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Nr. 6 Und wenn sie dann abends im warmen Stübchen sitzen, die Löbauer, da reden sie noch von dem märchenschönen Berge, da schwärmen Jungen und Mädels von seiner küh nen Rodelbahn. Da fragt die Mutter: „Ob wohl noch ein Berg in der Welt so lieb und schön ist wie unser Berg?" „Unser Berg", das ist es. * Und ob er nicht unter seinesgleichen ebenso verehrt wird? In respektvoller Entfernung umstehen sie ihn im Kreise: in großbäuerischer Breitspurigkeit der Kottmar, voll Todesgedanken der Sargträger, der dunkle Hutberg, mit gar wichtiger, seiner großen Geschichte entsprechenden Miene der greisenhafte Czorneboh mit seinem geduckten Gefolge, elegisch der einsame Stromberg, würdig und sehr ernst der Rothstein, bald demütig und still, bald mutiger und froher all die kleinen Nachbarn. Inmitten unser Berg, das Bild heiterer Anmut. Er läßt sich lächelnd ihre Parade gefallen und grüßt über ihre Köpfe Hinweg die Lausche, die Landeskrone, Jser- und Niesengebirge. Altersgraue Häuser Die alten Häuser in der Stadt haben mit den alten Leuten in der Stadt vieles gemeinsam. Sie sind in den Straßen verteilt, wie Jugend und Alter unter den Men schen, wie die Armut unter dem Wohlstand. Beides läßt sich nicht streng begrenzen. Wo hört Jugend oder Armut auf, wo beginnt Alter oder Wohlstand? Was aber, wenn ringsum das lebendigste Leben braust, wächst und reift und mittendrin Seelen, Häuser und alte Leute kümmern —, weil man sie verlassen hat! Das ist wie mit der großen Sehnsucht derer, die gern sterben möchten und für die die Zeit noch nicht gekommen ist. Alle Alterserscheinnngcn sind ihnen eigen. Irgendein Gesetz bestimmt ein „Halt", ein Ausruhen, wodurch die Heranwachsende Generation einen Vorsprung gewinnt. Trotz der Erfahrungen und Erkenntnisse, die das Alter hat. Das gilt auch von den altersgrauen Häusern, die einstens auch jung und kühn in das Leben hinetnblickten, nur Zukunfts möglichkeiten sahen und stolz das Leben bejahten, wie die Heutigen es tun. Wellenlauf, Lebenslauf — darin hat sich gar wenig ge ändert. Wir haben wenig Grund, das Tempo unserer Zeit zu verachten. Wer Ehrfurcht vor dem Alter hat, braucht vor der Jugend nicht zu zittern. Darum stehen die ver lassenen Häuser in Wahrheit garnicht verlassen da. Sie schauen zurück auf ihre Geschichte, auf frohe oder bittere Erlebnisse und Eindrücke,' in Erinnerung an die einstige Rüstigkeit, an beschauliche und festliche Stunden. Über Ver weilen, Ausruhen und überdenken all das, was war und nimmer wiederkehrt, rostet das kunstvolle schmiedeeiserne Tor in den Angeln, werden die Fenster blind, die Fassaden farblos — und der Wind beeilt sich, sich im morschen Gebälk zu verfangen und in disharmonischem Sang seine Jahres zettlieder anzustimmcn. Sie ruhen aus, die alten Häuser — die alten Leute — währenddes wird das Herz müde und die Augen schwach, Furchen tiefen sich in die Stirn und das brausende Leben beeilt sich, die festverwurzelten Anschau- ungen vom Mutterboden loszulösen. So stehts um die verlassenen, altersgrauen Häuser und Menschen und sonstige vergängliche Dinge. Die Probleme von außen können — und sollen auch nicht — an sie heran. Das ist ja das große Verstehen: Einsicht haben! Denn Jugend, Zeit, Leben verlangt nicht nach der Muße des Ausruhens, es erscheint alles so rücksichtslos und grob und ist im Grunde das gleiche, was unsere Vorfahren vor uns waren: nämlich jung und Kinder ihrer Zeit! Sie waren die Produkte eines Baustils, einer Lebensauffassung und einer Lebensanpassung schlechthin — eben dieser Periode. Daß Werben, Wachsen, Entwickeln, Altwerden und 69 Heranwachsen erst ihre Erfahrungen und Erkenntnisse sum mierte, ist