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Franz, der vom Mälzerseff daniedergehalten wird. Aber jener hat plötzlich Hilfe bekommen. Wie eine Katze hat sich da die Male auf den Sefs gestürzt. Sie kratzt ihm ins Ge sicht und schlägt ihm in die Augen! „Teufel!" brüllt der Seff. „Weg gehst!" Aber die hört nicht: Da läßt er los und schleudert das Mädchen von sich, daß sie weit unter einen Tisch fliegt. Aber schon ist der Franz hoch, faßt den Feind an den Schultern und reißt ihn zu Boden. Nun ist er Sie ger! Jubelgeschret von seinen Genossen gellt durch die Stube. Stolz steht er sich um. Diesen Augenblick benutzt der Seff. Wie eine Wildkatze hat er sich emporgeschnellt, und im Nu liegt der Franz wieder unter ihm. Der sucht sich keuchend aus den Armen des wilden Burschen zu be freien. Ganz still ist's im Saal geworden. Nur das Keuchen hört man. Da rufen sie an der Tür auf einmal: „Der Stadtrichter! Der Stadtrichter!" Alle sehen nach der Tür. Ob's wahr ist? Wahrhaftig, da erscheint der Stadtrichter, zornfunkelnö, den Rohrstock schwingend. Scheu weichen alle zurück. Hinter dem Stadt richter tauchen der Abbee und der Büttel auf. Herr Adam Reime erblickt die beiden Ringer. Er stürzt darauf los. „Hallunke," schreit er dem Seff zu und haut ihm mit dem schweren Stocke über den Kopf, daß das Blut spritzt. Der Abbee ist entsetzt und will dem Stadtrichter in den Arm fallen. „Weg!" ruft dieser zornig. „Losgelassen," schreit er dem Seff zu, der trotz des Schlages den Feind darnieder hält und nicht losläßt. Der Stadtrichter sprüht vor Zorn, weil der Bursche nicht folgt. Noch einmal ruft er donnernd: „Laß los, Hallunke!" Dabet holte er zum Schlage aus. Aber der Seff läßt nicht los, sondern sieht den Stadtrtchter trotzig an. Da kann sich dieser nicht mehr beherrschen. Wuchtig saust der Stock auf Kopf und Arme des Burschen. Beim dritten Schlage läßt dieser los, springt auf und stellt sich vor den Stadtrichter. Jeden Augenblick scheint er sich auf diesen zu stürzen. Sein Mund ist vor Wut verzerrt, seine ! Augen funkeln. Da wird's auch dem Stadtrichter angst, f Er weicht einen Schritt zurück. Der Seff tritt ihm nach, i Die Zuschauer zittern. Abermals hebt der Stadtrichter den > Stock. Da fällt ihm der Abbee in den Arm. „Adi," sagt er bittend. „Tn's nicht!" Und wirklich läßt Adam Reime den Stock sinken. Alle atmen auf. Der Stadtrichter öffnet den Mund und schreit: § „Lump, Spitzbube, Hallunke! Gesindel seid Ihr alle!" s Und nun hält der Gestrenge eine Strafpredigt, daß die Burschen die Köpfe senken. Nur der Mälzerseff steht ihm trotzig gegenüber. Von seinem zerkratzten Gesichte tropft das Blut. Verächtlich sieht er, wie sich einer nach dem andern aus der Stube schleicht. Da zuckt es höhnisch um seine Mundwinkel. Der Stadtrichter denkt, das gilt ihm. Er schreit: „Bindet den Kerl! Vorwärts!" Der Büttel tritt vor. Da springt der Seff zurück an die Wand und brüllt: „Wagt es, mich anzurühren!" Stadtrichter und Büttel sehen sich nach Hilfe um. Aber da ist kein Bursche mehr. Ein höhnisches Zucken bei dem an der Wand. Trotzig reckt er die Fäuste. Bewundernd sieht ihn der Stadtrichter an. Aber Strafe muß sein. „Du hast angefangen, Hallunke," poltert er dem Bur schen zu. „Nein, ich nicht!" zischt dieser. „Lüg nicht!" Der Stadtrichter hebt den Stock zum