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sein, wenn sie für 1 Scheffel Hafer 1 Tlr. bezahlt bekamen. So ungewöhnlich der Winter 21/22 war, ebenso in sei ner Art war der folgende Sommer. Von Anfang April bis Ende Juli gab es keinen Regen. Einzelne Strichregen ohne Bedeutnng kamen auch nur selten. Dabei herrschte eine brückende Hitze. Alle Hügel und Anhöhen brannten aus. Viel Heu verdorrte auf der Wiese. Mancher Leinsamen lag 4—5 Wochen in der Erde, ohne aufzugehen. Weil aber der Boden ganz zu Asche geworden war, so konnte der Same nicht vermalzen und ging erst im Juli nach dem ersten Landregen auf. Der Lein wurde "zwar reif, aber der Same ging meistens verloren, weil er unreif blieb. Gleiche Be wandtnis hatte es mit den Erdäpfeln. Auch diese fingen erst im August an zu blühen, und da es nach und nach ge hörig einnäßte, und der Boden durchwärmt war, wuchsen sie dann umso schneller, und die Erde war ziemlich ergiebig. Nur mußten sie 3—4 Wochen länger stehen bleiben wie sonst. Schlimm stand es um Gerste und Hafer. Der Hafer war säst ganz, die Gerste zum mindesten ganz mißraten. War doch kaum die Hälfte der Gerste aufgegangen. Die andere Hälfte ging erst Ende Juli auf, so daß die Saat felder von neuem grün wurden. Die Leute ließen die Gerste bis Monat September stehen, obwohl die zuerst aufgegan gene Saat längst reif war. Die 2. Reife übertraf aber die erste an Güte und Ergiebigkeit. Am 1. September 1822 siel in Schirgiswalde und Um gegend ein so starker Platzregen, daß der Dorfbach vom Oberdorfe her in kurzer Zeit so stark angeschwollen war, daß er wie ein breiter Strom über den Markt rauschte. Die Fluten schossen vor allem zwischen Kaufmann Kühnes und Bäcker Leopold Grohmanns Häusern hervor. Das Wasser war so tief, daß es bis zu den Knien reichte. Es war gerade Sonntag vormittag, als dieser Regen fiel. Zahlreiche Leute waren in der Kirche. Als sie herauskamen, sahen sie das Unheil. Die Männer wateten durch den Strom. Die Frauen mußten sich tragen lasten. Die Häuser, die am Bache lagen, hatten alle gelitten. Die Fluten hatten j die Zäune abgerissen, Steine aus den Mauern gewühlt und fortgeschwemmt. Der Weg durch die Niedergasse sah ! übel aus. Es konnte ihn kein Fuhrwerk mehr benutzen. Der Chronist bemerkt dazu: Zwar füllte sich der Dorfbach sehr schnell, weil der Ort in einer Art von Wiege gelegen ist und das Wasser von allen Seiten in diesen zusammen stürzt. Allein seit SO—60 Jahren wußten sich die Menschen nicht zu entsinnen, daß der Dorfbach so angeschwollen ge wesen wäre. Doch verunglückte niemand, weder Menschen noch Vieh, weil diese Überschwemmung bei Tage erfolgte. Man kann diesen Regen füglich einen Wolkenbruch nennen. Der Winter 1822/23 war sehr hart. Im Januar trat strenge Kälte ein und hielt meistens mit 14—18 Grad Reaumur an. Die Wasserleitungen waren vis auf zwei ein gefroren. Nur das Rohrwasser beim Gerichte und der Rämischhandlung war im Gange geblieben. In der Pfarrei mußte das Wasser vom 6. Januar an bis zum 5. April aus dem Spreeflusse geholt werden. Aer- und Mameimamen im SblllauWer Bolksmmde. Volkskundliche Plauderei von Kurt Schöne, Obercunewalde Der Großstädter, der aufs Land kommt, hat es nicht leicht. Da zeigt sich ihm das Leben von ganz anderer Seite. Oft ist es ihm kaum möglich, sich einigermaßen mit den Einheimischen zu verständigen, nicht nur, weil er die Mundart nicht kennt, sondern, weil di" Dörfler für manche Sache einen ganr anderen Ausdruck verwenden, wie der in der Stadt geläufige. Besonders auffällig zeigt sich das bei Namen von einer großen Anzahl von Tieren und Pflanzen. Selbst als Lehrer hat man da anfangs seine liebe Not, wenn man im Naturgeschichtsunterricht die Bezeich