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solche seiner Brüder noch heutigentags, z. T. in hohem Ansehen und in fremden Erdteilen (Amerika, Australiens. Noch heute bewahrt die Stadt Kamenz ein wert volles Andenken an ihren größten Sohn, ein Bild ist es, was ihn als 9 jährigen Knaben mit einem Stotz Bücher zusammen mit seinem Bruder Theophilus darstellt. Ter andere Bruder Karl berichtet uns von dem Bilde: „Als ein Maler ihn im fünften (?) Jahre mit einem Bauer, in welchem ein Vogel saß, malen wollte, hatte die ser Vorschlag seine ganze kindische Mißbilligung. „Mit einem großen, großen Haufen Bücher," sagte er, „müssen Sie mich malen oder ich mag lieber gar nicht gemalt sein." Der Maler tat es, und wer das Gemälde sah, erfuhr diese Anekdote." Auch von Lessings Großvater bewahrt die Stadt ein Bildnis, ferner hat sie vor einigen Jahren ein Bild des reifen Lessing von Anton Graff gekauft. Noch fehlen aber für alle diese und andere Sehens würdigkeiten die geeigneten Räumlichkei ten. Um diesem fühlbaren Mangel abzuhelfen, hat die Stadt Kamenz beschlossen, in dankbarer Erinnerung an ihren großen Stadtsohn ein „LessingHaus" zu schaf fen, das ein geistiger Mittelpunkt, eine Stätte der Rück erinnerung und des Verweilens für alle, die Kamenz be suchen, sein soll. Aus eigenen Mitteln allein kann diese wich tige Aufgabe die Stadt nicht erfüllen, darum hat sie sich in Erwägung, daß eine Lessingehrung nicht Sache einer einzelnen Stadt, sondern des gesamten deutschen Volkes ist, an die breite Öffentlichkeit gewendet mit der Bitte: Helft das Lessinghaus in Kamenz bauen! Ihr unterstützt damit eine deutsche Angelegen heit! St. Neukircher Beinamen Von Erhard N i e r i ch - Neukirch Die Lausitzer Jndustriedörfer wachsen immer mehr, verschlingen Feld- und Waldfluren und reichen sich so die Hände, daß nur ein Schild an der Straßenseite verrät, daß hier ein neuer Ort beginnt. Dabei verlieren sie immer mehr ihre frühere Eigenart, und manche Orte Haben das schlichte Wort Dorf, das so wohlig nach Heu duftet, verächtlich bei seite geworfen und nennen sich nun stolz Stadt. Da mußt du schon auf ein kleines namenloses Gäßchen geraten, das irgendwo hintenrum führt und sich in die Felder verliert, um noch ein bodenständiges Bauernhaus zu entdecken, das sich mit moosüberwuchertem Strohdach über dem alters braunen Balkenwerk scheu hinter den leuchtenden Sonnen rosen im bunten Blumengärtchen versteckt; denn es schämr sich vor den neuen städtischen Steinkästen, die sich in knal ligen Farben an der Hauptstraße breitgemacht haben und aus großen Schaufenstern abends breite Lichtbänder auf die Straße gießen. Und die Straßen! Ja wieviel gab es früher? Eine Dorfstraße, eine Landstraße, einen Viebig, dann war's auch bald Schluß. Auch Neukirch ist dem Beispiele anderer Gemeinden gefolgt und hat seinen Straßen und Wegen neue Namen gegeben, die aus blauen Schildern an den Straßenecken dem Fremden das Zurechtfinden erleichtern. Zwar ist es bedauerlich, daß alte volkstümliche Bezeich nungen wie „an Liehms Hof", die auf das einzige, schon seit dem 17. Jahrhundert einem Lehmann (Lehnsmann) gehörige Freigut des Mitteldorfes zurückgeht, „Abprelle", „Dorsstratze", „Viebig" usw. verschwunden sind. Auch war es schließlich nicht unbedigt notwendig, daß das schöne alte Wort „Weg" in „Straße" verwandelt wurde; denn der sich durch Wiesen an schlichten Häuschen hinschlängelnde Mühl gutweg ist eben ein Weg und kann trotz blauer Schilder s leine Mühlgutstraßc werden. Doch die Anforderungen der i Neuzeit fragen nicht nach altem Brauch und Namen. Vereint mit dieser neuen Straßenbenennung dient das neue Adreßbuch dazu, dem