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Ar.s SberlarMer Helmafzeltung 8g Schule lernte vom Werden der Erde, von der Entstehung der Landschaftsformen, von der Zusammensetzung des Bodens, von der Geschichte des Landes. Er steht nichts, er hört nichts, er empfindet nichts. Er macht auch nicht Halt, wenn ein einladendes Plätzchen zum beschaulichen Verweilen lockt und setzt sich nicht nieder, wo eine Gruppe sonnbeschienener Birken, ein dunkler Waldsee, ein einsamer Einbaum in seiner stolzen Schönheit den Blick fesseln könnte. Ein armseliger Lastenschlepper ist er, den die Werktagslast sicher nicht härter drückt als sein Wander gepäck. Wer mit Freuden wandern will, muß sich frei machen von allem, was ihm im Naturgenuß stören könnte, von den „Bedürfnissen des Kulturmenschen", von den Sorgen des Alltags. Frohgemut, ohne Hast und mit dem Willen, die Umwelt auf sich wirken zu lasten, mit dem Willen, die Natur in ihren tausend Lebensäußerungen zu erkennen, die inneren Zusammenhänge zwischen dem Charakter der Land schaft und dem ihrer Bewohner zu erfaßen, die Ursachen der örtlichen Verschiedenheiten in der Pflanzen- und Tier welt, in der Lebensweise der Menschen zu finden und aus den vielen Einzelerkenntnissen einen Gesamteindruck zu gewinnen, mit diesem Willen geht der rechte Wanderer durch seine Heimat. Es ist gut, wenn man sich vorher einen Plan für seine Wanderung zurechtgelegt hat, aber nicht, um nun unbe dingt die nach der Karte vorbestimmten Wege zu benutzen, sondern um einen ungefähren Anhalt zu haben. Nicht ein bestimmter, sondern der am meisten zusagende Weg wird - gewählt! Und ratsam ist es, wenn man beim Wandern nicht ! zu langsam geht und möglichst nicht bas Schrittempo wech selt, weil beides leicht zu früher Ermüdung führt. Es kommt ja nicht darauf an, daß man möglichst schnell an irgend ein Ziel kommt, nicht darauf, daß man recht weite Strecken durchmißt, auch nicht darauf, daß man möglichst viele Stunden marschiert, sondern darauf, daß man sich um steht, daß die Wanderung einem recht viel Freude schafft, neue Eindrücke vermittelt, zum anregenden Erlebnis wird. Am schönsten wandert es sich allein; die Sinne haben i freien Spielraum, die Dinge kommen uns unmittelbarer s zum Bewußtsein, wenn nicht anders empfindende Menschen i einen Teil unserer Aufmerksamkeit beanspruchen und unsere Fähigkeit, die ständig wechselnden Eindrücke inner lich zu verarbeiten, herabmindern. Wie oft wird durch ein unangebrachtes — gutgemeintes — Wort eines Wander genossen die eigene Stimmung gestört, ein beglückender Traum zerrissen! Wie oft will der Wandergeselle weiter gehen, wo man selbst verweilen möchte, oder er will einen anderen Weg wählen, er möchte plaudern oder singen, wenn man selbst dem Vogelsang lauschen oder seinen Ge danken nachhängen möchte! Wer aber einen gleichgesinnten Wanderkameraden gefunden hat, der mag sich glücklich schätzen. In den heißen Mittagsstunden sollte man ruhen, wich tig ist es, auf der Wanderung nicht zu reichlich zu essen und möglichst — Alkohol überhaupt nicht — wenig trinken. Und dann: Kein Papier achtlos fortwerfen. Wer die Natur liebt, der hält darauf, daß sie nicht durch umherliegende Papierfetzen verschandelt wird. Hat man ein schönes Plätz chen gefunden, dann das Skizzenbuch, den Bleistift und die Buntstifte heraus und die Beobachtungsgabe auf die Probe gestellt! Wer es sich zur Regel macht, von jeder seiner Wanderung eine oder zwei gleiche Zeichnungen mit heirn- znbringen, wird bald herausfinden, wie das Zeichnen nach der lebenden Natur den Blick für die Feinheiten in den Dingen seiner Umgebung schärft, wie er besser in ihr Wesen einzudringen vermag und ihre Eigenheiten aufmerksam er forschen und verstehen lernt. Wer seine Heimat kennen ler nen will, der achtet auf die