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Kretschmers kirchenmusikalische Schöpfungen hängen aufs engste mit seiner amtlichen Stellung zusammen. Sie beginnen in der Zeit seines Hilfsorganistenamtes. Da er als solcher auch das Orgelspiel bei den sommerlichen Hof gottesdiensten in Pillnitz auszuüben hatte, so reizte es ihn, eine sogenannte Figuralmesse, wie sie der leitende Kapellmeister RListiger für diesen Zweck kompo niert hatte, auch selbst zu versuchen. Es gelang ihm wider Erwarten gut, und so sind unter Neißigers Leitung da mals fünf solcher Messen entstanden. Einen bedeutenden Erfolg erzielte Kretschmer in einem internationalen Wettbewerb, der 1868 von Brüssel aus zur Erlangung einer Messe im strengen Kirchenstil ausgeschrie ben worden war. Er erhielt auf seine Einsendung von einem internationalen Preisrichterkollegium von 11 be deutenden Musikgrößen den 1. Preis zuerkannt. Zu dieser ersten Messe sind im Laufe der Zeit noch vier andere hinzugetreten, wie auch dazwischen mehrere andere liturgische Kompositionen entstanden sind. Einen ganz besonderen Ansporn zu kirchenmusikalischer Komposition erhielt Kretschmer durch die oben ausgesührte Umgestaltung der Hofkirchenmusik im Jahre 1880. Es ent standen damals zahlreiche Motetten, Graduale und Offer torien, Vespern, Litaneien, Hymnen und Antiphonien. Einen noch größeren Umfang als die kirchliche nimmt die weltliche Komposition Kreschmers ein. Obwohl sein erstes Lied: „Gebt mir vom Becher nur den Schaum" jGeipel) schon in den vierziger Jahren ent standen ist, beginnen seine Veröffentlichungen erst Mitte der fünfziger Jahre. So erschien Opus 1, bestehend aus drei Liedern, 1856, dem das Jahr darauf ein 2. Heft mit gleichfalls drei Liedern folgte. Nach dieser Periode der Liederkomposition, die durch eine umfangreiche Dirigenten tätigkeit gefördert wurde, wandte sich Kretschmer dem Chorwerke zu, das seiner Befähigung ganz besonders ent sprach. Hierin war ihm denn auch sein erster großer Erfolg beschieden. Er erhielt auf seine „G e i st e r s ch l a ch t", mit der er sich an dem für das Deutsche Scingersest zu Dres den ausgeschriebenen Wettbewerb beteiligt hatte, unter 150 eingegangenen Kompositionen den 1. Preis. Durch diesen Erfolg ermutigt, ließ er in „Harald, der Barde", dessen Text er selbst gedichtet hatte, ein zweites Chorwerk folgen, dem als drittes die „Pilgerfahrt nach dem gelobten Lande" folgte. Über diese Stufe stieg Kretschmer hinaus, als er sich dem dramatischen Schaffen zuwandte, zu dem ihn schon die Preisrichter anläßlich seines „Geisterschlacht"-Erfolges hingewiesen hatten. Er erwarb von dem Wiener Dichter H. S. Mosenthal eine Dichtung, aus der er seine erste Oper „Die Folkunger" schuf. Sie ging am 21. März 1874 im Jnterimsbau des Dresdener Hoftheaters in glänzender Ausstattung und mit erstklassiger Besetzung erstmalig in Szene und wurde mit größtem Beifall ausgenommen. Sie behauptete sich nicht nur an der Residenzbühne mit dauern der Beliebtheit, sondern trat auch einen wahren Siegeszug über die großen Bühnen Deutschlands und seiner Nachbar länder an. Als Stoff zu einer zweiten Oper wählte Kretschmer den Konflikt zwischen Kaiser Rotbart und Herzog Heinrich dem Löwen, den er in freier dichterischer Gestaltung zu einem wirkungsvollen Drama verarbeitete, woraus er seine Oper „Heinrich der Löwe" schuf. Die Uraufführung der selben fand am 8. Dezember 1877 zu Leipzig statt, worauf sie nach teilweiser Umarbeitung auch auf der Dresdener Hofbühne in Szene ging. Kretschmers zwei weitere Opern, von denen 1881 der „Flüchtling" die Uraufführung in Ulm und „Schön Rotraut" dieselbe 1887 in Dresden erlebte, haben die Erfolge