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58 Gbsrlausitzer He!matzs!tung Är. 5 will die Lebenskraft des Eis auf die Flur übertragen, k) ich will mir selbst mit dem Fruchtbarkeitsträger viel zu tun machen, um durch Übertragung seiner Kraft teilhaftig zu werden, verloren ging und die Freude am reinen Spiel übrig blieb. Das Bautzuer Eierschteben wurde lange Zeit als einzig artig in Deutschland gefeiert. Seit Jahren trete ich in Vor trägen diesem Irrglauben entgegen. Ja, man kann sogar sagen, daß die Bautzner Entwicklungsform des Eierschie bens gegen das Brauchtum in andern Landschaften stark zerbraucht, entstellt ist. In kunstgemäßer Form, als wirkliches Spiel mit Regeln, finden wir das Eierschieben in der Niederlausitz. Es wird dort Waleien genannt (von walac — wälzen, kollern). In kunstvoller Weise wird eine Laufbahn für die Eier, die Walei, in den Sand gebaut oder im Rasen aus gestochen. Sie ist meist an einem Hange angelegt und hat die Gestalt eines gleichschenkeligen Dreiecks, das oben ab gestumpft ist. Die Bodenfläche ist schön glatt gemacht, so daß dem herabrollenden Ei kein Hindernis entgegensteht. Die Spielschar (Kinder oder Erwachsene) steht oben an der Bahn. Einer der Spieler stellt seinen Fuß vor die Lauf rinne. Jeder Mitspieler setzt ein Ei (hartgesotten, oft bunt) dahinter. Jetzt hebt der Spieler den Fuß. Die Eier rollen. Wessen Ei sich zunächst des Mittelpunktes der Dreiecks grundlinie befindet, beginnt das Spiel. Die Reihenfolge der andern wird nach der Entfernung ihres Eis von diesem Mittelpunkte bestimmt. Der erste Spieler nimmt sein Ei (die andern Eier bleiben liegen, wo sie zum Stehen kamen) und läßt es laufen. Trifft er ein Ei. hat ers gewonnen. Er darf so oft kollern, bis er einmal fehlt. Jetzt beginnt der Folgende in gleicher Weise. Neue Mitspieler können jederzeit eintreten. Durch geschickte Wahl des Eis, durch geschicktes Zielen und Ansetzen räumen manche die ganze Walei auf einmal aus und tragen ganze Taschen voll Eiern heim. In manchen Gegenden der Niederlausitz wird mit den Eiern um Geldbeträge gespielt. Der, dessen Et getroffen wird, muß einen festgesetzten Geldbetrag entrichten. Dann bleiben die gleichen Eier im Spiel. So wurde es auf dem Spielberge bei Lübben gehandhabt, wo von Palmarum bis zum weißen Sonntage waleienöe Gesellschaften anzutreffen waren (und wohl noch anzutreffen sind). Eierschieben mit Laufrinnen habe ich auch im Böhmer walde angetroffen. Dort werden die Zinken zweier Rechen ineinandergesteckt und die Rechenstiele geben die Lauf rinne ab. Über das sonstige Vorkommen des Eierschiebens in Deutschland seien nur noch einige Belege angeführt. In den Norddeutschen Sagen von Kuhn und Schwartz ist zu lesen: „In einigen Dörfern am Südharz werden bunte Eier am Ostertage eine abschüssige Wiese hinabgerollt und man läuft darnach um die Wette." Pröhle schreibt in seinen Sagen des Unterharzes: „Vom Stumpfrücken bei Ilsen burg wurden früher zu Ostern Eier heruntergerollt." Ja, auch Belege aus der englischen Volkskunde für entsprechendes Brauchtum liegen vor. Es ist kein Zweifel: Das Spiel mit dem Lebensträger, Eierschieben und Eier rollen, gehört dem urtümlichen Zauberglauben an und ist weit verbreitet. Die erste Erwähnung des Bautzner Eierschiebens (frühere Erwähnungen werden wahrscheinlich zu finden sein) habe ich in einem Bericht der Saxonia gefunden, die Dr. Sommer herausgab (Bd. 3, 1837, S. 17). Er lautet: „Als Volksfest der Stadt waren sonst der Walpurgisabend, wo die ganze Bevölkerung vor die Tore strömte, um sich an den Tänzen der auf den Gebirgen und Höhen mit Feuerbränden tanzenden Hexen zu freuen, und der erste Ostertag zu erwähnen, wo mittags jung