volksdichtung übergegangen. „Wenn du noch eine Mutter hast, So danke Gott und sei zufrieden. Nicht allen auf dem Erdenrund Ist dieses hohe Glück beschieden. Wenn du noch eine Mutter hast, So sollst du sie mit Liebe pflegen, Daß sie dereinst ihr müdes Haupt In Frieden kann zur Ruhe legen." Das sind die tiefempfundenen Worte eines Dichters, der an sich selbst die Wahrheit dieser Zeilen zur Genüge verspürt hat. Durch viel Trübsal und Plage ging der Weg