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am mißt, ist die Bisamratte ein Nager von recht beacht licher Größe. Ihre Körperlänge beträgt einschließlich des Schwanzes bis zu 60 ein, durchschnittlich jedoch nur etwa SO bis 86 ein,' wobei auf den Schwanz allein etwa 20—28 vrn entfallen. Es ist somit bei ihr das oft austretcnde Zwei- Drittel-Längenverhältnis zwischen Körper und Schwanz vorhanden, wie wir es auch beim Biber vorfinden. Über haupt erinnert die Bisamratte in ihrem Aussehen sowie zum Teil auch in ihrer Lebensweise stark an den Biber. Sie besitzt, ähnlich wie dieser, einen langen, nur an der Wurzel runden, im übrigen aber seitlich zusammengedrück ten Schwanz, der gegen das Ende zweischneidig und nur spärlich behaart ist. Auch bei ihr sind die Hinterfüße be deutend länger und kräftiger als die Borderfüßc. Die fast gänzlich im Pelze versteckten Ohren sind klein und kurz und im Wasser verschließbar. Am Hinterleibsende besitzt die Bisamratte zwei kleine Drüsen, die eine stark nach Zibeth riechende ölartige Flüssigkeit absondern, die zum Anlocken der Geschlechter während der Paarungszeit dient. Die Grnndfärbnng ist braun, wobei die Unterseite jedoch stets etwas Heller, zuweilen sogar gelblich bis grau gefärbt ist. Die mit Schwimmhäuten versehenen Hinterfüße sowie der ruderartig gebaute Schwanz lassen schon darauf schließen, daß die Bisamratte ein echter Wasserbewohner ist, und tat sächlich spielt sich ihr Leben und Treiben in der Hauptsache im Wasser ab. Wie anfangs bereits erwähnt, ist die Bisam ratte kein Vertreter unserer heimischen Tierwelt, sondern ist erst in jüngster Zeit in Europa eingeführt worden. Als Ausgangspunkt für die Ausbreitung der Bisam ratte haben wir die Tschechoslowakei zu betrachten. Im Jahre 1906 ließ der Fürst zu Collorebo-Mannsfeld auf seiner Domäne Döbrisch, südwestlich von Prag, einige Pärchen der in Nordamerika heimischen Bisamratte aus setzen. Vermutlich erblickte er in der Einführung und An siedlung dieses, in seiner Heimat so geschätzten Pelztieres, eine wesentliche wirtschaftliche Bereicherung des europä? ischen Pelzmarktes, und sicherlich war es ganz gegen seine Absicht, daß er, mit der Einbürgerung der Bisamratte in Europa, den Grund zu einer geradezu katastrophalen Aus breitung dieses Schädlings legte. Dank der ungemein star ken Vermehrungsfähigkeit der Bisamratte gelang die Ein bürgerung ganz ausgezeichnet, und schon innerhalb kurzer Zeit drang sie von Böhmen über Nieder- und Oberöster reich und Bayern bis nach Sachsen und teilweise bereits auch nach Schlesien vor und hat sich trotz schärfster Bekämp fung in allen Gebieten außerordentlich zahlreich erhalten. Wie groß die Fortpflanzungsfähigkeit der Bisamratte ist, geht daraus hervor, daß nach erfolgten Beobachtungen jährlich durchschnittlich drei Würfe stattfinden, wobei 7—12 Junge die Regel sind. So folgt daraus schon rein rechne risch ohne weiteres, daß bei einer jährlichen Nachkommen schaft von 28—40 Tieren nur eines einzigen Paares, ein einmal in Besitz genommenes Gebiet ungeheuer schnell überschwemmt und nicht ohne weiteres wieder zu ent völkern ist. Eine Schätzung aus dem Jahre 1916, also erst 10 Jahre nach der Einbürgerung der Ratte, besagt, daß die Nachkommenschaft der ursprünglich ausgesetzten etwa 10 Pärchen bereits mindestens 10 Millionen Stück betrage! Eine weitere Folge der starken Vermehrung ist die, daß nachfolgende Generationen gezwungen werden, auszu wandern, um sich nach neuen Weide- und Wohnplätzen um zusehen. Die intensive Ausbreitung des Nagers ist außer in der starken Fortpflanzungsfähigkeit noch in dem ihm innewohnenden, unbezähmbaren Wandertriebe zu suchen, der das Tier veranlaßt, von Zeit zu Zeit seine bisherige Berbreitungsgrenze sprunghaft bis zu 80 Kur weit vor zuschieben. Dies geschieht im Frühjahr und Herbst einzeln oder auch trupp- und familienweise in nächtlichen Wande rungen, wobei sie, soweit es irgend möglich ist, den natür lichen Wasserwegen folgen und sich tagsüber in den zahl reichen