Fremden das Zurechtfinden in dem über 5000 Einwohner zählenden Ort zu erleichtern. Da stehen sie nun alle schön dem Alphabete nach geordnet in dem kleinen Buche, alle die 68 Hultsche, 56 Lehmänner, 54 Richter, aber eigentlich ohne Namen; denn wenn ein Fremder nach Herrn Lehmann auf der Wilthener Straße, Nummer ?, Herrn Richter, Schulstraße Nummer ? oder Herrn Hultsch Bruno, Stiebitzstraße fragt, wird er meist verständnislosem Achselzucken begegnen. Erkundigt er sich aber nach Hansjahnsmoritze, dem Fichtelschenke oder dem Himmelstischler, wird ihm sofort von jedem Einheimischen der rechte Weg gezeigt werden. Das ist die Eigentümlichkeit des Dorfes, daß fast jeder zwei Namen besitzt, einen vom Standes- und Gemeinde amt beglaubigten und geführten und einen vom Volks mund beigelegten, der meistens über den echten dominiert und für den Volkskundler eine reiche Fundgrube ist; denu, um die Glieder der iu viele Aste sich verzweigenden alt eingesessenen Familien voneinander zu unterscheiden, wur den besondere Eigenarten, Beruf, Wohnort, Verhältnis zu Tieren, Zusammensetzungen mit Vaters und Großvaters Namen verwendet, die dem richtigen Namen beigefügt wurden oder ihn ganz verdrängten. Dabei zeigt sich die Vorliebe des Volkes dafür, mit einer gewissen schaden frohen Böswilligkeit kleine oder größere Schwächen und Verfehlungen des lieben Mitmenschen in seinem Beinamen zu verewigen, was für die Angehörigen und späteren Familienmitglieder, und oft pflanzte sich der Beiname durch Generationen fort, meist sehr unangenehm werden kann, weshalb auch die „Spitznamen" meist nicht gern gehört werden. Gar mancher wird daher nicht sehr erbaut sein, seinen Beinamen hier gedruckt zu finden, und ich möchte daher alle bitten, die folgende Zusammenstellung vom Standpunkte des Heimat- und Geschichtsforschers zu be trachten; denn durch Straßennamen und Adreßbuch werden die Beinamen doch bald verschwinden, und je größer ein Ort wird, desto fremder werden einander die Menschen, und ein Stück Volkseigenart ist wieder dahin. Die drei zu Anfang erwähnten Beispiele zeigen, daß der Beiname ost den wichtigen Namen ganz außer acht läßt. An den Namen Lehmann, der sicher andernorts auch nicht gerade zur Seltenheit gehören wird, sei hier noch gezeigt, wie der Volksmund durch Beinamen die Träger dieses gleichen Namens unterscheidet: Liehmschmied (Liehm - Abkürzung von Lehmann), Liehmale, Drachenlehmann, Maukschmoritz, Hansjahnsmoritz, Mühlhelf, Elis, Frei bauer, Kirchschmied, Butterwächter, Strumperch, Galvpp- schüster, Austn-Ehrgott, Austn-Tnnz, Gvtsch-Lehmanu. Die folgende Zusammenstellung, die nicht Anspruch aus Vollständigkeit besitzt, enthält die hauptsächlichsten und eigenartigsten „Spitznamen" meist in der mundartlichen Aussprache. Am meisten ist wohl im Beinamen der Berus enthalten, wie Mandltischler, Liebgottstischler, Schachtl- tischler, Bratmüller (Brettm.), Lnhmüller (Lohm.), Treugn- müller, Kleppermütter, Zimmermeestersch, Liehmschmied, Rechnschmied, Kühnschmied, Austnschmied, Schmtedsfriedl, Reusnschmied, Sauerschneider, Fritznschneider, Klingst- schneider, Krücknschneider, Galvppschuster, Pantoffelhart mann, Pantoffelporsche, Limonadenpetschel, Butterpietsch, Butterwächter, Kohlnwobst, Schnapsmerner, Mäuers-Trau- gott, Planierhentschl, Zigarrnsauer, Fellsauer, Seeler, Gurknthoms (Thomas), Griinthoms, Etzchthoms, Berg manns, Seegerkarl, Kuchnmarx, Blumpietsch, Gläslhultsch, Freibauer, Neubauer, Wächterlieb, Kirchvotersch, Büttner, Büttnerlobs, Kammscher (wendisch Hochzeitsbitter, auch der der Familie Weser beigelegtc Name Juri weist auf wen dischen Ursprung hin), an die alte Handweberei erinnern