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fallen. Da etwa zu gleicher Zeit das heidnische Sonnen wendfest gefeiert wurde, verschmolzen beide Festtage zu einer Einheit. In den Volkssitten und Volksbräuchen des Johannis tages sind die Pflanzen von großer Bedeutung. Im Jser- gebirge betteten die Kinder dem heiligen Johannis am Vorabende seines Namensfestcs zwischen dem Tischgestühle ein Blumenlager, die „Gehannsnacht" genannt. Hat der Heilige während der Nacht auf diesem Blumenlager ge ruht, finden die Kinder am nächsten Morgen das „Schlaf geld" (Geld oder Süßigkeiten) unter den Blumen ver streut. Diese Blumen wurden getrocknet und beim nächsten Gewitter verbrannt. Nun war das Haus gegen Blitzschlag gesichert. Im Rothenburger Kreise fertigten die Kinder am Jo hannistage aus Feldblumen, besonders aus Kornblumen und Kornraden, sogenannte „Riechet". Die steckte man in die Spalten der Wände, Fenster und Türgerüste. In eini gen Dörfern desselben Kreises zog man lange Schnuren mit Blumenkränzen und Sträußen über die Straße. Die Leute glaubten ähnlich wie im Jsergebirge, daß der heilige Johannis zur Nachtzeit hernieder steige, die Blumen segne und alles Unglück vom Hause fernhalte. Der Johannistag ist in unsrer Heimat ein Tag des Kräutersammelns. Im Rothenburger Kreise sprach man den Pflanzen besonders Heilkraft zu, die in der Mittags stunde gesammelt wurden. Auch am Valtenberge bei Neukirch haben die Pflanzen, die um die Mittagsstunde des Johannistages geschnitten werden, wunderbare Kraft in sich. Wer Fette Henne schnei det (in der Gegend Wolfskrant genannt), bei jedem Schnitte' den Namen eines Angehörigen flüstert, die Stengel mit dünnen Fäden an die Stubendecke hängt, so daß die Blüte nach unten, die Schnittfläche nach oben gerichtet ist, kann aus dem Fortgrünen der Stengel ersehen, welchem der Angehörigen ein langes Leben beschicken ist. Der, dessen Wolfskraut nicht weiter grünt, hat ein baldiges Ende zu erwarten. Am Johannistage besuchten Wenden zahlreich den Valtenberg und sammelten die Wurzel der heiligen Maria (Marienbiß, auch Aalivurzel genannt, Weißwurz — Phli- gonatum multiflorum). Aus dieser Wurzel schnitzten sie eine efeublattartige Figur, die als Glücksbringer wohl ge hütet wurde. Die wendische Marktfrau legte sie auf den Boden ihres Korbes, um gut zu verkaufen. Diese Glücks wurzel ist ein ähnliches Zaubermittel wie die Alraun wurzel (Mandragorga officinalis), die ebenfalls am Val tenberge, aber in der Johannismitternacht, gegraben wurde. Der Mensch, der eine Alraunwurzel gräbt, darf sie nicht mit eigenen Händen den Boden entreißen, denn Ker das tut, ist dem Teufel verfallen. Um den Teufel zu be trügen, mußt du einen schwarzen Hund bei dir haben, die Wurzel dem Hunde an den Schwanz binden, dann das Tier zu dir locken. Dabei reißt es die Wurzel aus. Sie schreit iu diesem Augenblicke gellend auf wie ein Mensch. Aus der Alraunwurzel wurde eine daumengroße Puppe geschnitzt, das Alraunmännchen, auch Galgenmäuncheu ge nannt. Das Ding wurde in ein Kistchen wie in ein Bett- chen gelegt, in Öl und Wein gebadet, wie ein Kindchen kostbar gekleidet. Die Alrannmännchen sagten die Zukunft voraus,' förderten den Wohlstand, waren gut bei aller Art von Liebeszauber. Im Museum auf dem Oybin sind zwei dieser Alraunen zu sehen, die der Kvmmissionsrat Dr. Moschkau, der Schöpfer des Museums, von einer 85 jährigen Kräuterfran erhielt. Die Alraunmännchen sind gefährlicher als die Glückswurzel aus dem Marienbiß, weil bei ihnen Teufelswerk im Spiele ist. In der JohanniSnacht wächst auf dem Valtenberge und den benachbarten Höhen ein Farn, dessen Samen unsichtbar macht. Und auf vielen unsrer Berghöhen bricht in der gleichen Nacht die Wunderblume auf (auf dem Schalkstein bei Jonsdorf, auf dem Löbauer Berge, auf dem Czorne- boh, auf dem Kirschauer Schlvßberge, auf der Landes krone), die alle Schlösser aufspringen läßt (darum auch Springwurzel genannt), und die dem glücklichen Finder Eingang verschafft in die Tiefen der Berge, in denen un ermeßliche Schätze ruhen. Auch diese Schätze der Tiefe werden am Johannistage ergriffen vom großen Rhythmus des Naturgeschehens. Die Tore der Berge tun sich auf, funkelnd gleißt das Gold geäder der Erde und harrte des Erwählten. Der Schatz im Geldkeller des Löbauer Berges glüht in der Mittagsstunde des Johannistages auf. Ein alter Postillion aus Krischa hat sich jede Jvhannisnacht vom Landeskronenschatze geholt, was er brauchte. Der Schatz auf Scheibes Birkberge zu Langenau leuchtet in blauen Flammen. Auch das Wasser entfaltet an diesem hohen Tage seine dämonischen Kräfte. Besonders heilkräftig ist es, aber auch besonders gefährlich. Der Wassermann verlangt an diesem Tage sein Opfer. Darum vermieden die Lausitzer Jungen es in früherer Zeit, an diesem Tage zu baden. Der tiefen Erregung, die an diesem Tage die gesamte Natur durchzittert, kann sich der naturgebundene Mensch nicht entziehen. Er feiert. Feuer lodern auf den Höhen unsrer Heimat zum nächtlichen Himmel auf. Johannis feuer! Seinen Zauber kennt nur der, der ihn miterlebte! Nicht die gesamte Lausitzer Heimat kennt das Johan- nisfeuer. An vielen Orten wird an seiner Stelle das Wal purgisfeuer oder Hexenbrennen gehalten. Meinen Beobach tungen nach wird vor allem in den gebirgigen Gegenden der Lausitz das Johannisfeuer ausgeführt, während die tiefer liegenden Gebiete das Walperfeuer bevorzugen. Der Grund für diese Erscheinung mag in Zweckmäßigkeits gründen zu suchen sein: Zu Johanne stehen die Fluren in vollentwickelter Pracht. In den tiefer gelegenen Gegenden läßt sich zu dieser Zeit schwer ein geeigneter Ort für das Feuer finden, während in Gebirgsgegenden auf mancher Steinhalde oder dürren Kuppe das Feuer ohne Schaden gebrannt werden kann. Freilich ist es auch möglich, daß in Zeiten ungestörter Überlieferungen die verschiedenen Ter mine auf stedlungsgeschichtlicher Grundlage beruhen. Wissen wir doch z. B. für die Nordvorlande des Harzes, daß sich die Feuergrenzen mit andern Vrauchtumsgrenzen decken.. Doch um darüber Klarheit für die Lausitz zu gewinnen, wäre eine Befragung von Ort zu Ort notwendig. Ich würde es dankbar begrüßen, wollten die Leser dieser Plau derei mir darüber Nachrichten zugehen lassen. Johannisfeuer werden gebrannt in einem Gebiete, das durch eine Grade vom Valtenberge bis nach Wehlen, durch den Elblauf stromauf und die böhmische Grenze um schlossen wird. ' Johannisfeuer leuchteten auf auf dem kleinen Gut berge ('s Gutbargl) bei Ebersbach, auf dem Schlechteberge, auf dem Wachberge bei Friedersdvrf (bei Ebersbach). Im lohenden Schmucke des Johannisfeuers stehen eine Anzahl Ortschaften am Zittauer Gebirge, selbst in Zittau wurde am Burgberge alljährlich das Feuer gebrannt. Im alten Dreikönigswinkel, dort, wo Schlesien, Sach sen und Böhmen zusammenstoßen, war das Johannisfeucr durchaus üblich. Der große Stein bei Weigsdorf (die Drut- steinc) bildeten den Brandplatz. In der preußischen Lausitz war (und ist) das Johair- nisfeuer verbreiteter als im sächsischen Anteil. Der Ein fluß Schlesiens scheint hier wirksam gewesen zu sein. In manchen Ortschaften wurden Johannis- und Wal purgisfeuer gebrannt. Dafür sind mir Wittgendorf (Amtsh. Zittau, Feuerplatz der Steinberg) und Kemnitz bei Bern stadt (noch in Brauch) bekannt geworden. Ganz und gar üblich sind die Johannisfeuer im an grenzenden Böhmen. Der tschechische Historiker Balbinus, der eine Geschichte Böhmens (Prag 1679—1688) herausgab