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Ae. 6 Sberlaufltzer Helmatzettung 93 Zur Geschichte des Klapperngehens Von F. Klaus, Seitendorf Der geschätzte Leser erinnert sich vielleicht noch jener anschaulichen Schilderung des „Klapperngehens" in Nr. 8 der „Oberlausitzer Hetmatzeitung" vom vorigen Jahre. Vielleicht hatte er auch schon Gelegenheit, in Seitendorf, Königshain oder Grunau die Klapperjungen bei ihrem Umgang zu treffen und den ohrenbetäubenden Lärm ihrer Holzklappern kennen zu lernen. Mancher hat sich wohl da bei gefragt, wie dieser Brauch entstanden sein mag. Das Folgende sei ein bescheidener Beitrag zur Geschichte dieser eigenartigen Sitte. Es ist kein Zufall, daß sich das Klapperngehen nur in den genannten katholischen Kirchdörfern erhalten hat; denn es hängt zusammen mit der Feier des Gottesdienstes an den letzten drei Tagen der Karwoche. Schon die ganze Fastenzeit hindurch ermahnt die katho lische Kirche ihre Gläubigen, das Leiden Christi zu betrach ten, und in der letzten Woche vor Ostern tut sie es beson ders eindringlich. Sie gab ihr den Namen Karwoche, d. h. Klagewoche, und läßt an vier Tagen den Evangelienbericht über das Leiden Christi beim Gottesdienste vorlesen. Sie verhüllt Bilder und Kruzifix mit blauen Tüchern und ver zichtet auf den feierlichen Klang der Orgel. Und vom Gründonnerstag bis zum Karsonnabend läßt sie auch die Glocken unberührt, damit nichts sie ablenke vom Mitleiden um den sterbenden Erlöser. Die Glocken laden die Gläu bigen nicht mehr zum Gottesdienst, nicht einmal das kleine Wandlungsglöcklein durchdringt die feierliche Stille dieser drei heiligen Tage. An seine Stelle tritt die Klapper mit ihrem harten Klang. Während die Klapper als Ersatz des Meßglöckleins noch heute in allen katholischen Kirchen ihren Dienst tut, ist der Brauch, daß die Klapper als Er satz für die Kirchenglocken diente, in unsrer Gegend aus gestorben. In Seitendorf läßt sich nachweisen, daß noch in den 80 er Jahren des vergangenen Jahrhunderts sich an den letzten drei Kurtagen die Knaben auf dem Kirchberg ver sammelten, um an Stelle der Glocken mit ihren Holz klappern die Gläubigen zum Gottesdienst zu laden. Aber auch morgens, mittags und abends, wo sonst die Ave glocke die Gemeinde zum Gebet aufforderte, hatten die Klapperjungen ihren Dienst zu tun. Für diese Glöckner dienste durften sie dann am Karsonnabend nach dem Vor mittagsgottesdienste — denn von dieser Zeit ab ließen die Glocken wieder ihre eherne Stimme erschallen — ums Dorf gehen, um für die geleisteten Dienste entlohnt zu werden. Es wurden dabei besondere Gesetze beobachtet. Familien, die einen Jungen mitschickten, waren verpflichtet, minde stens einen „Dreier" zu opfern, für zwei Jungen mußte sogar ein „Sechser" gestiftet werden. Außer Geld wurden auch gern Eier gereicht, die dann in der Eiermosche — ein hoher, bästgeflochtener Korb mit Deckel — verwahrt wurden. In den 30 er Jahren aber trat eine Änderung ein. Die Zeiten zwischen Gottesdienst- und Mittagklappern waren von den Jungen zu allerlei losem Unfug benützt worden, und besonders nach dem Abendläuten — eigentlich Abend klappern! — waren die benachbarten Einwohner allerlei Schabernack ausgesetzt. Zur Strafe wurden die Klapper jungen nun ihres Amtes enthoben. Den Umgang aber be hielten sie bei und verlegten ihn auf Gründonnerstag! Und so wurde eine Entschädigung gezahlt für eine Arbeit, die gar nicht mehr geleistet wurde. Jahrzehnte verstrichen. Die neue Generation kannte die Ursachen und Zusammenhänge nicht mehr, und bald legte man dem unerklärten Brauche Deutungen bet, die ihm nicht zukamen. So konnte man z. V. hören, die Klapperjungen seien nachgebildet der Rotte, die Jesus gefangen nahm! 1912 aber hatte irgend ein sehr gelehrter Polizeibeamter herausgefunden, daß das Klap- perngehen ebenso als HauSbettelet verboten sei, wie das GründonnerStagfingen. Und so schickte denn damals der Herr Gendarm nicht nur die Kleinen heim, die mit ihrem Säcklein von Haus zu Haus eilten, um ihr Verslein her zusagen, sondern er löste auch den Zug der Klapperjungen auf. Dann kamen Kriegs- und Notzeit, und es schien, als sollten die Klappern auf dem Boden der Vergessenheit an heimfallen. 