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Neues vom Rekrutenhaschen in Schirgiswalde Von Franz Rösler, Schirgiswalde Bekanntlich wurden früher die jungen Männer durch herumziehende Werber teils mit List, teils durch Zwang, zum Heeresdienst gepreßt. Die Chronik von Schirgiswalde berichtet, daß das Gebiet der damaligen „Republik" zwar von Rekrutenstellungen verschont bleiben sollte, daß man sich aber weder in Sachsen noch in Böhmen nicht immer nach diesen ungeschriebenen Gesetzen richtete. Grund gab vor allem die Tatsache, daß Schirgiswalde als Zufluchtsort für alle Arten „Deserteure" benutzt wurde. Es hat bis vor kur zem noch Leute gegeben, die sich aus ihrer Kindheit er innern konnten, daß auch in ihrem Vaterhause Flüchtlinge aus der weiteren Umgebung sich aufgehalten haben, die vor den Rekrutenhaschern geflüchtet waren. Daß wiederholt so wohl von Sachsen als auch von Böhmen aus gründliche Razzien nach solchen geflohenen Rekruten stattgefunden haben, ist verbürgte Tatsache. Bon einem Nachkommen des Mannes namens Nitsche, der die Ursache gab, daß Schir giswalde nach Sachsen einverleibt wurde, ist mir berichtet worden, daß auch dieser Mann als Bursche von böhmischen Rekrutenhaschern, trotzdem er freier Bürger der Republik war, verschleppt worden ist. Mein Gewährsmann, der für die Wahrheit der folgenden Begebenheit bürgt, hat die Unterlagen direkt von seinem Großvater, eben jenem Nitsche. Auch seine anderen Verwandten bestätigen die Rich tigkeit. Daß bei dieser Gelegenheit auch eine sich in die ge schichtlichen Aufzeichnungen eingeschlichene Unwahrheit mit berichtigt werden kann, ist besonders wertvoll. Bisher waren alle die, die sich mit Hetmatgeschichte abgaben, des Glaubens, Nitsche stamme aus einer übelbeleumundetcn Familie. Es kann aber einwandfrei nachgewiesen werden, daß dies nicht der Fall ist. Im Gegenteil, Nitsche bekleidete lange Zeit das Amt eines Gemeindevertreters. Seine Kin der und Enkel, die namhaft gemacht werden können, leben noch und man kann es ihnen nicht verdenken, daß sie Wert darauf legen, die Ehre ihrer Vorfahren zu retten. Uns gibt die Erzählung, wie genannter Nitsche Rekrut werden mußte und wieder befreit wurde, einen interessanten Einblick in die Verhältnisse der damaligen Zeit. Zum Verständnis diene eine kurze Darstellung der Familienverhältntsse Nitschcs. Ums Jahr 1800 war ein Nitsche Besitzer des bekannten Gasthofes in Petersbach. Er hatte 8 Kinder. Der älteste Sohn hieß Karl. Um diesen handelt es sich. In den 20 er Jahren des 18. Jahrhunderts kam eine österreichische Re krutenstreife aus Schirgiswalde und schleppte eine Anzahl gehaschte Rekruten mit. Jeder Rekrut war mit einem Arm durch eine Schelle am Leibe gefesselt. In Petersbach war der Gastwirt nicht zu Hause, dafür sein ältester Sohn Karl. Dieser fühlte sich als freier Bürger nicht gefährdet. Aber die Häscher ergriffen ihn, fesselten ihn und schleppten ihn trotz aller Bitten und Drohungen mit fort nach Böhmen. Als der Vater heimkam und von dem Unglück hörte, machte er sich augenblicklich auf, um den Sohn zurückzu verlangen. Denn die Nitsches waren kluge Köpfe und voller Mut. Sie ließen sich ihre Rechte nicht beschneiden. Der Gast wirt rannte ununterbrochen den Soldaten nach, bis er in Rumburg erfuhr, daß sie bereits den Schöberpaß hinaus marschierten. Wer den Tollenstein kennt, wird die schöne Paßstraße kennen. Sofort jagte der aufgeregte Vater nach bis über Georgenthal hinaus. Es gesellten sich auch andere Männer zu ihm, von denen er hörte, daß man oben auf dem Passe gegen die Soldaten Vorgehen würde, weil dort Halt gemacht werden sollte. So wurde