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Irr DMrr Glelm mb Sberleutersborf. Zu den liebenswürdigsten Dichtergestalten des l8. Jahrhunderts gehört der Halberstädter Domherr I. W. Ludwig Gleim. Seine „Lieder eines preußischen Grena diers", in denen er die Taten Friedrichs des Großen ver herrlichte, hatten ihn in ganz Deutschland berühmt ge macht. Sie können heute noch zum Teil mit Genuß ge lesen werden. Scharf gesehene Bilder in volksliedhafter Sprachform wie das folgende Beispiel sind nicht selten: Auf einer Trommel saß der Held Und dachte seine Schlacht, Den Himmel über sich zum Zelt Und um sich her die Nacht. Doch größer als seine dichterischen Verdienste sind Gleims menschlichen. Als Domherr lebte er in einem be haglichen Wohlstände. Diesen Wohlstand hat er nicht wie ein Drache gehütet, sondern er hat davon mit vollen Hän den allen ringenden, aufstrebenden Talenten ausgeteilt. Was hat dieser Dichter und Dichtervater (Vater Gleim wurde er genannt) mit Oberleutersdorf zu tun? Da müssen wir uns erinnern, daß in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Stadt Zittau einige dichte rische Talente hervorgebracht hat, deren Werke bis heute in der deutschen Literaturgeschichte noch nicht vergessen sind. Einer dieser talentierten Dichter war der Zittaner Ge richtsaktuar Friedrich Kretschmann sam 4. Dezember 1738 zu Zittau geboren). In seinen Dichtungen behandelt er mit Vorliebe die germanische Frühzeit. So besingt er in seinem „Gesang Ringulphs des Barden" Hermanns Sieg über Varus im Teutoburger Walde. Als Gleim diese Dich tung zu Gesicht bekam, war er begeistert. Er schrieb: „Einen der vortrefflichsten Abende hatte ich gestern, wie die Götter ihn haben, wenn sic sich in Nektar berauschen. Nicht gelesen, verschlungen habe ich den Gesang!" Das andre dichterische Talent der Stadt Zittau war Johann Benjamin Michaelis. Er wurde am 31. Dezember 1746 zu Zittau geboren. Sein Vater war Handelsmann. Durch ein Brandunglück verloren die Eltern ihr Ver mögen. Als im Jahre 1763 das Zittauer Gymnasium das Friedendfest feierte (Ende des siebenjährigen Krieges), zog er zum ersten Male durch seine Dichtung die Aufmerksam keit auf sich. 1764 ging er nach Leipzig, um Medizin zu studieren. Da er fast mittellos war, verdiente er sich durch schriftstellerische Arbeiten seinen Unterhalt. 1767 veröffent lichte er einen Band „Fabeln, Lieder und Satiren". Die Arbeit wurde in der gesamten literarischen Welt Deutsch lands mit großem Lobe ausgenommen. Einige Monate vorher hatte er Gleim kennen gelernt. Der Dichtervater förderte und unterstützte den jungen Freund, soweit er nur konnte. 1768 verbrachte Michaelis wegen eines Ner venleidens einige Monate in der Heimat. Ein wirksamer Schwank, noch heute lesbar mit seiner flüssigen Sprach behandlung und leichten Ironie, betitelt: „Je unnatür licher, desto besser" war das Ergebnis dieses Heimatauf enthaltes. Michaelis gab nun das Studium der Medizin auf und widmete sich ganz der Kunst. Ein führendes deutsches Blatt, der „Hamburger Korrespondent", trug ihm die Stelle des Herausgebers an. Michaelis folgte dem Rufe. Aber nur ein halbes Jahr blieb er in Hamburg. Der König von Hannover berief ihn als Theaterdichter an sein Hoftheater mit dem Versprechen, ihm die erste erledigte Universitäts professur in seinen Staaten zu übertragen. Doch der Keim einer schweren Krankheit saß tief in diesem hochbegabten jungen Menschen. Sein Zustand ver schlechterte sich von Monat zu Monat. Da folgte er der dringenden Einladung Gleims. Bei seinem treuesten Freunde und Helfer verschied der Sechsundzwanzigjährige. In Gleims Briefen