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M.5 GberlaujitzerHeimatzsttung 57 ltchen Herdes. Welch eine verheißungsvolle Perspektive er öffnet sich da! Denn vom schwärmenden Herzen zum hung rigen Magen gibts keine Brücke, und alle berganwärts er rungenen Vorsätze und frohe Hoffnungen bekräftigen sich doch am besten, wenn der Duft der österreichischen Ziga rette und der blutrote Saft aus dem Lande Dalmatien die gute Mahlzeit fröhlich krönen. Professor Eduard Meyer, der hervorragende Berliner Geschichtsforscher, der sich durch seine grundlegenden Werke zur Geschichte, namentlich des Altertums, einen internationalen Namen gemacht hat, konnte am 25. Januar seinen 75. Geburtstag begehen. Der Sinngehalt einiger Lausitzer Frühlings-Bräuche Die Neste der Friihlingsbräuche, die sich bis heute iu unsrer Heimat erhalten haben, sind zum größte« Teile aus der Geistigkeit des Ackerbauers und Viehzüchters der Früh zeit erwachsen. Das bäuerliche Denken unsrer Ahnen ist nach seiner Form hin nicht begrifflich-abstrakt. Es bevorzugt vor der logisch-verstandesmäßigen Fügung des Wortes seine zaube risch-magische Wirkung. Es bevorzugt vor dem Worte, das als Ausdrucksform eines Seelengehaltes zu werten ist, die Körperbewegung, die Gebärde. Bäuerliches Denken gestaltet sich in Gebärden, in Handlungen. In dieser Art zum Aus druck gebrachte Seelenform, deren Äußerungen sich an fest- liegenden Tagen und Stunden im Ablauf des Jahres wiederholen, nennen wir Brauchtum. Bäuerliches Denken ist organisch gewachsenes Denken. Und wie in einem Organismus, erinnern wir uns eines Baumes, ältere und jüngere Wachstumsschichten sich um- und überlagern, wie der Baum immer wieder Zweige, Blätter, Blüten hcrvortreibt, so liegen auch im Brauchtum ältere Vorstellungsschichtcn neben jüngeren, so gestaltet sich auch der Sinngehalt des Brauchtums in immer neuen Wendungen und Sproßformen neu. Diese Entstehungsart gibt dem Brauchtum jene verwirrende Fülle und Üppig keit, jene Verdoppelungen und Verdreifachungen, jene Sinnverschränkungen, jene nur angedeuteten Sinnbezie- hungen, daß es dem Unkundigen als sinnlos erscheint. Darum muß Brauchtum von Kundigen gedeutet werden. In diesem Zusammenhänge heißt Deuten nichts anders als Übersetzen: Übersetzen aus einer zauberisch-magisch-orga nischen Denkform in eine begrifflich-logisch-mechanische Denkform. Der Late verlangt diese Übersetzung mit der Genauig keit, mit der man einen fremden Text Wort für Wort über setzt. Seine Frage lautet immer wieder: Was bedeutet die ser, was jener Zug? Der Kundige weiß, daß diese Über setzung nur in Bezug auf die Grundtatsachen möglich ist, daß viele kleine Züge und Sproßgebilde von der logischen Denkform nicht übernommen werden können, daß sich so gar in nicht unwesentlichen Zügen in der logischen Über setzung Widersprüche Herausstellen. Noch vieles ließe sich darüber sagen, aber stellen wir für unsre Zwecke das Ergebnis fest: Die Friihlingsbräuche unsrer Heimat sind kein Sinnganzes in logischer Form, sie sind ein magisches Sinnganzes. Bäuerliches Denken kreist in seiner inhaltlichen Seite um den Wunsch: Wie mache ich Flur, Tier und Mensch fruchtbar? Die fruchtschwere Flur, pralles, glänzendes Vieh, der frische, gesunde Mensch sind die Zielpunkte, denen öer Ackerbauer und Viehzüchter zustrebt. Gerade das Früh lingsbrauchtum bringt diesen Wunsch in eindringlicher Weise zum Ausdruck. Eine bedeutsame Rolle iu der Erzielung von Frucht barkeit spielt das Ei. Vor dem Wunder des Eis, das aus. sich Leben gebiert, standen unsre Ahnen mit ähnlicher Ehr erbietung wie wir heute noch. Bor mir steigt ein Bildnis des Malers Hans Thoma auf, betitelt der Philosoph mit dem Ei. Ein nackter Mann (es ist öer Rembrandtdeutsche) hält betrachtend ein Ei in seiner erhobenen Linken. Die Absicht des Malers ist deut lich: Das Ei ist ihm ein Sinnbild des Lebensgeheimnisses. Unfern Ahnen war das Ei nicht ein Sinnbild des Lebens. Es war ihnen ein Träger des Lebens, ein Behält nis, in dem zeugendes Leben selbst steckte. Wir ahnen den weiten Entwicklungsgang, der zwischen beiden Anschau ungen, vom Lebensträger zum Lebenssinnbild, liegt. In urtümlicher Form sind alle die Gegenstände, die wir noch erwähnen werden, als Träger einer Eigenschaft (in unserm Falle der Fruchtbarkeit) aufzufassen. Aber bereits im Be reich des volkstümlichen Denkens ist in Übergangsformen die Entwicklung zum Sinnbild angedeutet. Birgt das Ei zeugendes Leben in sich, so werde ich ver suchen, dieses Leben mir dienstbar zu machen. Das gelingt mir am sichersten, wenn ich mir das Lebensbehältnis ein verleibe. Darum essen wir das Ei. Es ist nicht verwunder lich, daß den Eiern, die im Frühjahr gelegt werden, diese Lebenskraft im besonderen Maße zugesprochen wurde. Darum schenkten die Wenden ihren Patenkindern bunt bemalte Ostereier. Diese Festlegung des reichlichen Eier genusses auf die Osterzeit ist kirchlichen Ursprungs. Sie hat nichts mit einem Ostarakult zu tun, wie immer wieder zu lesen ist. Durch die Benedictio Quorum, im 12. Jahrhundert von der Kirche eingeführt, wurde das Eieressen auf die großen Tage des Auferstehungsfestes (christliche sinnbild liche Bedeutung) festgelegt. Die Lebenskraft des Eis will der Ackerbauer auch auf die Flur übertragen. So wird im Rothenburger Kreise der Gründonnerstag als besonders geeignet für das Säen von Gerste und Lein angesehen. Dem Leinsamen werden Eier schalen beigemischt. Auch unserm Eierschieben mag in ältester Form der Wunsch, die Fruchtbarkeit des Eis auf die Flur zu über tragen, innegewohnt haben. Das Ei wurde über die Wiese, den Acker gekollert. Bei dieser Berührung strömte die Lebenskraft des Eis auf die Flur über. Daß dieses Tun den Spielbetrieb kräftig anregte und sich bald zum frohen Spiel entwickelte, ist bei der seelischen Beschaffenheit unsrer Ahnen und bei der zum Spiel verlockenden Form des Eis nicht verwunderlich. Wir könnten also das Eierschieben als ein Spiel mit dem Lebensträger bezeichnen. Die Entwick lung ging so, daß die tragende Glaubensgrundlage a) ich