Schlupfwinkeln der Ufer verborgen halten. Hat die Bisamratte sodann ein ihr zusagendes Gelände ausfindig gemacht, so wird sie seßhaft und legt ihre Wohn stätte stets unmittelbar in der Nähe des Wassers an, wobei sie Teichdämme und sonstige dammartige Erhöhungen, Uferböschungen von ruhigen, reich mit Schilf und Wasser pflanzen bewachsenen Gewässern, wie Seen und tote Fluß arme, ganz besonders bevorzugt. Aber auch in Kanälen, Strömen und kleineren Bächen siedelt sie sich an. Ihre Sommerwohnstätte besteht in einem Erdbau mit verzweig tem Röhrennetz, und zwar legt sie für gewöhnlich ihren Bau so an, daß sie von der Wasserseite her ein oder auch mehrere, unter Wasser beginnende Röhren gräbt, die dann über dem Wasser im trockenen Erdreich meistens kessel förmig enden. Die meistbcgangenen sogen. Hauptröhren weisen durchschnittlich einen Durchmesser von 15 bis zu 28 onr auf. Einige engere Röhren, Sie als Luftkanäle dienen, werden von dem Kessel ans nach oben gegraben, deren Öffnungen sorgfältig mit Grasbüscheln verdeckt werden. Oft gräbt sie von einem Kessel ans noch weitere Seiten röhren, die ebenfalls wieder in einem Kessel enden und schafft somit ein weitverzweigtes, dichtes Netzwerk von Röhren, das mitunter auf große Strecken das Ufergelände durchzieht und unterhöhlt. Oftmals werden aber diese Dammwohnungen durch mißliche Wasserverhältnisse im Winter unbrauchbar, was die Bisamratte zum Bau ihrer Winterburg veranlaßt. Diese besteht aus Wasserpflanzen, Schilfstengel und Teichgras und wird in kuppelförmiger Gestalt im Teiche errichtet. Der Durchmesser einer solchen Burg, die oft bis zu einem Meter über die Wasserober fläche hinausragt, beträgt etwa 11L m. Man nimmt viel fach an, daß diese sogen. „Burgen" nicht ausschließlich Wohn zwecken dienen, sondern vielmehr ähnlich wie die Burgen des Bibers, auch Vorratsspeichcr für den Winter darstellen. Da sich die Bisamratte tagsüber größtenteils versteckt hält, ist sie, wenn sie in ein Gebiet eingewandert ist, an fangs gar nicht so schnell zu bemerken. Für den scharfen Beobachter bieten sich jedoch einige Anhaltspunkte für die Anwesenheit der Tiere. Einmal läßt eine länger anhal tende Trübung des Uferwnsscrs, durch die rege Wühltätig keit des Nagers verursacht, auf das Vorhandensein von Banen schließen, und weiterhin verraten die in der Nähe der Wohn- sowie Nahrungsplätze auf dem Wasser umher schwimmenden abgebisscnen Pflauzcnteile und Abbissc von jungen Trieben seine Anwesenheit. Was die Nahrung des Nagers anbetrifft, so sind hier die Meinungen schon des öfteren gegeneinandergeprallt! Die einen halten die Bisamratte für einen ausgesprochenen Pflanzenfresser, die andern behaupten dagegen, daß sic sehr wohl auch ein starker Fleischfresser sei. Es würde zu weit führen, diese Frage in ihrer Gesamtheit an dieser Stelle erneut aufzurollcn,' soviel steht jedoch heute auf Grund zahlreicher Magenuntersuchungcn auf alle Fälle fest, daß die Bisamratte sich vorwiegend, ja sogar fast ausschließlich von Pflanzcnstoffcn ernährt. So konnte man bei mehr als 800 vorgenommenen Magenuntersuchungcn ausschließlich nur vegetarische Nahrnngsrestc und nie irgendwelche Fisch reste feststellen. Keinesfalls kann man dabei etwa den Ein wand gelten lassen, daß die Fleischnahrung, insbesondere Sie Fische, bereits immer verdaut gewesen sein konnten,' denn gerade Schuppen und Fischgräten lassen sich mit ziem licher Sicherheit und Leichtigkeit nachweisen nnd können unmöglich bei reichlich 600 Untersuchungen übersehen wer den. Auch bei den gerade in Sachsen sehr zahlreich vor genommenen Untersuchungen der Baue konnte man keiner lei animalische Nahrungsreste vorfinden. — Um in der An nahme, daß die Bisamratte ein ausgesprochener Pflanzen fresser sei, ganz sicher zu gehen, stellte man weitere Be obachtungen an gefangen gehaltenen Bisamratten an. Auch hierbei ergab sich dasselbe Bild, Fleischnahrung wie Fische, Telchmnscheln, Schnecken, Wassergeflügel und selbst Hühner eier wurden vou ihnen nicht angenommen, sondern blieben