Schlage. Abermals flüstert es ihm zu: „Adi, tu's nicht!" Der Abbee war's und sah ihn bittend an. Der Seff hat's gehört. Er wirft dem Abbee einen leuch tenden Blick zu. - Der Stadtrichter ist ratlos. Mit seinem Büttel kann , er nichts erreichen. Der ist alt und hat keine Kraft. Wieder schreit er den Seff an: „Du hast angefangen, gesteh es!" „Nein, ich hab nicht angefangen! Der Mälzerseff lügt nicht!" Der Stadtrichter stutzt. „Wer?" frägt er barsch. „Frag die andern!" Der Stadtrtchter sieht sich um. Aber der Saal ist leer. Selbst der Grohmann-Franz hat sich still davon geschlichen. Da zupft der Abbee den Stadtrichter am Arm und sagt leise: „Komm, Adi. Ich glaub, der lügt nicht!" Da wendet sich dieser um. Im Hinausgehen ruft er dem Burschen zu: „Wir sprechen uns noch!" Der Stadtrichter verläßt das Haus. „Sie sind zu wild, meine Leute," sagt er zu dem Abbee. Für heute ist's mit dem Tanz aus. — Am folgenden Morgen geht der Abbee hinaus auf sei nen Lieblingsplatz am Mälzerberge und sieht träumend auf das Städtlein hinab. Wie friedlich liegt es da. Und doch sind sie so wild, diese Schirgiswalder Leute. Der Stadt richter hat schon recht. Sein Blick schweift hinauf auf die gegenüberliegenden Berge. „Dahinter liegt das Neudorf," spricht er. „Auch dort kein Frieden. Dort schon gar nicht. Räuber, Diebe!" Er denkt an den böhmischen Wenzel. Und doch kann er den Leuten nicht gram sein. Sie sind gut, bet allen ihren Fehlern. „Dort bin ich hergekommen! Von Westen. Weit, weit ist's nach Frankreich. Was wird die Mutter machen? Lebt sie noch? Und meine Pfarrkinder? Wer mag an meiner Stelle sein?" Sinnend sitzt er da. Eine ganze Weile. Er schreckend fährt er zusammen. Ein langer, blatternarbiger Mensch tritt aus dem Gesträuch. Der Mälzerseff. Plump macht er seine Verbeugung. Er zieht die schmutzige Mühe vom Schädel und spricht bescheiden: „Dank wollt ich Euch sagen, Herr Abbee." Verwundert schaut er auf den Burschen. Wie ein Bit tender steht er vor ihm. „Schon gut," sagt der Abbee. „Mein Lieber, nicht so hitzig sein. Es ist nicht gut, wenn der Bruder den Bruder schlägt. Tu's nicht wieder. Versprich mir's." Der Abbee muß lange warten, ehe der Seff antworret. Stoßweise kommt es heraus: „Ganz versprechen — kann — ich es nicht. Aber, wenn Sie nicht waren, ich hätt' mich am Stadtrtchter vergriffen." „Das ist nicht recht von Dir. Bist ein starker Bursche. Aber bloß Dein Körper ist's. Dein Wille ist schwach. Komm, versprich mir . . ." „Weiß, weiß," unterbricht ihn jener. Pasterelli streckt ihm die Hand hin. Da springt Seff zurück, wehrt mit den Händen ab und schreit: „Nein! Lügen mag ich nicht. Aber versuchen will ich's. Nicht deshalb kam ich. Aber, wenn Sie einmal in Not sind, der Seff hilft Ihnen." Und weg war er. „Merkwürdiges Volk," murmelt der Abbee. Sinnend geht er heim. Am Abend erzählt er dem Stadtrichter seine Begeg nung mit dem Seff. „Ja, ja, so sind sie. Einer wie der andere. Unbotmäßig wild. Sie paschen und schmuggeln, um zu leben. Sie schla gen sich, warum? Ich weiß es nicht. Aber falsch sein und lügen? Nein, das nicht. O, dieser unselige Streit zwischen Oberdorf und Kleinseite! Gibt es nicht genug Krieg da draußen? Aber hier herrscht Friede und doch wieder nicht. Was soll ich tun, um die häßliche Streiterei zwischen links und rechts der Spree zu verhindern?"