ihrer Vorgängerinnen nicht gehabt, woran zumeist die ungeeigneten Texte die Schuld trugen. Rechnet man zu den angeführten Schöpfungen Edmund Kretschmers, die keineswegs auf Vollständigkeit Anspruch machen, noch die stattliche Zahl seiner O r ch e st e r w e r k e, so wird man rein quantitativ einer solchen Lebensarbeit die Anerkennung nicht versagen können. Aber auch qualitativ standen sie auf einer bedeutenden Höhe und brachten ihrem Schöpfer hohe Ehren. Wenn in neuerer Zeit es um Meister Kretschmer und seine Werke auffällig still geworden ist, so liegt der Grund nicht zum wenigsten in den vollständig veränderten Zeit- und Kulturverhältnissen, die alles Ge wesene, und wäre es auch noch so schön und erhaben, der Vergessenheit überliefern möchten. Der 100. Geburtstag Edmund Kretschmers soll deshalb Veranlassung sein, den Schleier zu lüften, den die Zeit auf sein Andenken gebreitet hat. Ostritz wird seinem be rühmten Sohne und Ehrenbürger eine würdige Jahr hundertfeier bereiten. Auch Dresden, das zwei Menschen alter hindurch die Stätte seiner Wirksamkeit und seiner Triumphe war, wird seiner in festlichen Veranstaltungen gedenken. Möchte aber auch seine weitere Heimat seiner nicht vergessen, der er so herzlich zugetan war. Möchten in diesem Gedächtnisjahr wieder Kretschmersche Lieder er klingen dies- und jenseits der Grenze, wie in jener Zeit, als die Begeisterung für den Meister hohe Wellen schlug. Möge aber auch darüber hinaus sein Andenken lebendig bleiben und sein Name mit den besten Söhnen unserer Lausitzer Heimat genannt werden. MilMmsWr aus der Koitsche. Unter den Bergen der Zittauer Gegend, welche dem Auge des Besuchers eine reizende Aussicht bieten, gehört auch unstreitig die eine Stunde von Zittau entfernte, in der Flur Hörnitz, nahe an der Zittau—Großschönauer Straße vor dem Breitenberge liegende, nicht allzuhohe Koitsche, welche jetzt durch den staatlichen Autobusverkehr leicht zu erreichen ist und bereits vor rund 100 Jahren neben dem Oybin zu den am meisten besuchten Ausflugs punkten des Zittauer Gebirges gehörte. Das Areal der Koitsche gehört drei Besitzern, auf dem vorderen östlichen Teil wurde bereits 1833 eine Bergrestauration errichtet, aber aus eigentümlichen Gründen bereits nach fünf Jahren wieder abgetragen. Aber der Besitzer des Rittergutes Alt- Hörnitz, Herr Bürgermeister Just, kaufte weiter oben am Berge ein Stück Land (wo jetzt die „Körnerciche" steht) und so entstand 1838 ein größeres und schöneres Gebäude mit zwei Lokalen, Balkon, Kegelschub, von Waldbäumen beschatteten Ruhesitzen. Das Wort „Froher Stunden gabs im Leben, froher Tage gabs hier viel" fand hier volle Be stätigung. Nach 16 jährigem Bestände ließ im Jahre 1854 der Be sitzer des Rittergutes Alt-Hörnitz, Herr Leopold von Lesch- witz, das Restaurationsgebäude abtragen. Die bis dahin in zwei Jahrzehnten geschaffenen Anlagen waren in dem nun folgenden Vierteljahrhundert leider verschwunden und alles mit Bäumen, Sträuchern und Gestrüpp wieder wild bewachsen. Der Verein für wissenschaftliche Unterhaltung zu Hör nitz als Mitglied des von Herrn Prof. Dr. Friedrich neu gegründeten Gebirgsvereinsverbandes „Lusatia" beschloß im Mai 1880, zunächst die Koitsche als Feld seiner ge- birgsvereinlichen Tätigkeit ins Auge zu fassen. Da von dem damaligen Besitzer des Rittergutes, Herrn Heisen, eine Erlaubnis zur Errichtung von Anlagen auf seinem Koitscheareal nicht zu erlangen war, so wandte man sich an den Besitzer des vorderen Koitscheareals (wo die erste Restauration gestanden), Herrn Brauereibesitzer Ernst Halang, welcher bereitwilligst dem Vereine die Er laubnis zur Errichtung von Anlagen erteilte. Am 30. Mai