Volltext Seite (XML)
102 Im Rückblick hat man nun schon ganz fern den lang gestreckten Kottmar, beide Lerchenberge als Haarbüschel zur Seite und das duftigblaue Zittauer Gebirge am Hori zont. Überraschend schnell tut sich voraus ein neuer, ganz imposanter Ausblick auf. Steil aus der Cunewalder Tal- aue erhebt sich der schwarze Götterberg, der Czorneboh mit Hochstein, Steinberg. Der Frühling hat auch an sein Kleid schon Lichtpunkte gewebt. Auch nach Osten, über Löbau und seinem Berg, ist die Sicht weit und groß. Ganz in der Ferne blaut das schlesische Flachland. Zu Füßen macht sich Lauba mit dem zierlich weit maschigen Neulauba, das den Bielebvhhang sanft erklet tert, breit. An der Wegbiegung gleitet das Auge über Beiersdorf. Nun folgt der schönste und aussichtsreichste Höhenweg der ganzen Wanderung. Es ist Mittag, müder, sonniger Mittag, wie eben der Glockenzwölfschlag in Beiersdorf verkündet. Kohlweißlinge, Zitronenfalter, Pfauenaugen spielen im Lenzglllck tändelnde Reigen um Knospen und Blumen. Hier hat des Frühlings Auferstehung aus dem Lausitzland ein Wunder gemacht. Wessen Herz entzöge sich dem duftgen Zauber solcher Frühlingsmittags stunde auf heiligen Heimathöhn? Weit der Himmel, weit das Land, blau-weiß-grün des Lenzes Band. Blütenkelche, sonnbeglückt, Vogeltriller, erdentrückt. Mach auch du das Herze weit neuem Heimatfrühling, sel'ger Zeit. G. Die Bcrgwtrtschast nimmt uns mlld und hungrig auf. Ihr grüßender Spruch soll eine Werbung an alle Wander freunde sein: Seit michs hierher zu wandern / zum ersten Male trieb / gewann ich keinen andern / wie diesen Ort so lieb. Man muß ihn lieb gewinnen, den Bieleboh. Nicht nur ob seiner freundlichen Wirtsleute und guten Bewirtung, vor allem wegen der umfassenden Rundsicht. Der weiße Turm mit seinen offenen Aussichtsfenstern steht abseits auf der Höhe. Er steht seit dem Jahre 1883. Vorher stand an gleicher Stelle ein Granitblock, der 1818 zur Erinne rung an das SO jährige Jubiläum Friedrich Augusts er richtet wurde. Der Turm brannte Juli 1910 aus, konnte aber in neuem Stil nach Zeichnungen des Heimatschutzes ausgeführt werden. Orientierungstafeln ermöglichen dem Fremden, die Namen und Entfernungen der Berge und Orte abzulesen. Bei klarer Sicht begrenzt Jsergebirge, Zittauer Gebirge mit Jeschkenmassiv, Erzgebirgskamm, nordlausitzer Heide und schlesisches Flachland den Horizont und in diesem weiten Kreis liegen ungezählte Berge und Höhen und Orte der Lausitz und des waldreichen Nord- böhmens, das einen harten Gegensatz zum reichbesiedelten, industrieregsamen und feldbaureichen lausitzcr Land er kennen läßt. Der Abstieg ist ein sanff fallender, sonnbekringeltcr Waldweg. Au sonnigster Stelle ziehen Ameisen in Früh lingsprozession über den Weg, an einer Waldblöse äugen Rosetten praller Fingerhüte zum Licht. Beim Austritt hat man einen der schönsten Blicke auf Oppach und seine weite Verzweigung. Der markante, mehrstöckige Industriebau paßt nicht ins ländliche Bild, gibt aber dem Ort eine neue Betonung. Zwischen dem Gasthof Erntekranz und dem ge fürchteten Wurbisschlangenberg wird die Straße nach Bautzen überquert. Sie ist ein wichtiger Übergang über den mittellausitzer Höhenzug. Von neuem steigt der Weg an den Abhängen des Pickaer Berges empor. Im Süden, weit entfernt, liegt Neugersdorf, die junge Grenzindu striestadt mit seinem neuen Wasserturm und den vielen Essen höhenhaft und horizontbegrenzend neben dem Schlechteberg. Zu Füßen ein erquickend liebliches Bild: tiefer Talgrund, lenzgrüne, blumige Wiesen, saubere kleine Häuschen, Walddunkel im Halbrund, Feiertagsstille selbst Är.