Volltext Seite (XML)
nicht immer leicht, auf Fragen hin zu antworten. Nach und nach kam ich dahinter, wie ich es anzufangen hatte. Hübsch abpassen, bis die nötige Stimmung da ist, dann taut so Mancher auf, von dem man es nicht gedacht hätte. Gar spaßige Stücklein sind mir auf meinen Laufereien widerfahren, über die ich mich aber damals schwer ge ärgert habe, über die ich aber später nur herzlich lachen mußte. Ich habe es mir lange nicht denken können, weshalb die Leute so zurückhaltend waren. Ein Mann, mit dem ich einmal darüber sprach, sagte mir treuherzig: „Die Han ack Angst, se kinnt'n eis Blaatl gesatzt warn." Ursache hierzu sollte angeblich eine kleine Erzählung sein, die ich über die Begegnung mit einer alten Frau verfaßt und „ins Blatt" gesetzt hatte. Als ich dann endlich doch meine Leute gefunden hatte, die mir viel wertvolles Volksgut mitteilen konnten, fehlte es trotz aller Freundschaft nicht an komischen Zwischen fällen. Nicht nur einem Gewährsmann habe ich in die Hand versprechen müssen, den Namen zu verschweigen. Ich muß gestehen, dies Verlangen konnte ich wohl oft erfüllen, denn ich kannte von den meisten nicht einmal den Namen, da mir die betreffenden Personen nur mit dem Spitznamen benannt wurden. Anders wären sie auch garnicht auszu finden gewesen. Was für putzige Sachen sind mir auf diesen Pürsch- gängen passiert! Wenn etwa jemand denken sollte, daß sich doch allmählich eine Annäherung anbahnen mußte, so ist er auf dein Holzweg. Fast feindselig wurde ich behandelt. Mit gründlicher Deutlichkeit wurde mir dies bei meinen Versuchen vor Augen geführt. Wenn ich nicht hin und wie der recht ermutigende Erfolge, die mich nur begieriger auf mein Ziel zusteuern hießen, zu verzeichnen gehabt hätte, so hätte ich meine Arbeit schon längst an den Nagel gehängt. Da war mir einst auch ein Mann angegeben worden, der viele alte Schriften besitzen sollte. Nach schriftlichen Quellen fahndete ich natürlich besonders scharf. Als ich ins Haus kam, war unr die Frau daheim. Sie nahm meine Bitte freundlich an und bestätigte, daß „viel siche ale Blaatl und Bsicher" auf dem Boden lägen. Ich solle nur wieder kehren, sie wolle es ihrem Manne mitteilen. Hocherfreut stellte ich mich zu bestimmter Stunde ein. Die Frau sagte mir, es sei nichts mehr auf dem Boden. Auf meine er schrockene Frage, wo die Schriften hin seien, antwortete die Frau seelenruhig: „Dr Moan hvat se naus ein Bnusch getroin und dort verbrannt." Es ist mir denn auch wirklich nur eine einzige schrift liche Quelle in Form eines handgeschriebenen Buches in die Finger gekommen. Und auch nur durch Zufall. Ein lie ber, alter, echter Altschirgiswalder war es, dessen Ver trauen ich gewann und der mir so manchen Fingerzeig ge geben hatte. Auf meine wiederholten Andeutungen, ob denn niemand wenigstens einige von den oft recht originellen Erzählungen aus irgendeinem Buche habe, gab er mir einst zur Antwort: „Ich weeß ju die alen Geschichten ou ack aus dr Rockenstube und vou unsen früher« Sunntggesellschaf- ten. Früher morsch aben ne Mode, ei de Schenke zo giehn. Dr Verdienst wor ze kleene. Drfür trosn mir uns alle Sunntge bei dan und jen. A jeder gob a poar Pfenng ze Schnapse und drnou bleebn mir halt ei dr Stube, wenn schlacht Waater wor. Do is vill derzählt worden. Mit'n Rockenstuben wor su nischt ni lus. Ich hoa ou feste mit drzahlt und etz besinnch mich, ich hoa mer Geschichten uff- schreiben lassen und hoa ou falber geschrieben." Natürlich bat ich um das Buch, aber das hat lange ge dauert, ehe ich es in den Händen hatte. Ich mußte dem Alten versprechen, die letzten Seiten nicht anzusehen. Na türlich habe ich mein Versprechen nicht gehalten. Es standen daselbst einige ganz wertlose Diebeslicder, die mir gar nichts nutzten. Diese