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Nr. 21 Gbsvlausltzor Heimatzeitung So ist es denn gekommen, daß das ganze Schloß und mit ihm viel wertvolles Alte der Vernichtung und dem Untergange durch Feuer anheimgefallen ist. Mit dem Untergange des alten Schlosses haben auch die vielen guten und bösen Schloßgeister ihr viel hundert jähriges Domizil verloren und werden wahrscheinlich Ruhe und Frieden gefunden haben oder mit verbrannt sein. Die Zeit ist eine andere geworden. Von den Leuten, die die alten Schloßgehcimnisse kannten und denen manches Unheimliche und Gespensterhafte selbst begegnete, sind nur noch ganz wenige am Leben und wie lange noch, dann werden auch sie von uns gegangen sein. Geheimnisvoll rauschen und raunen die alten Bäume im dunklen Schloß parke, leise noch wisperts und flüsterts an verborgenen Stellen und nur selten noch erzählt ein lebendiger Mund im Abenddämmcrn eine der seltsamen und gruseligen Ge schichten vom alten Schlöffe zu Elstra. Nur rin AMKreiber. Stadtgeschichte aus dem Jahre 1686 (Fortsetzung.) Diese Worte wurden mehr aus Vorsicht an die alte Donathen gerichtet, denn wenn sie sehr erregt war, sprach sie zuletzt überlaut, und daß er noch was Wichtiges er fahren würde, das wußte Güntzel nun sicher und gewiß. „Nischt Bieses? Nischt Bieses?" schrie förmlich, als beide unterm Tore waren, die Alte, „wenns nur dr gestrenge Herr Bürgermeestr wüßte." Jetzt horchte Güntzel auf. „Man könnte balc noigierg warn, wennch doas brächte, oabr froin muß'ch, woas gieht denn unfern gestrengn Herrn Bürgermeestr de Brennende Liewe van?" „Woas'n die angicht? Nu, sichre viel, wemmer'se, wies dr Stuhl schreiber machen will, scnner Tochtr ein Schuh neilegu will, doaß ihr Harze brünstgr fürn Stuhlschreibr schloagn soll," eiferte jetzt die Donathen ganz erregt. „Woas Se oabr soit, doas leeft ja uff Zauberei hinaus, und dazu will Se sich hargabn? Satrwassn, gieht ock Heern, odr bassr, gieht zum Stuhlschreimr und redt Se ihm solch gefährlich Zoig aus, sintemalen hier zum Tore dr Waig zum Noabn- steen nausführt," sprach erschrocken der Torwart. „Ha Hot mich druff bezoahlt, do muß'ch o giehn," sagte drauf die alte Donathen, „giehts ärschlich- su moagr sei Fall salbr zu Moarkte troin. Mit diesen Worten eilte die Alte zum Tore hinaus. Güutzcl ging aber tu sein Stübchen, vor sich hinmurmelnö: „Se wirds schun sahn, Se wirds schun sahn." 3. Beim Totengräber Ungern trat Konrad Häberlein seinen Weg MM Totengräber au. Er hatte soviel von dessen unheimlicher Wohnung gehört. Drin gewesen war niemand von den Er zählern, sie wußten es nur aus einzelnen Reden des alten Mannes, aber gerade das Wenige hatte der geschäftigen Fama genügt, um schauerliche Bilder in der Umgebung des Totengräbers entstehen zu lassen. Da sollten überall in dessen Stube menschliche Gerippe stehen oder sitzen. Er selbst sollte aus einem Totenschädel trinken, und Arm knochen von Kindern sollten die Griffe von Messer und Gabel bilden. Huh! zu solch einem Manne, der solche Ab sonderlichkeiten hatte, wollte Häberlein gehen? Er hatte es sich auch vielmals überlegt und beinahe den Vorsatz ge faßt, das mit der Brennenden Liebe zu lassen, aber eine andere Liebe, die schon zu fest in seinem Herzen wurzelte, siegte. Er ging an einem Sonntag Nachmittage, denn der Schuhmacher, der Annas Schuh der Donathen geliehen hatte, wollte nicht länger mehr warten. Unterwegs kamen dem Häberlein wieder Bedenken. Es war doch wohl nicht gut getan, sich mit einem Manne einzulassen, der das böse Ding kannte und über geheime Mächte verfügte. Wer 2K weiß? Schon wollte der Stuhlschreibcr wieder nmkehren, als er vor seinem innern Auge Anna liebreizend vor sich stehen sah. „Alea jacta est! Der Würfel ist gefallen!" sagte immer der wohlgelahrte Herr Dr. Bauöanus, wenn er