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Walpurgisnacht die letzten dunklen Winterreste, symboli siert in einer Hexe, zu verbrennen, und es ist unvergleich lich schön, den Abend etwa in der Heide zu erwarten, die Frühlingsgesänge und den Jubel der Menschen von ferne zu hören und die aufflammenden Feuer als Fanale des Frühlings zu grüßen. Die Blüten fallen über Dorf und Hütten. Der Flieder duftet süß und schwer. Die Erde er zählt spukhafte Nachtgeschichten von zerfallenen Schmieden, trunkenen Schenken und vom schlafenden Heer tm Hahne- berg. Aber der Morgen sieht das Land im Zauber der Er füllung, und wenn die ersten Vögel ihr zagend Lied be ginnen, jubeln die heimkehrenden Menschen durch Tau und Tag den großen Frühlingsgesang: Der Mai ist gekommen! Nun stellen die wendischen Dorfburschen (sie halten noch treu an Sitte und Brauch!) den Maibaum auf den Anger und behüten ihn tapfer vor den Burschen des Nach bardorfes, die ihn zur Dorfschande nächtens gern umsägen möchten. Ist der Maibaum aber bewahrt geblieben, so ist des Dorfes Ehre gerettet. Freude flattert nun in bunten Bändern, und der Maientanz beginnt. Nun wogen nud wuchern die Wiesen, die Saaten strotzen in Fülle und Kraft. Die Vögel werden stiller. Auf den Teichen erblühen die Rosen, die Lotosblumen der Hei mat. Die blauen Trauben der Glyzinen duften um Erker und Lauben. Der Wind weht sanfter durch das Land und trägt ein seltsam Ahnen in seinem Wesen. Die Berge rufen in den kühlen Schatten ihrer Wälder. Und die Heide lockt zu verlorenen Gängen in ihre große tiefe Einsamkeit. Das ist der Frühling in der Lausitz. Klein und gering liegt sie vor euch im deutschen Land, still, versonnen, manch mal wie eingesponnen in Ludwig-Richter-Geist und Mat- thias-Claudius-Fricden. Und ist doch groß und reich und vielgestaltig! Denn auch im Kleinsten und Geringsten lebt ein Stück Allgröße nnd Unendlichkeit, die der Frühling immer wieder offenbart. Auf der kleinen Fußgängerbrücke in Görlitz Hier stehe ich und schaue. Träge fließt die Neiße. Ihre Ufer hat die Stadt besiedelt. Sie steigt hinab und hinauf am Fluß. — Die Peterskirche beherrscht das Bild. Über dem machtvoll gotischen Bau leuchtet das grüne Platinadach, nnd die zwei Türme mit ihrem steinernen Zierschmuck wei sen zum Himmel. Da überbrückt der hohe Brückenbogen den Fluß. Kleine, alte Gerberhäuschen stehen nahe am Fluß. Sic spiegeln sich im Wasser. Der Nabenberg steigt bergan mit seinen Einfamilienhäusern und den schmucken Gärten darum. Am Flußsaum das kunterbunte Bild alter Gassen, spitziger Giebel, kleiner Fenster, niedriger Türen. Ein Dächergewirr,- die alte Stadtmauer ist nicht weit vom Wasser. Moderne Fabrikanlagen mit hohen Schornsteinen sind die Vertreter der neuen Zeit. Stromab schließt eine hohe, grüne Ufcrwand das Flußtal. Da oben liegt der Kirchhof. Die lichte Ferne gibt dem Fluß das Geleite. Stromauf schaut mit schönen Parkanlagen die Nuhmeshalle, eine Fürstin mit reichen Schatzkammern. — Aus dem Zweig gewirr der Bäume tauchen die mächtigen Bogen des Via dukts. Ein Stück davor die Reichenberger Brücke. Ihr zur Seite, im Grund, die Stadthalle. Putten und Amoretten schlingen den Reigen. — Auf der Brücke ist alles so nahe, das Alte und das Neue, Vergangenheit und Gegenwart. Da merkt man garnicht, wie das Wasser fließt, man steht über dem Fluß auf der Brücke von Nfer zn User. Marg. Reichel-Karsten. Oskar Schwär: „Die lieben Mitmenschen" (Uraufführung in Großschönau) Der