sollte ich nicht sehen. Direkt neues brachte mir das Buch an Stoffen nicht. Aber die Jahres zahlen für die mancherlei Erlebnisse gaben doch wertvolle Hinweise. Material bekam ich mit der Zeit genug. Aber voll von Widersprüchen. Wo ist die Wahrheit? Wo beginnt die Sage? Vieles habe ich müssen ausscheiden, denn manche Geschichten waren einfach aus andern Gegenden übernom men oder z. T. gar erfunden. Aus den Bruchstücken — ein Körnchen Wahrheit steckte wohl überall — formten sich nach und nach zusammenhängende Ganze. Auf diese Weise habe ich ausgiebiges Material zusammengetragen. Wie gern wäre ich manchen Berichten noch genauer auf die Spur gegangen, wie z. B. in den Geschichten, die den Streit zwischen Oberdorf und Niedergasse betreffen, oder dem Hochwasser der Spree mit dem geretteten Knaben usw. Ich habe vor einigen Jahren mit neuen Versuchen begon nen, mußte aber zum großen Erstaunen feststellen, daß Neues nichts zu holen und daß es jetzt so gut wie gar keine Leute mehr gibt, die als Bewahrer der Tradition gelten könnten. Da bin ich just uoch zur rechten Zeit gekommen, als ich 1908 auszog. Heute lebt nur noch einer meiner Gewährsmänner. Die andern sind alle heimgegangen. Versprochen hat auch jetzt noch so mancher, Material zu bringen. Wenn ich ihn treffe, heißt es: „Heute nicht, ein andermal." Es ist nicht aus geschlossen, daß noch so manches in den Köpfen ruht, das wert wäre, fcstgehalten zu werden. Gern denke ich an meine ersten Forschungsversnche zurück mit all ihrem Arger und ihren Freuden. Mag auch nicht alles, was ich ausgezeichnet habe, mit der geschichtlichen Wahrheit genau übereinstimmen. Ich habe die Nachrichten so fcstgehalten, wie sie mir übergeben wurden. Zum Rich tigstellen ist stets noch Zeit und jeder erwirbt sich nur Ver dienst, der da hilft, Wahres und Falsches zu scheiden. Der Franziskus-Altar von Kamenz Eine heimatkundliche Erinnerung an Franz von Assisi Unter den zahlreichen Heiligtümern, welche die Sechs stadt Kamenz in ihren Kirchen aufbewahrt, findet sich auch ein Kunstwerk, das die Erinnerung an Franz von Assisi wachruft. Es ist dies der Franziskus-Altar in der Kloster kirche. Die Kirche hat eine reiche geschichtliche Vergangen heit. Ihre Bauzeit fällt auf die Zeit um 1500. Verbunden mit ihr war, wie auch ihr Name besagt, eiu Klöster, ein Franziskanerkloster, weswegen sie wohl auch Franziskus kirche geheißen ist. Nicht weniger als fünf kostbare Altäre sind darinnen aufgestellt, unter ihnen ist einer der bedeu tendsten eben jener Altar des heiligen Franziskus, welcher an der südlichen Chvrwand im Schiff Aufstellung gefunden hat. Zwar ist der Altartisch nicht mehr vorhanden, dafür aber ist der Aufbau umso besser erhalten. Was den Altar, dessen Entstehungszeit auf das Jahr 1520 zu legen ist, be sonders auszeichnet, ist die Reichhaltigkeit der Darstellun gen. Teils sind es wertvolle Holzschnitzarbeiten, teils kunst volle Gemälde, mit denen der Altarschrein und die Flügel ausgestaltet sind. Nicht weniger als 17 Darstellungen sind es, und sämtliche nehmen Bezug auf Franz von Assisi. Wenn man andächtig den Altar betrachtet und seine Flügel öffnet und schließt, ist es einem, als blättere man in einem Riesenbuche aus mittelalterlicher Zeit, in dem das Leben und Wirken dieses Kirchenheiligen ausgezeichnet steht. Im Schrein selbst zeigt eine Holzschnitzarbeit Franz von Assisi, wie er die Wundmale empfängt. Er ist dar gestellt im Ordensgewand, kniet, streckt die Hände zum Himmel empor und schaut verklärt nach Christus, der ihm erscheint. Daneben tut sich eine Höhle auf, in der ein Ordensbruder schläft, welcher von der Vision nichts ver spürt. Im Hintergründe steht eine Kirche. Die Kirche bildet den Hintergrund auch zu sämtlichen vier Darstellungen ans