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SS Gbsrlausier Helmatzeitung Im Herzogtum des „Königs von Rom" Im böhmischen Niederlande, ostwärts der Kreisstadt Böhmisch-Leipa, träumt das Landstäötchen Reichstädt von Tagen des Prunkes und der Pracht. Ringsherum lugen Hohe Berge ins Tal, von denen namentlich der gigantische Roll und der kahle, alpine Mickenhaner Stein besondere Beachtung herausforöern. Reichstadt ist ein reizendes Landstäötchen, wie so viele andere auch, was es aber vor anderen auszeichnet, ist sein schönes Schloß und seine geschichtliche Bedeutung. Reichstadt war der Mittelpunkt des gleichnamigen Herzogtums, das dem Sohne Napoleons nach dessen Sturz verliehen wurde. Kaiser Franz nahm seinem Enkel den stolzen Titel eines „Königs von Rom", um ganz mit der Vergangenheit zu brechen,' freilich rückte er damit noch nicht in die Reihe der Erzherzöge ein. Da standen große Hindernisse im Wege, die nicht so leicht aus dem Wege zu räumen waren. 1811 wurde der Sproß der Ehe Napoleons mit Maria Luise geboren. Man sagt so gern, daß die schöne Erzherzogin den Korsen nicht geliebt hat, daß es für sie ein Opfer war im Interesse des Vaterlandes. Mag das vielleicht der erste Schreck eingegeben haben, sicher ist, daß Maria Luise den gewaltigen Kaiser liebte, so, wie eine österreichische Erzherzogin eben lieben kann. Es steht ja auch fest, daß sie mehrmals an die Flucht zu dem Ver bannten auf St. Helena dachte. Sie war aber betreut durch die „Liebe und Fürsorge" des schlauen Gegenspielers Napoleons, des Staatskanzlers Metternich, und seiner Schergen. Man wußte ja, daß die Franzosen Anspruch auf Napoleons Sohn erhoben, daß sie ihn nach dem Sturze der Bourbonen zum Kaiser machen wollten. Metternich fürch tete die abermalige staatliche und politische Umwälzung. Man hielt ein kostbares Kleinod in den Händen. Das mußte gehütet werden. Die Liebe Maria Luises zu Napo leon mußte erstickt werden, der Sohn durfte nicht wissen, wer sein Vater war. Maria Luise erhielt als Regentin von Parma — denn sie mußte ja entschädigt werden für den Kaiserthron — als Ratgeber den Grafen Adam Neipperg. Er entstammte einem der vornehmsten Adelsgeschlcchter, war als Haudegen bekannt, hatte der Krieg ihm doch ein Auge gekostet. Als Obersthofmeister der gewesenen Kaiserin gewann er ihre Liebe und heiratete sie im Jahre 1821, zur linken Hand natürlich. Im August desselben Jahres wurde ihnen ein Sohn geboren, der dann später in den Fürsten stand erhoben wurde, wobei gleichzeitig der Name Neipperg latinisiert wurde in Montenuovo, dessen Sohn später Obersthofmeister des Kaisers Franz Joseph wurde, und der mehrmals eine nicht gerade seiner Abstammung ge mäße Rolle spielte. Franz Joseph Napoleon, der „König von Rom", wurde ob des neuen Liebesbundes von der Mutter fast vergessen und war ganz seinen Erziehern ausgeliefert, die nach den Methoden Metternichs zu arbeiten hatten. Ob man zuviel sagt, wenn man die Meinung glaubwürdiger Geschichts schreiber anführt, die sagen, daß durch diese Verhältnisse der schnelle Tod kommen mußte über den letzen Napolev- niden? Mit 21 Jahren starb er 1832 in Schönbrunn an Lungenschwindsucht und ruht jetzt in der Wiener Kapu zinergruft zur Rechten des kaiserlichen Großvaters, wäh rend an seiner linken Seite die Mutter Maria Luise wie der mit ihm vereint ist. Was nutzt es, daß er in der Reihe der französischen Könige als zweiter Napoleon gezählt wird? Er hatte eine harte Jugend hinter sich, und als man ihn endlich freigab und er sein Schloß Reichstadt bewohnen sollte, da raffte ihn der Tod hinweg, ohne es gesehen zu haben. Später ist dann wiederholt Reichstädt in den Blick punkt des Weltgeschehens gerückt. Nach seiner Abdankung Nr. 8 wählte sich Kaiser Ferdinand dieses nordböhmische Schloß zur Sommerresidenz. Viele Erinnerungen an ihn und seine Gemahlin Maria Anna sind heute noch in Reichstadt lebendig. 