1924 aber wagten die Jungen erstmalig, den alten Brauch wieder aufzunehmen, und die reichen Gaben und die sonstige Anteilnahme der Bewohner zeigten, daß die Landbevölkerung mehr Sinn hat für alte Volkssitten als manche Behörde. Es wäre sehr zu wünschen, daß jene Polizeiverordnung nie mehr ans Tageslicht kommt! Sicher würden sich diesmal viele Freunde alten Volksgutes schützend vor diese alte Sitte stellen. Zum Beweis, daß in anderen Gegenden Deutschlands die Sitte sich in ihrer alten Bedeutung erhalten hat, sei zum Schluß einiges von den Klapperjungen der Rhön erzählt. Am Gründonnerstag mittags 12 Uhr ziehen sie — be waffnet mit ihren lärmenden Holzinstrumenten — vom Kirchplatz aus durch die Hauptstraßen des Ortes unter öfterem Rufen: „Wir läuten zwölf!" Und jedesmal wird durch heftiges Klappern den Worten der nötige Nachdruck verliehen. Abends 146 Uhr vollzieht sich derselbe Umzug, wobei sie zur abendlichen Betstunde rufen: „Wir läuten in die Betstund'." Sodann wohnen sie dieser Abendandacht bei, verlassen aber, sobald in der Kirche „der Engel des Herrn" gebetet wird, dieselbe, um abermals durch den Ort ziehend zu rufen: „Wir läuten Ave Maria!" Am Karfreitag beginnt dasselbe Aveläuten früh 5 Uhr. Um 7 Uhr ziehen sie wieder durchs Dorf und 148 Uhr noch einmal und rufen: „Wir läuten in die Kirch'." (Im Ful daer Land läutet man nämlich zweimal vor jedem Gottes dienst, dann beim Beginn erst wird zusammengeläutet, d. h. mit mehreren Glocken.) Um 148 Uhr ziehen sie nochmals aus, um den Beginn des Leidensgottesdienstes anzumel den mit dem Ruf: „Jetzt schlagen wir zusammen." Mittags und abends mahnen die Klapperjungen dann in derselben Weise wie tags zuvor zum „Engel des Herrn". Am Karsamstag wiederholt sich genau dieselbe Reihen folge, nur versammeln sich nach dem Auferstehungsamt die wackeren Glöckner, um Ort und Umgebung „abzuklappern" — in des Wortes wahrster Bedeutung. Ganz wie bei uns empfangen sie Geld, Eier oder Gebäck, welches dann brüder lich geteilt wird. So ist denn in jener Gegend die Sitte des Klappern gehens noch wurzelecht und hat seine Berechtigung erhal ten. Das Klapperngehen in der Lausitz ist also bloß noch ein kärglicher Rest einer sinnvollen Übung. Um so mehr möchte danach getrachtet werden, daß wenigstens dieser Rest erhalten bleibt, daß aber im Volk auch der tiefere Sinn und der Ursprung dieser schönen Ostersitte wachgehalten werde! Vom Heimatmuseum in Schirgiswalde Das Heimatmuseum der Gesellschaft für Urgeschichte und Geschichte der Oberlausitz, Zweigverein Schirgiswalde, Kirschau und Crostau, in der Stadtschule zu Schirgiswalde hat eine sehr wertvolle Bereicherung erhalten: ein Bruch stück einer alten Ofenkachel, vom Niederhof zu Schirgis walde, aus der Mitte des 16. Jahrhunderts: Ein plastisches Bild, wohl das Mittelstück eines Ofens, eine kunstvoll ge arbeitete Terrakotte (ohne Glasur), einen Ritter in einen Torbogen stehend, zeigend. Es ist möglich, daß es sich um die Abbildung eines Besitzers handelt (zu dieser Zeit waren die Luttitz Besitzer des Niederhofes). Die Kachel wurde beim Umbau der Papierwarenhand lung Hanschmidt in altem Bauschutt gefunden und von die sen durch Herrn Oberlehrer Stoij liebenswürdiger Weise dem Heimatmuseum übergeben; sie ist zu den wertvollsten