geräumige Weinhaussaal zu Großschönau ist schon manchesmal die Stätte bedeutungsvoller und erhebender Veranstaltungen gewesen, aber nicht in jedem Falle war eine so illustre Gesellschaft dort versammelt, wie am 6. April und nicht oft hat sich in den für die kritischen Scharfrichter bestimmten Stuhlreihen eine ähnliche Fülle führender Geister im Reiche der Heimatkunst ein Stelldichein gegeben. Eine in eingeweihten Kreisen schon länger bekannte dra matische Schöpfung unseres liebenswürdigen Oskar Schwär, des bekannten Erzählers und ersten Vorsitzen den der Gesellschaft für Lausitzer Schrifttum, sollte erstmalig das Licht der Rampen erblicken. Es handelte sich um die drciaktige oberlausitzer Bauernkomödie „Die lieben Mitmenschen", die ursprünglich eine ausgesprochene Tragödie war und sich in dieser Form „Alwine" be titelte. Bei der Umarbeitung des Werkes hat der Verfasser einen wesentlichen Anlaß des tragischen Konfliktes fallen gelassen und dem Ganzen einen versöhnlichen Ausgang ge geben. Man braucht das durchaus nicht als ein Zugeständ nis an den Geschmack des Publikums aufzufassen. Der ver änderte Standpunkt des Dichters läßt sich ohne Zweifel mit bestimmten Gründen rechtfertigen,- trotzdem können wir den Eindruck nicht verhehlen, daß sich der Verfasser damit starker dramatischer Wirkungen begeben hat. Dessen un geachtet fand das Werk im vollbesetzten Saale eine un gemein freundliche Aufnahme, und Oskar Schwär darf auf seinem Konto einen sehr bemerkenswerten Offentlich- keitserfolg verbuchen. Er wurde nach dem zweiten Aufzug und am Schlüsse auf die Bühne gerufen und der Gegen stand herzlicher Ehrungen. Der Erfolg wäre sicher noch viel sinnfälliger geworden, wenn die Aufführung nicht in letzter Stunde durch unab wendbare Zufälligkeiten ernstlich gefährdet worden wäre. Die Spielerschar Volksspielkunst Großschönau, die zu den leistungsfähigsten ihresgleichen gehört und schon manche bewundernswerte künstlerische Leistung zu verzeichnen hatte, war dadurch in arge Bedrängnis geraten, daß der Darsteller der männlichen Hauptrolle, dem gleichzeitig die Spielleitung oblag, kurz vor der Aufführung durch ernst liche Erkrankung an der Mitwirkung verhindert war und außerdem auch eine wichtige Frauenrolle umbesetzt werden mußte. Angesichts dieses Umstandes ist es ohne weiteres entschuldbar, daß sich bei den Darstellern zeitweilig eine ge wisse Unsicherheit geltend machte, wodurch das Spieltempo eine Beeinträchtigung erfuhr. Trotzdem darf die Wieder gabe alles in allem als sehr gut bezeichnet werden. Eine Anzahl der Hauptrollenvertreter stellte ganz prachtvoll echte Typen. Die Leistungen aller Darsteller^ gebührend zu wür digen, ist bei der großen Anzahl der Mitwirkenden zu unserm Bedauern nicht angängig. Anerkennende Erwäh nung darf zunächst Max Krause beanspruchen, der als Retter in der Not mit geschickter Hand die Zügel der Spiel leitung ergriffen hatte und außerdem als vielbegehrtcr Kurpfuscher für Vieh und Menschen ein köstliches Pastell bildchen lieferte. Recht gut entwickelte sich nach anfänglicher Befangenheit Felix Sommer, der in der tragenden Rolle des Martin in letzter Stunde eingesprungen mar. Auch Liesbeth Berndt führte die Hilfsweise übernom mene Partie der Christel Stoll mit bemerkenswertem Ge lingen durch. Überwiegend hervorragend war die ursprüngliche Be setzung der wesentlichen Nollen. In erster Linie interessierte Elise Herrmann als Vertreterin der bemerkenswert sicher