und alt den Proitschenberg bestieg, und die Kinder der Stadt bunte Eier hinabrollten, um welche sich unter der untenstehenden Jugend der Vorstadt Seidau ein lebhafter, oft bis in den Fluß sich ziehender Kampf erhob." Der Bericht zeigt uns, daß in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts das Eierschieben eingestellt war. Darauf deutet das „sonst" hin. Weiterhin gibt er uns einen Fingerzeig, wie die Sonderform des Bautzner Eierschie bens entstanden ist. Diese Sonderform besteht darin, daß in Bautzen nicht eine Spielgesellschaft bas Spiel treibt, sondern das Schenkende und Beschenkte vorhanden sind. Die Seidauer sind in unserm Bericht die Beschenkten, die Bautzner Bürger mit ihren Kindern die Schenkenden. Daß dieser Sachverhalt kein ursprüngliches Verhältnis darstellt, ist offensichtlich. Wir gehen wohl nicht fehl, anzunehmen, daß das Eierschieben am Proitichenbergc ursprünglich ein Osterspiel der Seidauer Bewohner war, das sich in ganz ähnlichen Formen vollzog wie die oben angegebenen Be lege. Der Bautzner Bürger fand an diesem ländlichen Spiel Gefallen. Vom Zuschauer wurde er zum Spender. Die un verfälschte ländliche Spielform wurde dadurch umgebogen zu der Form, wie wir sie heute kennen. Die weitere Ent wicklung des Spieles, an Stelle der Eier traten Apfel sinen, Kuchen, alles Mögliche und Unmögliche, liegt in dieser Gegebenheit beschlossen. Aber nicht nur das Ei war unfern Ahnen Lebens- und Fruchtbarkeitsträger. In den Dörfern um Lobendem, Seb nitz, Wehrsdorf und in Cunewalde war das Schmeckostern gehen üblich. Die Jungen und Mädchen flochten sich Peit schen aus Weidenruten. Mitunter waren Schneeglöckchen oder Fichtengrün unten an die Ruten gebunden. Mit diesen Ruten zogen sie am Gründonnerstage oder am Ostermon tage von Haus zu Haus, schlugen an Türen und Fenster, schlugen, wie in Lobendau, wohl auch nach den Füßen der Leute und sagten: Wir kommen zum Schmeckostern. Sie heischten eine Gabe. Der erste Teil des Wortes Schmeckostern stammt aus dem Slavischen und ist noch in einem Polnischen smigec — schlagen, stäupen, erhalten. Schmeckostern würde also Schlagostern bedeuten. Die Weide ist ein Frühblüher. In ihr wird darum die erwachende Lebenskraft des Frühlings als besonders wirk sam empfunden. Durch den Schlag mit diesem Lebens behälter, dieser Lebensrute, wird die Fruchtbarkeit, die sic in sich trägt, auf den Geschlagenen übertragen. Er erfährt also eine Wohltat, die belohnt werden muß. Ich glaube, daß der Gründonnerstagsumgang unsrer Kinder in diesem Brauchtum seine Gruntlaue hat. In Wehrsdorf, Steinigtwolmsdorf, um Sebnitz z. B. trugen die Kinder bei ihrem Gründonnerstagheischegange neben ihrem Säckchen noch die Lebensrute. Sie führten zwar den Schlag nicht mehr aus, erhielten aber ihre Gabe. Da aber dem volkstümlichen Denken ursprünglich bloße Bettel umgänge fern liegen, da vielmehr hier der Grundsatz: eine Leistung erfordert eine Gegenleistung, gang und gäbe ist, ist es wahrscheinlich, daß auch in den Dörfern (z. B. in der Südlausitz), wo die Kinder nur noch mit ihrem Säckchen betteln gehen, einstmals der Schlag mit der Lebensrute bekannt war. Die Lebensrute ist Fruchtbarkeitsträger in pflanzlicher Form. Sie wurde auch am Lätaresonntage, in unsrer Hei mat Tudsunntch genannt, verwendet. Wenn die Kinder die Strohpuppe, den Tod, den Winter, hinausgetragen hatten, kehrten sie mit grünen Fichtenzweigen ins Dorf zurück, „'n Tud dan hoa m'r ausgetrtebn, 'n Summr breng m'r wieör!" Daß in diesen Zusammenhang auch der Maibaum, der in vielen Lausitzer Dörfern noch gesetzt wird, zu stellen ist, ist offensichtlich. Der Maibaum ist der Fruchtbarkeitsträger für ein ganzes Dorf. (Schluß folgt.)