findet sich nun einer, der an den oben erwähnten Zittauer Gerichtsaktuar Fried. Kretsch mann, der Barde Ringulph zubenamt, gerichtet ist. Der Brief ist datiert: Halberstadt, 18. August 1793, und lautet so: „Länger kann ich ohne Nachricht von ihm nicht sein, also, Teurer, was machen Sie? Wie weit sind Sie mit Ihrem hohen Liede? Mehr frag ich und sag ich nicht, ich liefe Gefahr, nicht aufzuhören. Was hat man in diesen eisernen Zeiten nicht zu fragen, nicht zu sagen? Nein, aber so kurz und gut wie möglich noch eins, noch eine Frage: Lebt unsres lieben seligen Benjamin Michaelis Mutter zu Oberleutersdorf noch? Lebt sie, so senden Sie doch die bei gehenden vier Pistolen an sie nach Oberleutersdorf. Lebt sie nicht, dann melden Sie mirs, ich sag Ihnen dann, was mit dem Gelbe zu machen ist. Nehmen Sie, Bester, die ver ursachte Mühe nicht übel! Ich habe meine guten Ursachen, warum ich diesen Weg einschlage, nur bitte ich um die schleunigste Besorgung und bin in größter Eile meines lieben Ringulph und seiner treuen Gehilfin treuster Freund Gleim." Aus einem Briefe nun, den Friedrich Kretschmann am 14. September 1793 an Gleim richtet, erfahren wir, daß Michaelis Mutter bei ihrer Tochter, der Frau des Gold schmieds Krause, zu Oberleutersdorf lebte. Sie ward zu Kretschmann bestellt und empfing die Goldstücke tnit größ ter Rührung. Die Eltern des Dichters waren 1770 nach Leutersdorf gezogen und hatten sich dort ein Haus gebaut. Der Vater Michaelis starb 1777. Seine Witwe empfing 1788, 1793, 1799 und 1802 beachtliche Unterstützungen von Gleim. Sie wohnte zuletzt in Mittelleutersdorf (Haus-Nr. 81 nach der Zählung im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts). Da sie Regensburgerin war und ihre Mundart beim Sprechen durchklang, war sie im ganzen Dorfe bekannt. Sie starb 1803, lebte aber noch lange im Gedächtnis der Dorf bewohner. Des Dichters Schwester hatte sich im Jahre 1774 mit dem Goldarbetter Krause verheiratet. Er soll ein eigen nütziger und nicht gerade höflicher Mensch gewesen sein. Nach dem Tode seiner Frau verheiratete er sich wieder. Bald nach der Hochzeit ereilte ihn aber auch der Tob. Nun ging seine Witwe eine zweite Ehe ein. Nachkommen aus dieser Ehe lebten noch um 1880 in angesehenster Stellung in Leutersdorf. Wahrscheinlich sind auch heute noch Nach kommen dieser Familie im Orte vorhanden. F. S. Der Maibaum. Die Sitte des Maibaumsctzens ist in vielen Ortschaften der nördlichen Lausitz bis heutigentags lebendig. Die Aus übung des Brauches liegt in der Hand der Jugend. /Bei einem Gutsbesitzer oder bei der Herrschaft wird die Erlaubnis geholt, im Walde einen Maibaum schlagen zu dürfen. Eine hohe Birke oder Fichte kommt dafür in Betracht. Andre Orte dagegen benutzen den Wiesbaum lHeubaum) als Maistange^Jhrer Spitze wird eine junge Fichte oder junge Birke aufgesetzt. Es ist der Stolz des Dorfes, eine recht hohe Maistange zu haben. Höhen von 20 bis 25 Meter sind gelegentlich anzutreffen. Der Wipfel der Stange ist bisweilen mit bunten Bändern oder Tüchern geschmückt. Das tun die Mädchen des Dorfes. Andre Dör fer kaufen ihren Maibaum beim Holzhändler. Schon beim Sehen des Maibaums nimmt ein großer Teil der Dorfbewohner als Zuschauer teil. Die Stange wird tief eingegrabcn und verpflockt. Vom Augenblick des Setzens an wird sie von einigen Burschen bewacht. Beson ders in der Nacht zieht diese Wache in regelmäßiger Ab lösung auf. Denn die Burschen der Nachbardörfer spannen darauf, die Maistange zu werfen und womöglich zu stehlen. Zu diesem Zwecke werden regelrechte Angriffspläne ausgearbeitet. Beorderte Trupps führen Scheinangriffe