es auch. Kaum hatten die Soldaten die Ge wehre zusammengesetzt, stürzten die Rekruten trotz ihrer Fesseln zu beiden Seiten der Straße. Hier hatten Helfer Stöße von Knüppeln aufgefchichtet. Jeder Rekrut raffte einen Knüppel und schlug auf die Soldaten ein. Bevor die Soldaten zur Besinnung kamen und ihre Gewehre ergrei fen konnten, rannten die Rekruten nach allen Richtungen auseinander, einige die Straße bergab, andere in die dich ten Wälder. Nitsche sah auch seinen Sohn Karl und er jagte mit ihm nach Georgenthal zu. Immer weiter gings, bis nach Rumburg. Hier erst war er etwas in Sicherheit. Die Schelle wurde abgemacht, aber die Flucht begann von neuem. Als sie beide in Petersbach ankamen, waren sic am Ende ihrer Kraft, besonders der Vater. Er zog sich ein Lungenleiden zu und starb nach einiger Zeit daran. Die Witwe Nitsche zog nach Schirgiswalde. Von ihren 8 Kindern wird erzählt, daß sie geistig sehr rege, aber auf brausend und hitzig waren. Einer ihrer Söhne hat ein Denkmal seines hitzigen Temperamentes hinterlassen. Wenn er aufgeregt war, stach oder hieb er mit dem Messer in den Tisch. Noch heute sind diese Zorneszeichen zu sehen. Karl Nitsche, der Gastwirt und Bankhalter in Schir giswalde wurde, hat seine blaue Lotterie bis 1882 betrieben, dürfte also einer der letzten Winkelbankiers sein. Wie die andern litt auch Nitsche unter den Betrügereien, die Num mern vorzeitig mit Lichtsigualen herbeizuholen. Nitsche zahlte jeden Gewinn aus, obwohl er, nachdem die Schwinde leien aufgedeckt wurden, dazu nicht verpflichtet war. So schmolz sein hübsches Vermögen bis auf nichts zusammen. Aber er hatte seine Ehre und seinen guten Namen gerettet. Darum ist es falsch, ihn „übelbeleumundet" zu nennen. Als verarmter Mann zog er nach Georgswalde zu seiner Tochter, wo er im 96. Lebensjahre starb. Bon Herrn Kny wird auf Grund der Erzählungen sei nes Urgroßvaters gesagt, daß der Justizamtmann Knüpfer nicht aus Schluckenau war, sonders daß er in Hainspach wohnte. Er sei bei dem Aufstande auch nach Hainspach ge flüchtet. Eine Tochter Knüpfers war lange Zeit Lehrerin in Rumburg. Die evangelische Friedenskirche in Warnsdorf in Böhmen Zum 25jährigen Jubiläum Von Richard Mättig Warnsdorf, in der Reformation wie alle Orte rundum von Zittau aus, mit dem es damals in engen Handels beziehungen stand, evangelisch geworden, mußte, da es, wie das ganze weit nach Sachsen ragende „Niederland" 1635 nicht an die Wettiner kam, die bis 1663 hauptsächlich wäh rende, alles öffentlich protestantische Leben erstickende Gegenreformation über sich ergehen lassen, und erst um 1870 regt sich wieder in der an und für sich eigentlich immer freisinnig angehauchten Industriestadt, in der ja auch die Gründung der ersten altkatholischen Gemeinde Österreichs (als Protest gegen das aufgestellte päpstliche Unfehlbar- keitsediktj durch den röm.-kath. Priester Anton Nittel mit gleich 3000 Seelen erfolgte, offizieller lutherisches Leben. Ostern 1871 fand im Gasthof „Stadt Wien", dem ehem. historischen Schüttboden, der erste evangelische Gottes dienst statt. — Der um 1874 durchgeführte sächsische Bahn bau brachte noch mehr Evangelische *j und schon einige Zeit darauf gab es periodisch sich wiederholende Andachten, zu denen in liebenswürdiger Weise die Alt-Katholiken ihre 1872—74 erbaute Christuskirche gegen Gebühr überließen. 1883 zählte die Gemeinde bereits 336 Seelen, 1896 ward sie Filiale von Numburg, erhielt 1901 bei 500 Gemeindeglie dern im Vikar Jonathan Zwahr ihren ersten Seelsorger, und wurde endlich September 1903 selbständige Pfarr- Warnsdorf zählt noch gegenwärtig gegen 700 Reichs deutsche.