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Nr. 4 Gberlausrtzer Hermatzsttung 43 Man wirds einst nur noch in Büchern finden, in Fragebogen und Zettelblöcken. Aber da ist es wenigstens noch vorhanden, doch noch gerettet vor dem Untergange. Und übrigens glaube ich, solange wir unsere Mund art fleißig erforschen, beobachten und, wie als Kinder, selbst mal wieder sprechen, solange wird sie allen erhalten blei ben, wenig verändert, ja, sie wird sich gar beleben in der Fülle ihres Humors und ihrer großen An schaulichkeit. H. Einer großen Anleitung zum Wortsam meln bedarf es nicht. „Jedes Wort aus jedem Dorf ist willkommen", sagt das Merkblatt zur Mundartenforschung. Man beachte nur den Ort, in dem die betreffende Person geboren ist, die Gegend, die Landschaft. Meistens wirst du es wissen, woher die Leute sind. Doch müßen dieselben auch in diesem Orte geboren sein. „Erfahrungsgemäß ist die Mundart auch dann nicht rein, ortsüblich, wenn eine Person im frühesten Kindesalter zugezogen ist. Auch derbe und anstößige Ausdrücke dürfen nicht übergangen werden. Als Bestand der Mundart verdienen auch sie wissenschaft liche Berücksichtigung. Wichtig ist vielfach, ob ein Wort oder ein Ausdruck an dem betreffenden Fundort allgemein üblich ist oder nicht; deshalb setze man nach Bedarf dazu „selten" oder, wenn eine Wendung nur alten Leuten noch geläufig ist, „bei Älteren". Für die Schreibung ist oberster Grundsatz: Schreibe jedes Wort möglichst genau so auf, wie du es hörst und wie es sich mit unseren Schriftzeichen wiedergeben läßt." Nun froh ans Sammeln! Das Porto wird vergütet, und willst du nicht selbst nach Leipzig schreiben, so gib deine Beobachtungen an alten Redewendungen, an alten Sitten und Gebräuchen an die weiter, die in der Mundartfor schung sich betätigen. Schon viele gibt es allerorten. Wenn gar kein Weg vorhanden, gibs deinem Kinde zur Schule, zum Lehrer mit, oder schicks mit bekannten Kindern an die Sammelstellen! Die sind in erster Linie stets in den Schulen vorzufinden. „Vielleicht haben die's aber schon." Nein! Nie so den ken. Zudem weißt du doch, daß jede Gegend „ihren Dia lekt" hat. Gib acht, auf welchen Gebieten deine Ohren zu spitzen sind: Wie nennen die Leute deinen Wohn ort, euer Dorf, seine Umgebung, welchen Beinamen gaben sie den Nachbarbörfern, den Bergen, Büschen, Fluren? Wie nannte man gleich den Teil des Hauses und den Teil des Daches, diese Ecke, diesen Winkel? Wie sagte nur gleich der Großvater? Nichtig, ich Habs, und in „Wunsdorf" hieß das so! ... . Nun dein Hausrat vom Keller bis zur Rumpelkammer' Hier nennt mans so, zu Hause sagten wir so. Geh mal die Bewohner deines Ortes, deines Dor fes, deines Städtchens durch! Halt, merkst du nicht die seltsamen Beinamen? Warum heißt denn der und der so? Stimmt, deswegen . . . wegen früher . . . Und so kommst du hinein ins Forschen und Suchen und „kriegst nicht weg", wie die Zeit vergeht. Aber nun bist du einmal drin, nun kannst du nicht los. Es sinnt in dir ein Ohr, das uner kannt lauscht, ein Gedanke, der allen andern Gebieten nach denkt: du hörst still den Bewohnern deines Hauses zu, auch wenn etwa die Milchfrau, die Semmelfrau, die Handels leute kommen, das Familienleben bietet so oft Sprach beobachtungen, z. B. wenn Mütter mit ihren Kindern spie len, sie „ausschimpfen", sie pflegen, wenn die Kinder zur Schule „fertig gemacht werden", ganz zufällig kann ein seltenes Wort bei der Unterhaltung dabei sein. Sei weiter ein kleiner Forscher in den Kinderspielen und Kinder beschäftigungen, in der Kleidung, in Speisen und Mahl zeiten! Wie nanntet ihr zu Hause das Gericht? Auch so? Nicht anders? Verschiedene Körperteile des Menschen und