ja ein naturuotwendiges ungeschriebenes Gesetz — ist das Geschick, was auch uns Heutigen, unserer Zett, wartet. Und auf einmal wird sich dieses Geschick erfüllt haben, und wir werden darob nicht sonderlich erfreut sein. Und dann werden wir irgend etwas wesensverwandtes fühlen mit den altgewordenen Häusern, die in den Straßen der Stadt stehen. Wo sie nicht überall anzutreffen sind, die altersgrauen, halbverlassenen, unmodernen, die lebensmüden Kinder einer unverstandenen Zeit! Mitten zwischen den zeitgemäßen, breitsenstrigen Bauten, neben den jungen, gesunden, un bekümmerten Nachbarn. Und die alten Zeitgefährten, die Sozial- und Kleinrentner, die vorzeitigen Arbeitsinvaliden, die Vertreter eines einstigen besitzenden Bürgertums, schleppen sich durch diese vertrauten, aber sehr veränderten Straßen, und sie schauen an den altersgrauen Häusern empor und wissen von jedem Haus eine Geschichte. Sie könnten von schmucken Patrizierhäusern, von stolzen Familienwappen, von den gewölbten Gängen, von feuer sicheren und kalten Kellergeschossen erzählen,' von der schril lenden „Ziehbimmel", vom „Klopfer" am Tor, von dem Erker und dem Spion am Fenster, schließlich auch von dem schmiedeeisernen Tor und den Handwerkszünften er zählen, wenn — ja wenn es sich noch verlohnte — wer hört überhaupt noch auf die Geschichten der Alten Johannes Schieber. Erreichtes und Gewolltes Betrachtungen zu der an die Vereine ergangenen Vereins statistik und zu den cingereichten Tätigkeitsberichten Am 18. Februar v. I. schloß der Berichterstatter seine Ausführungen zur Vereinsstatistit mit dem Wunsche, daß er in diesem Jahre von Erfolgen bei den damals behandel ten Fragen berichten könne. Und heute kann er mit Freu den feststellen, daß es mit den Verbaudsvereinen weiter vorwärts gegangen ist, und das in einer Zeit, die voll ist von Schwierigkeiten aller Art und die außerdem für gei stige Volksbilouug nicht allzuviel übrig hat. Rein äußerlich zeigt sich das Vvrwärtsschreiten des Verbandes schon in der Gewinnung zweier neuer Verbandsvereine, Bertsdorf und Bischofswerda. Mit dem leistungsfähigen Berkehrs- uud Verschönerungsverein von Bischofswerda ist die Lücke zwischen Neukirch und Pulsnitz etwas geschlossen worden. Ein vorläufiger Verlust steht allerdings dem gegenüber: der Gebirgsverein Waltersdorf ist aufgelöst worden und ist in die Ortsgruppe des Hochwald-Lausche-Gaues über gegangen. Es steht aber bestimmt zu hoffen, daß diese rüh rige Ortsgruppe in allernächster Zeit dem Verband bei tritt. Aus diesem Grunde sind auch die leitenden Vorstands personen bereits in das Verzeichnis ausgenommen worden. Bedauerlich bleibt, daß es noch nicht gelungen ist, den starken Reichenauer Gewerbeverein, der eine vorbildliche Vortragstätigkeit pflegt, zum Verbandsbeitritt zu bewegen. — Erfreulicher ist das innere und äußere Wachstum der Verbandsvereine selbst. Die Mitgliederzahlen sind bei einer großen Anzahl von Vereinen weiter gestiegen trotz der oben angegebenen Hemmungen. Nur ein Verein hat grö ßere Verluste aufzuweisen. (Die betr. Vereinsleitung wird den Ursachen hierzu hoffentlich nachgehen.) Beinahe infla- tivnsmäßig ist das Wachstum des Seifhennersdorfer Hum- bvldtvereins. Wenn d. B. recht unterrichtet ist, steht Seif hennersdorf zur Stunde bereits an der Spitze aller Ver bandsvereine. Mit fast 9000 Mitgliedern bildet die Lusatia einen achtunggebietenden Faktor in der Heimat- und Volks bildungspflege der Lausitz. Es bleibt für die Verbands leitung allerdings noch viel zu tun übrig, um dieser Zahl die richtige Geltung zu verschaffen. Und wie steht es nun um die Stellung und innere Arbeit der Verbandsvereine. Voll Freude hat da d.B. fol- Gberlausitzer Heimatzeitung