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völlig unberührt. Dagegen fraßen sie mit Vorliebe Obst, milchendes Getreide, Rüben, Möhren, Sellerie, Pastinak wurzel, fleischige Stengelteile, Wurzeln von Wasserpflanzen usw. Mit diesen Feststellungen decken sich auch ähnliche in Freiheit gemachte Beobachtungen. So ließen sich beispiels weise wilde Enten und Wasserhühner durch auf dem Teiche spielende Bisamratten nicht im geringsten stören, sondern schwammen sorglos in deren unmittelbaren Nähe umher. Selbst dann, wenn eine Bisamratte mitten unter eine Schar Jungwildenten geriet, ergriffen diese nicht die Flucht, sondern nahmen gar keine Notiz von ihr. Wie ganz anders hätte sich das Wassergeflügel doch benommen, wenn es in der Bisamratte, die in dem betreffenden Beobach tungsgebiet keineswegs eine seltene Erscheinung war, einen argen Feind und Räuber gesehen hätte! Die wenigen Fälle, tu denen beobachtet werden konnte, daß sich die Bisamratte gelegentlich an animalischer Nah rung vergriffen hat, sind demnach stark verallgemeinert worden. Es handelt sich bei derartigen Beobachtungen ledig lich um Ausnahmefälle, in denen sich die Bisamratte ge wissermaßen genötigt sah, Fletschnahrung anzunehmen. Von einem erheblichen Schaden in der Fischzucht, Krebs zucht sowie der Wasserjagd durch die Bisamratte kann in folgedessen gar keine Rede sein. Somit wären wir bei der vielumstrittenen Frage der wirtschaftlichen Bedeutung der Bisamratte angelangt. Es ist selbstverständlich nicht abzustreiten, daß die Bisamratte durch die Lieferung ihres geschätzten Pelzwerkes zunächst einen gewissen wirtschaftlichen Nutzen abwirft. Dabei herr schen jedoch vielfach noch große Meinungsverschiedenheiten über die Bewertung des europäischen Bisamrattcnbalges, und immer wieder taucht bas Märchen von der Wertlosig keit des europäischen Bisampelzes auf. Wenn auch zuzu geben ist, daß die kanadischen Winter kälter sind als die unsrigen, so reichen die Kältegrade unserer Winter zweifel los aus, um eine Entartung und somit Wertverminderung des Balges bei uns nicht Zustandekommen zu lassen. Bon Natur aus sind die europäischen Bisamrattenbälge den amerikanischen durchaus gleichwertig, was fachmännische Vergleiche zwischen guten kanadischen Bälgen und Winter fellen von im Januar bei uns erlegten Bisamratten er geben haben. Die Ursachen, die den europäischen Pelz an Wert verlieren lassen, sind demnach andere, als das angeb lich zu milde Klima, und zwar haben wir diese in der ver schiedenen Jahreszeit, während der die Bisamratte erlegt wird, zu suchen. Während die Vereinigten Staaten die Bisamratte für jagdbar erklärt haben und ihr eine 7^- monatige Schonzeit gewähren, so daß dort das Tier nur in der kalten Jahreszeit erbeutet werden darf, besteht bei uns die gesetzliche Verordnung, daß die Bisamratte zu jeder Jahreszeit erlegt werden darf und muß. Da nun die Aus übung der Jagd während der ivarmen Jahreszeit wesent lich leichter ist, als im Winter, so gelangen bei uns vor wiegend minderwertige Sommerfelle in den Handel! Weiterhin kommt noch hinzu, daß die Bisamratte bei uns zu einem ganz beträchtlichen Teile geschossen wird, während sie dagegen in Amerika vorwiegend gefangen wird. Der geschossene Balg kommt jedoch ohne weiteres in die zweite Wahl. Dies sind also die eigentlichen Ursachen, weshalb die europäischen Bisamrattenfelle als minderwertiger gel ten! Daß der volkswirtschaftliche Wert, den wir aus dem Bisampclzhandel ziehen, durchaus beachtlich ist, geht schon ans der Tatsache hervor, daß allein in den Jahren 1926/27 in Leipzig 1600 000 Bisamrattenbälge gehandelt wurden. Eine weitere Nutzung ist auch aus dem Fleisch der Bisamratte zu ziehen. In Amerika wird das Fleisch von allen Schichten der Bevölkerung sehr gern gegessen, und man kann es in beinahe jedem Hotel auf der Speisekarte verzeichnet finden. Der Geschmack