der Tiere, Krankheiten und Krankenpflege, Arten des Gehens, Arten des Sprechens und Erzählens, Duzen, Jhrzen, Siezen, abweisende und ausweichende Antworten, Fuhrmanns- und Hirtenrufe, alles, alles soll von dir be trachtet, belauscht werden! Selbst Flüche, Wünsche, Be teuerungen, Grüße. Wie nennst du die verschiedenen Ge räusche (im Wagen, Ofen, Stalle, bei Regen, Gewitter, im Keller und auf dem Boden)? Habt ihr nicht besondere Aus drücke für dieses Fest oder für jenes Vergnügen? Irgend ein Sprichwort etwa? Was gabs doch für komische und derbe Worte beim Militärdienst, im Solbatenleben! Fällt dir kcins ein, bas du lange nicht mehr gehört? Besinn dich aufs kirchliche Leben! Welchen Namen hatte wohl der oder jener alte Gebrauch? Erzählte nicht die Großmutter vom Teufel, von Geistern, von Aberglauben (vom Verhexen und Zaubern)? Sieh aufs öffentliche Leben! Denk an eure alten Geldmünzen, an eure alten Maße und Gewichte zn Hause! Gespräche beim Vorbereiten zu einer Reise, auf der Reise selbst, bei Streitereien, Neckereien und beim Schimpfen beobachtet oder überlegt euch! Was für einen Namen gab man dieser körperlichen Eigenschaft, jener see lischen Eigenschaft? Diesem körperlichen und jenem geisti gen Gebrechen? Ist das Forschen nicht sehr interessant in jeder Landwirtschaft, in jeder Viehwirtschaft, und sei es die kleinste? Ja, weil hier am meisten noch erhalten blieb an guter, alter Mundart. Die verschiedenen Berufe nennt der Bauer oft heutzutage noch ganz anders, nicht im bös willigen Sinne, sondern nur so, wie er sie von seinem Vater oder Großvater her kennt. Die mannigfachen Be schäftigungen eines Tages bringen dir neue Wörter, neue Wendungen. Die Gesteine, Tiere, Pflanzen, die Tages zeiten, Jahreszeiten, fast alles hat seinen eigenen Aus druck erhalten, vom kleinsten bis zum größten Ding. Die Wettererscheinungen besonders bieten reichlich Stoff zu Mundartbeobachtungen! Weil eben der Mann vom Lande, der noch beste Mundartsprecher, mit all seinem Tun und Dichten, mit Leib und Seel, mit der gesamten Natur, vor allem mit dem Wetter, verbunden ist. Darum überhaupt treibe Mundartforschung zuerst aus dem Lande und bei Leuten, die vom Dorfe stammen und selbst noch „auf'm Dorfe" leben! In der Oppacher Buschmühle Wanderung zur Geburtsstätte eines berühmten Heimatsohnes Es ist für den Heimat- und Kunstfreund zweifellos von hohem Reiz, auf seinen Streifzügen durch die heimatliche Landschaft die Stätten zu berühren, an denen ein Großer im Reiche des Geistes, der Literatur oder der Kunst das Licht der Welt erblickt hat. Der stattlichen Zahl der Ober lausitzer, die sich auf dem Gebiete der Musik eine über ragende Stelle errungen haben, gehört auch Hermann Zumpe aus Oppach bei Löbau an, der seine musika lische Ruhmeslaufbahn am 4. September 1850 als Bay rischer Generalmusikdirektor in München beschloß. Unter seinen zahlreichen Schöpfungen hat die 1886 entstandene Operette „Farinelli" die größte Verbreitung und Volks tümlichkeit erlangt, sie darf sicher den besten deutschen Operettenkompositionen seiner Zeit an die Seite gestellt werden. Unsere heutige Heimatwanderung soll uns nach dem anziehend gelegenen Orte seiner Geburt führen. Auf der neuen Bahnlinie Löbau—Cunewalde dringen wir ein in die waldreiche Höhenlandschaft des „Mittellau sitzer Berglandes". Die schmucken Bahnhofsanlagen von Groß- und Kleindehsa liegen hinter uns, in merklicher Steigung geht es aufwärts nach dem hochgelegenen Halbau; näher rücken hier die Berge zusammen, tiefer steigt der Wald an ihren Hängen hinab, Kötzschauer Berg und Hoch stein halten im Süden und Norden treueste Wacht. Am Bahnhof Halbau erinnert uns die Aufschrift „Polen-weg"