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Ein Lauiitm Künstler. Zu der stattlichen Reihe bemerkenswerter Persönlich keiten, die die Gemeinde Reichenau der Welt geschenkt hat, gehört auch der bekannte Maler Karl Paul, der sich allen Widerwärtigkeiten des Lebens zum Trotz durchgesetzt und außerhalb der engeren Heimat einen geachteten Namen erkämpft hat. Buchstäblich erkämpft hat; denn sein Leben ist bisher ein ununterbrochenes Ringen um die be scheidensten Daseinsnvtwcndigkeiten gewesen. Er ist da selbst ain 7. Juli 1890 als zweiter von drei Brüdern ge boren. Sein Vater war Schlossermeister und übersiedelte kurz vor der Jahrhundertwende nach Zittau, aber bereits im Jahre 1902 starb er. Unter diesen Umständen ist es der Witwe sehr schwer geworden, den Unterhalt für sich und ihre drei Söhne zu erschwingen, und die Kinder lernten frühzeitig den Daseinskampf in seiner ganzen Schwere kennen. Karl Paul verließ zu Ostern 1904 als Primus die dritte Bürgerschule, wo seine zeichnerische Begabung be reits zutage getreten war. Er begab sich zunächst als Lehr ling in die Kunstwerkstütten für Glasmalerei von Richard Sch le in, ivo sein. Gefühl für starke Farbe und strenge Linie lebhafte Anregung erfuhr. Weitere Förderung wurde ihm auf der Zittauer Handwerkerschule zuteil. Nach Be endigung seiner Lehrzeit begab er sich nach Dresden auf die Kunstgewerbeschulc, ohne jedoch dort die rechte Be friedigung zu finden. Es regte sich in ihm schon damals mächtig der Drang zur freien Kunstbetätigung. Am meisten nutzbringend gestaltete sich das Aktzeichuen bei Professor R. Guhr. wo der junge Kunstnovize hinsichtlich des figür lichen Zeichnens viel lernte. Da sein Studium in Dresden in Ermangelung genügender Mittel ihm aber ganz außer ordentliche körperliche Entbehrungen auferlegte, bedeutete die Einberufung zum Heeresdienst für ihn eine tatsächliche Wohltat, indem er dadnrch sich physisch erholte. Nach Ab leistung seiner Militürdienstpflicht ging sein sehnlichster Wunsch in Erfüllung: mit Hilfe eines städtischen Stipen diums kam er in die Lage, die staatliche Kunstakademie in Dresden zu besuchen. Er wurde sogleich in den Aktzeichen saal der Professoren Richard Müller und O. Schind ler ausgenommen. Bereits nach dem ersten Semester konnte er in den Malsaal des Professors O. Zwintscher übergehen, wo er zwei Semester verblieb. Dann erfolgte seine Aufnahme in das Mcisteratelier des Geheimen Rats Professor G. Kühl; er erhielt aber dann im Sommer 1014 den Auftrag, das Innere der alten Kreuzkirche in Zittau zu malen. Als diese Arbeit eben beendet war, erfolgte die Mobilmachung. Paul zog unter den ersten mit dem Zit tauer Regiment ins Feld, wo er an all den schweren Auf marschkämpfen beteiligt war. In der Marneschlacht wurde er bei einem Sturmangriff schwer verwundet; zwei Tage lag er hilflos zwischen Toten und Schwerverletzten. In dieser Zeit ist ihm die ganze Tragik des Krieges eindring lich zum Bewußtsein gekommen, und hier sammelte er die stärksten Eindrücke für seine späteren Kampfbilöer. Eine besondere Leistung im feindlichen Kugelregen wurde durch die Verleihung des Eisernen Kreuzes anerkannt, das ihm im Lazarett ausgehänöigt wurde. Nachdem er nur not dürftig wiederhergestellt mar, meldete er sich im Frühjahr 19lö sofort wieder freiwillig ins Feld. Es stellte sich jedoch bald heraus, daß er seine physische Widerstandsfähigkeit überschätzt hatte: Bei der ersten Ablösung im Schützen graben vor Reims konnte er die rückwärtige Stellung nur mit Unterstützung seiner Kameraden erreichen. Damals verwendeten sich der Kompaniefeldwebel Curt Richter und der Regimentsadjutant Zipfel in hochherziger Weise für den jungen Maler. Sie befreiten ihn nach Möglichkeit vom Dienst, um ihm Gelegenheit zu künstlerischer Be tätigung zu geben. Damit war ihm der Weg geebnet zu seinen Kriegsbildern, die seinen Ruf begründet haben. Er Kavl Paul Aufnahme von Else Hauschild-Zittau. zeichnete und malte landschaftliche Motive, Soldaten szenen und später Kampfbilöer. Diese Arbeiten sollten als Anlagen zur Regimentsgeschichte dienen und später in einem besonderen Raume zugänglich gemacht werden. Der unglückliche Ausgang des Krieges vereitelte jedoch dieses Vorhaben. Jedenfalls brachten sie Karl Paul die künstle rische Reife und vor allein die persönliche Note, die ihm die Akademie nicht zu verleihen vermochte. Freilich war sein Schaffen häufigen Störungen ausgesetzt, denn bei jedem Angriff und bei jedem Stellungswechsel mußte er Stift und Pinsel wieder mit dem Schießgewehr vertauschen. Inzwischen reiften auch die ersten öffentlichen Erfolge. Die Galerie Arnold und die Galerie Richter in Dres den veranstalteten daselbst Ausstellungen von Gemälden im Felde stehender Dresdner Maler, wobei der Zittauer Maler allgemein Aufsehen erregte. So schrieb u. a. das „Leipziger Tageblatt": „Wer kannte vorher Karl Paul? — Jetzt wird ihn aber niemand, der seinen „Sturm angriff" gesehen hat, vergessen können." Die maßgebenden Kreise beschränkten sich nicht ans platonische Anerkennung; das Dresdner Stadtmuseum und das Ministerium des Innern kauften einige größere Bilder an. Als Paul in die Heimat zurückgekehrt war, nahm er die Studien im Dresd ner Meisteratelier, in dem inzwischen Professor Sterl der Nachfolger des verstorbenen Kühl geworden war, wie der auf. Indessen bedrückte ihn die Engigkeit des Raumes