nungen der Lehrbücher anbringt und die Kinder für ach so vielerlei einen ganz anderen Namen anwenden. Eins frei lich habe ich feststellen müssen: Diese volkstümlichen Aus drücke paßten oftmals bedeutend besser als die wissenschaft lichen Bezeichnungen. Das Volk der ländlichen und klein städtischen Bezirke hat sich in seiner Urtümlichkeit manch mal einen feinen Sinn für alles Naturgeschehen erhalten und sucht sich demzufolge für die Wesen, mit denen es sich viel enger verbunden fühlt wie der Städter, auch eigene Namen. Alle diese im Volksmunde üblichen Namen sind lebensnaher, gedankenreicher und erlebnisbetonter wie die verhältnismäßig nüchterne Schriftsprache, die Namen für manches Geschöpf verteilt hat, bei denen sich niemand etwas denken kann. — Aus der reichen Fülle volkstümlich-mund artlicher Tier- und Pflanzennamen, wie sie in der Ober lausitz gebräuchlich sind, will ich einige auf ihre Entstehung hin untersuchen und ihrer Eigentümlichkeit wegen an führen. Eins der niedlichsten Tierchen der heimischen Insekten welt ist der Marienkäfer oder Siebenpunkt. Aus einer gewissen Vorliebe für dieses kleine Wesen heraus gab man ihm hübsche Kosenamen wie „Summerkalbl", „Herrgottsschäfel" oder „Brotwürmel"; letztere Bezeichnung beruht auf dem Glauben, daß derjenige, der so ein Käfer- chen quält oder tötet, eine Hungersnot heraufbeschwört. — Eine ganze Anzahl größere und kleinere Käfer werden als „Meekafer" betitelt, weil sie ihre Flugzeit im Mai haben. — Wegen ihres roten Leibes, der sich unter einer schwar zen Flügeldecke beiderseits hervvrschiebt, müssen sich eine Menge Arten der sehr verbreiteten Weichkäfer den Spottnamen „Franzosen" gefallen lassen, eine Benennung, die sicher zur Zeit aufgekommen ist, als das französische Heer noch rot cingekleidet ging. — Irrtümlicherweise nennt der Lausitzer die auf Wiese und am Waldrand zir pende Feldgrille auch „Heemlich", ein Name, der eigentlich nur der bei uns seltenen Hausgrille, dem sog. Heimchen znkommt. Während in alten Häusern manchmal noch ein braunes Heimchen musiziert, wird auf unseren Dörfern jetzt zumeist die Feldgrille gefangen gesetzt. — Nur wenigen Menschen dem Ansehen nach bekannt durch ihr unaufhörliches Schmettern im Wiesengrunde, aber weithin hörbar, ist die eigenartige Schnarrheu schrecke, die als „Werre" oder „Erle" im Volksmunde lebt. — Eng verwandt mit den verschiedenen Grillen sind die Heuschrecken. Zu Abertausenden bevölkern sie die Futterhaufen, Brachen und Raine vom winzigen weißlich schimmernden Lärvchen bis zu fingerlangen Laubheu schrecken. Eine gar prächtige Musik machen sie, die „Heu- Hupper", „Grashupper", „Heuschmiede" oder „Heiferde", wie der Elbsachse sagt. — Wie freilich der in verschiedenen Farben schillernde Golülaufkäfer oder Goldschmied zu dem komischen Namen „Battelfroe" sBettelfrau) gekommen ist, weiß ich mir noch nicht zu erklären. Es sei denn, daß hier eine ungewollte Verwechslung mit der sehr seltenen Gottesanbeterin vorliegt, eine Käferart, die ihre Vorder füße in erhobener Stellung wie bittend zur Abwehr aus streckt. — Von den Schmetterlingen erfreut sich der kleine und große Fuchs, der sich gern auch in die Straßen der Stadt wagt und allerorts am liebsten auf den sonnen beschienenen Fliesen oder Plätzen vor den Häusern spie lend herumgaukelt, des Namens „Steinsetzer". — Alle Arten der unangenehmen Stechmücken werden als „Stießer" ebenso gehaßt wie die zartbeflügelten Flor sliegen und anderen Netzflügler als „Schnaken". — Von nicht gerade großer Beliebtheit der Tiere legen folgende Namen Zeugnis ab. Noch immer gilt das geschwinde Ei- öechschcn, das schüchtern über den Weg macht, vielen Landbewohnern als giftig und Unheil verkündend. Kein