Menschen, denen er begegnet, auf die Tierwelt, auf die Bodenreformen, auf die Bestand teile des Erdreichs, aus die Pflanzen, kurz, auf alles. Nur der wird seine Heimat wahrhaft lieben, der ihr Gesicht in jeder Jahreszeit, bei Sonnenschein und trübem Wetter ge schaut hat. Wer die Sprache der Landbewohner verstehen lernt, wer ihre urwüchsige Art achtet, der wird auch ihre Sorgen und ihre Arbeit zu würdigen misten, der wird auch bei ihnen auf Verständnis und Entgegenkommen rechnen dürfen, wenn er einmal Hilfe braucht; der wird sich aber bald auch hüten, über ihre durchaus berechtigten Eigen heiten zu spötteln. Was nun die Wanderausrüstung angeht, so ist derbes Schuhzeug und bequeme Kleidung zu wählen und einen leichten Wetterumhang, der im Notfall auch als Zelt die nen kann, am besten aus wasserdichtem Segeltuch, mitzu nehmen. An Lebensmitteln sollte man für Tageswande rungen sich nur mit dem Notwendigsten versehen; was fehlt, kann unterwegs — meist billiger als daheim — be schafft werden. Wer ein erfrischendes Bad im Freien nach beendeter Wanderung liebt, der vergeße nicht Badehose und Handtuch! Das Taschenmesser und ein wenig Bind faden, im Sommer ein Stückchen Alaunstein gegen Mücken stiche, ein leichtes Netz für Pilze, können oft gute Dienste tun. — Und nun hinaus zu frohem Wandern! W—l. Hie Kleinseite — hie Oberdorf (Um 1812-18) Bon Franz Rösler, Schirgiswalde Die Spree teilt das Städtlein Schirgiswalde in zwei ungleiche Hälften. Am linken Ufer liegt der Markt mit einigen Gassen. Gleich daran schließt sich ein dorfähnlicher Ausläufer den Fuchsberg hinan, Oberdorf geheißen. So war es immer schon, ist'sauch heute noch. Am rechten Spree ufer gab es damals nur ein Dutzend Häuser, diesen Stadt teil nennt man noch jetzt Kleinseite. Über die Spree führt nun eine stattliche Brücke. Zu jener Zeit war nur ein höl zerner, überdachter Steg für Fußgänger vorhanden. Zwischen den Oberdörfschen und den Kleinseitner Bur schen bestand seit altersher Fehde. Oft kam es zu Prüge leien. Zu keiner Zeit jedoch war der Zwist stärker als in den ersten Jahren der Republik. Damals hatte der Zwist zwischen den Kleinseitnern und den Oberdörfschen einen Umfang angenommen, der bedenklich wurde. Bei jedem Tanze kam es zu regelrechten Schlachten. Eine ganze Menge Burschen und Männer lief bereits mit Verwun dungen aller Art herum. Ermahnungen und Drohungen waren fruchtlos. Anführer der Kleinseitner war der Mälzerseff. Auf den hatte der Stadtrichter einen besonde ren Arger, der sich Lis zur Wut steigerte, als er erfuhr, daß seine Magd die Geliebte des Mälzerseff war. Nur dem Zureden seiner Frau war es zu danken, daß das Mädchen nicht aus dem Hause gejagt wurde. Sie war eine Voll waise, ein braves Mädchen, das die Stadtrichterfrau lieb hatte. Mehr wie einmal Hatten die Oberdörfschen dem Lieb haber bei seinen Besuchen aufgelauert und versucht, ihn üurchzuprügeln. Dem listigen Burschen war es aber stets gelungen, rechtzeitig zu entweichen. Die Oberdörfschen hat ten eben keinen richtigen Anführer, deshalb unterlagen sie stets. Als nun gar einige Burschen aus den Nachbarorten Crostau und Callenberg sich an die siegreichen Kleinseitner anschlossen und dadurch die Streitmacht des Mälzerseff ver größerten, bekamen es die Oberdörfschen mit der Angst zu tun. Sie beratschlagten miteinander und beschlossen, zum Herrn Stadtrichter zu gehen. Der sah sie gar verwundert ankommen und fragte sie nach ihrem Begehr. Der Mutigste von ihnen nahm das Wort und erzählte, wie die Klein seitner sie nicht in Ruhe ließen und unter Führung des Mälzerseff Streit und Schlägereien begännen. „Darum bitten wir den gnädigsten Herrn Stadtrichter," schloß er seine Rede, „dem Mälzerseff zu verbieten, in die Ratsschänke zum Tanz zu kommen Ohne diesen werden wir mit den Kleinseitnern fertig!"