1876 sehen wir den Zaren Alexander II. von Rußland hier als Gast des Kaisers Franz Joseph, wo der Russenkaiser ein enges Verhältnis zu Österreich suchte, weil ihm Bismarck eine zu platonische Antwort auf sein Ansuchen über Deutschlands Neutralität in einem Kriege zwischen Österreich und Rußland gegeben hatte. Die Frucht der Reichstädter Unterredung war der zwischen beiden Staaten abgeschlossene Gehcimvertrag vom Jahre 1877, in dem Österreich versprach, den Krieg mit der Türkei zuzu lassen und sich dafür schadlos zu halten durch die Erwer bung von Bosnien und der Herzegowina. 1882 weilte der unglückliche Kronprinz Rudolf mit seiner Gemahlin in Reichstädt, um den wohl für immer der Name Mayerling sein Geheimnis hüllt. Tage höchsten militärischen Glanzes brachten dann die Kaisermanöver des Jahres 1899, wo das Hauptquartier nach Reichstadt verlegt wurde. Eiu Jahr später danu horcht die Welt wieder auf die Kunde von Reichstadt, als der Erzherzog Franz Ferdinand hier mit der Gräfin Chotek, der Herzogin von Hohenberg, getraut wurde. Die Photographien im Schlosse zeigen noch den Einzug des jungen Paares, den Empfang auf dem Bahn hofe, wobei auch die in Sachsen bekannten Wuthenaus vertreten sind. Die Verwandten des Erzherzogs sagten im letzten Augenblicke telegraphisch ab, nicht ohne Mitwirkung jenes obengenannten Obersthofmeisters Montenuovo, der dann auch beim Tode der beiden Unglücksmenschen noch einmal eine Rolle spielte. Das Schloß ist heute noch ein sehenswerter Renaissance bau. Der quadratische Grundriß läßt einen viereckigen Hof frei. Verlassen sind heute die Zimmer mit den Prunk möbeln, niemand greift in die Tasten des Flügels im Musikzimmer. Längst sind die Kerzen abgebrannt, die im Speisesaale einst traulichen Schimmer ausstrahlten. Wohl erhalten sind die teilweise recht wertvollen Gemälde. Dort, wo früher die Dienerschaft untergebracht war, da wohnen jetzt höhere Staatspensivnäre. Das Schmuckstück des Schlosses ist die Hauskapelle. Sie ist ganz in weißem Mar mor ausgeführt, wirklich eine „Porta Coeli". Selten findet man ein solches zwar auf den ersten Eindruck kalt an mutendes Kapellchen, doch atmet die stimmungsvolle Male rei beglückenden Zauber und wohlige Wärme aus. Inter essant ist die Orgel, die sich hinter dem Altäre befindet und deren Bälge nicht getreten, sondern mit der Hand gezogen werden. Heute liegt das Schloß verlassen. Im Parke ergehen sich Fremde und lassen ihre Gedanken zurückschweifen über das Erleben, das ihnen in Reichstadt ward. Selten ist Tragik und Schicksal so eng vereint wie gerade hier. Und das nimmt man als eine fast neue Erkenntnis mit. Fritz Günther, Leutersdorf. Wie einer in Bautzen bei den Bäckern Meister wurde Handwerksbrauch vor 130 Jahren Von jeher haben die Innungen des deutschen Hand werks großen Wert darauf gelegt, zu pflegen und zu er halten, was ihnen von früheren Generationen her über liefert und als Besitztum geblieben ist. So manche kostbare Jnuungsaltertümer und wertvolle Dokumente, aufbewahrt in den alten Jnnungsladen, können noch heute, wo Zweck und Form dieser Handwerkerkorporationen sich ganz und gar gewandelt haben, von deren bedeutungsvoller Rolle in der Entwicklung des städtischen Gemeinwesens und des ge werblichen Lebens erzählen. Und treu hat man in den