soll, nach verbürgten Angaben, durchaus angenehm sein und je nach der Zu bereitung dem des Wildkaninchens oder dem des Schweine fleisches ähneln. Bei uns wird das Fleisch der Bisamratte allerdings nur selten gegessen, da man sich vorurteilsvoll an dem Namen „Ratte" stößt. — Außerdem bliebe noch zu erwähnen, daß der in den Analdrüsen enthaltene Zibeth in der Parfümerie Verwendung findet. Dieser dargelegte Nutzen sieht zunächst für sich allein betrachtet zweifellos ganz verlockend aus. Man sollte dabei aber ja nicht vergessen, daß er den von der Bisamratte ge stifteten Schaden bei weitem nicht aufwiegt! Man hat bei der Einbürgerung des Nagers in Europa völlig vergessen, die kulturellen Unterschiede der amerika nischen und europäischen Gebiete, in denen die Bisamratte vorkommt, mit in Betracht zu ziehen. Heute, nachdem sich die Einbürgerung über 20 Jahre ausgewirkt hat, ist man sich darüber völlig im klaren, daß die Bisamratte zwar in Sen weiten, versumpften und kulturlosen Fluß- und Seen gebieten von Nordamerika weniger Gelegenheit findet, durch ihre Wühlarbeit bedeutenden Schaden anzurichten, daß sie jedoch unseren europäischen dichtbesiedelten und wirtschaftlich stark ausgenutzten Kulturboden sowie unseren hochkultivierten wasserwirtschaftlichen Verhältnissen durch ihre unablässige, rege Wühltätigkeit recht empfindlichen Schaden zuzufttgen vermag. Sie entwickelt bei ihrer Wühl arbeit eine geradezu erstaunliche Emsigkeit und einen zu bewundernden Fleiß, sodaß sie für jede Art von Wasser wirtschaft eine ganz außerordentliche Gefahr bedeutet. Teichdämme, Uferböschungen, in der Nähe von Wasseranlagen befindliche Straßen- und Eisenbahndamm bauten sowie jegliche Dämme und Deiche fließender und stehender Gewässer werden von der Bisamratte unter wühlt und zerstört. Selbst Brücken sind durch sie gefährdet. Eine besondere Gefahr liegt dabei noch darin, daß Dämme und Deiche, die von außen noch völlig in Ordnung er scheinen, in Wirklichkeit so stark kreuz und quer unterhöhlt und angebohrt sind, daß bei Betreten der unterwühlten Grundstücke und Dämme durch Weidevieh oder auch bei Befahren derselben mit Gespannen schon wiederholt Durch brüche der Bodendecke und damit Beinbrüche der Nutztiere vorgckommen sind. Ein weiterer Schaden des Nagers liegt in der starken Beunruhigung und Störung der Fische im Winter sowie zur Laichzeit. Wenn auch die Bisamratte, wie bereits weiter oben aüsgeführt, sich an den Fischen zwar nicht vergreift und sic auch nicht anfällt, so hat die dauernde Störung der Fische, die während der Winterruhe auf engem Raum dicht zusammengedrängt stehen, nachgewiesenermaßen große Stück- und Gewichtsverluste zur Folge. Wenn man all das über den Nutzen und Schaden Ge sagte zusammenfaßt, und sich nochmals vergegenwärtigt, daß durch die Bisamratte große Verluste an wirtschaftlichen Werten entstehen, so dürfte wohl kein Zweifel darüber herrschen, daß wir die Bisamratte bei uns nie und nimmer als Nutztier betrachten können und sie daher mit allen uns zu Gebote stehenden Mitteln auf das Schärfste bekämpfen müssen. Dies haben auch unsere Regierung sowie sämtliche Behörden sehr bald erkannt und haben sofort energische Maßnahmen ergriffen, um einer weiteren starken Verbrei tung des Schädlings entgegenzuarbeiten. So sind in den verschiedenen Befallsgebieten staatliche und amtliche Bisam jäger eingesetzt worden, die die Bekämpfung durchführen. Wenn es auch nicht möglich sein wird, die Bisamratte bei uns völlig wieder auszurotten, so muß es doch unbedingt gelingen, die Vermehrung fortlaufend soweit zu unter drücken, daß der volkswirtschaftliche Schaden in erträglichen Grenzen bleibt. Die Bekämpfungsmethoden sind verschiedener Art und bestehen in Fang, Abschuß, Ausgraben und Ausränchern. Der Abschuß der Tiere hat sich bei uns sehr gut bewährt, auch hat man durch Ausgraben der Mutterbaue unter