§ am Werktag, das ist Picka, ein Idyll. Am steigenden Wege wuchten wild und chaotisch bemooste Granitblöcke, eine wahre Urweltlandschaft. Baumriesen finden unentwurzel- baren Halt darin. Damit der Frühling auch in diesem finsteren Waldgrund cinkehren kann, hat die Forstverwal tung für einen herrlichen Lärchensaum gesorgt. Manche dieser wcichnadligen Geschöpfe Floras sind schon in jugend gereiftem Alter und stellen liebeheischend ihre purpurroten und wild romantisch duftenden Staubblüten zur Schau. Ein Zweiglein mußte mitgehen. Es löste auf der Heim fahrt ob seiner „fremdländischen" Blüten Staunen aus. Ja, es ist Schande und Schaden für jeden, in der Heimat ein Fremdling zu sein. Auf den Kälbersteinen türmt sich der Granit zu natürlichem Aussichtsturm. Wenn der Blick auch nicht allseitig, der Nordausschnitt mit dem heroischen, landbeherrschenden Bautzen und seinem tiefen Hintergrund entschädigt allein. Czorneboh, Döhlener Berg, Drohmberg kontrastieren dunkel und wölbungsweich gegen die lenz sonnbeglänzte, im Petriturm spitzreckige und doch weitaus ladende Wendenlandvorstadt Bantzen. Aus weiter dunstiger Ferne äugt ein Teich im Sonnenglast. Der einsam Emp findsame vermißt das Gasthaus dieses Gipfels nicht. Für Picknickfreunde mag die lehrhafte Spruchtafel am Baume angebracht sein: „Begrüß den Wald als Lebensspender, und schütze ihn vor Not und Schänder. Damit kein Waldbrand werde draus tritt Zigarettenstummel aus. Wirf auch kein brennend Streichholz weg, in trocknen Zeiten brennts vom Fleck. Und sind sehr selten dann zu halten des Waldesbrandes Glutgewalten. Auch sind dem Walde keine Zier zerbrochne Flaschen und Papier." Bei dem steilen Abstieg zwischen hochstämmigen, dunk len Nadelwalde denkt man an Adalbert Stifters „Hoch wald". Schon lugt die Spreeaue. Unmittelbar am Walde rauscht der Kottmarfluß, ansehnlich breit schon, aber indu strieschmutzig und arbeitsverbraucht wälzen sich seine Flu ten der mittelalterlichen Stadt Bautzen entgegen. Zeitiger als im südlichen Berglanü hat sich an ihrem Schirgis- walder Saum der Frühling eingenistet, man sagt eine Woche zuvor. Die rote protestantische und die bergstolze zweitürmige katholische Kirche geben dem Ort trotz seiner Talgebundenheit etwas Majestätisches, Himmelstrebendes. Erbgerichtsbau, Schule und der Anbau der Turnhalle geben ihm modern-deutsches Gepräge und ohne das könnte man Schirgiswalde — der Markt zeigts in seinem ganzen Ge habe — durchaus böhmischen Charakter nicht absprechen. Es gehörte ja auch einst zu Böhmen. Sinnvoll haben des Ortes Bewohner es verstanden, unter einer großen deutschen Eiche die Ehrenmäler ver gangener Kriege zu vereinen. Die Jugend unsrer Tage mag dies Symbol aufrütteln, stets für Einheit, Einigkeit in Heimat und Vaterland ihre Kraft und Arbeit einzu setzen. Mit diesen Abschiedsgedanken schreiten wir zum ver steckten Bahnhof und tragen im Herzen ein köstliches Früh lingserlebnis in ruhlose Arbeitstage. Noch lange dies Lenzbild geliebten Heimatlandes bewegend, lassen wir uns durch Emanuel Geibels Wort voll Hoffnung zu neuem Sehnen, neuem Wandern bange Tage vergolden: In die Heimat möcht ich ziehen, in das Land voll Sonnenschein. Oswald Gebauer, Neueibau. Das Dezugsgeld für d!e „Helmatzettung" ist stets im Voraus oder zu Beginn eines jeden Vierteljahres zu entrichten. Die Einzahlungen können au die Geschäftsstelle oder auf Postscheckkonto Amt Leipzig Nr. 27 634 erfolgen. Oberlaufltzer HeimatzeitunZ