einen Delinquenten — ach was, unterbrach sich Häberlein plötzlich, um den Satz nicht vollenden zu müssen, „mit mir war der alte Totengräber, als ich ihn jüngst auf dem Kirchhofe traf, freundlich und erteilte mir bereitwilligst guten Rat." — Guten Rat? Der junge Mann blieb wieder unschlüssig stehen. „Soll ich, soll ich nicht?" Er war bereits auf dem Kirchhofe angelangt. Da sah er auf einem Grabe Brennende Liebe blühen. Wieder mußte er au Anna denken. „Es ist der einzige Weg zum Ziel, und ich muß zu ihm,' denn ich weiß nicht mehr die Worte, die ich beim Verbergen der Brennenden Liebe in den Schuh sagen sollte." Jetzt stand er vor dem einsam liegenden Häuschen. Zögernd trat er ein, zögernd öffnete er die Stubentür und fürwahr, er wäre beinahe wieder auf und davon gegangen. Wenn er auch kein Gerippe am Tische sitzen sah, so grinsten ihm doch von den Wänden her überall Totenschädel ent gegen. Der Alte saß am Tische und reinigte einen Schädel. Häberlein blieb wie gebannt an der Türschwelle stehen. „Nur immer herein, fürchtet Euch nit, hier tut Euch nie mand nichts zu Leide, vor denen," damit wies der Toten gräber auf die Schndclreihcn, „habt Ihr Ruhe." Er bot seine Rechte freundlich zum Gruße dar. Häberlein wagte kaum, dieselbe zu berühren, Ekel erfüllte ihn. Der Alte umfaßte aber des Stuhlschrcibers Hand, drückte sic herz haft und hielt sie lange fest, indem er sagte: „Das ist schön von Euch, daß Ihr mich besuchet. Mir kommt kein Mensch zu nahe." „Das will ich gern glauben," wollte Häberlein darauf bemerken, aber die Worte blieben ihm im Halse stecken. Er mußte fortwährend auf die unheimliche Schädel sammlung sehen. „Ja, ja, Junghcrrlein, in solcher Gesell schaft lebe ich alle Tage, ich Halts nit mit den Lebendigen, sondern mit den Toten. Wäre wohl nichts für Euch? Hah, hah! Der Kaiserliche, der Anno 34 bei mir war, freute sich darüber und meinete, ich verstünde mein Heim noch besser zu schmücken als wie der Leipziger Totengräber, bei dem der grausame Tilly eine Nacht zugebracht. Ja, ja, habe sie alle gekannt, als sie noch lebten, stehen alle wohlgeordnet da, ganz nach Verdienst und Würdigkeit. „Dort," dabei ! ließ er endlich Häberleins Hand los, die dieser verstohlen unter seinem Mäntelchen von vermeintlicher Unreinigkeit säuberte, „dort sind die Herren Jnnungsmeister, denen er zähl ich oft allerhand Neuigkeiten aus dem Handwerker leben von jetzt. Hier," der Totengräber nahm aus der einen Reihe einen auffallend großen Schädel, „dieser ge hörte meinem Vater. Wenn ich den lange ansehe, so ist mirs, als ob ich seine Stimme hörte, und er gibt mir aller hand guten Rat." Der Totenkopf wurde wieder an seinen Platz zurückgebracht. „Neben ihm rechts steht ihm die Lückin, weiland Kauf- und Handelsherrn Lückes nachgelassene Wit tib, die hat Euch geraten, die Brennende Liebe in den Schuh zu verbergen." Häberlein, dem bei diesem Erzählen schon längst gruselte, fiel dem Totengräber in die Rede und sagte: „Vonwegen der Brennenden Liebe komme ich zu Ihm. Ich habe die Worte vergessen, die ich beim Ver bergen der Brennenden Liebe in den Schuh sagen soll." Dabei nahm der Stuhlschreiber sein Schreibtäfelchen aus der Tasche. „Ach so, das ist der Grund Eures Kommens," sagte bedächtig der Alte, „hm, hm! Noch einmal sagen, das bringt nichts Gutes. Es wäre schon besser, Ihr brächtet mir den Schuh her und ich besorgte es selbst." „Mit Nichten!" entgegnete Häberlein, welcher befürchtete, der Totengräber könne noch mehr Zauberei treiben, „sage Er mir das Sprüchlein, ich will es selber tun." „Nun gut, so höret, aber ich stehe für nichts ein, wenn etwas darauf geschieht, was Euch nit gefallen dürfte. Das Sprüchlein lautet und dabei nahm der Totengräber den betreffenden Schädel, der ein vollständiges, blendendweißes Gebiß zeigte, fuhr mit