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SS Dberlaufiher Heimatzeltung Äv.3 Dieser Eingang steht geschrieben im fünften Buch der Lehmklicker: David und Salomo waren große Sünder, Sie liebten hübsche Weiber und hatten viele Kinder. Was nun unseren alten, verstorbenen Mitbruder an- belangt und anbetrifft, so hatte derselbe vorn eine Flasche und hinten ein Saufhaus. Sein Vater war der ehr- und werteste Hans Steffen, Schweineschneider Hierselbst, seine Mutter war die brave Rauwaldstvchter aus Vogelsdorf. Diese beiden Eltern haben einen vortrefflichen Sohn ge- zeuget, sodaß er aufs hundertste Mal abgebildet worden, weil er so schön war. Denn er war wie eine gewälzte Sau und wie ein abgebleichter Kulkrabbe. Summa: Seine Ge stalt war wie ein Schweinigel. Als er nun ein wenig heran gewachsen und zu Verstände gekommen war, haben ihn seine Eltern auch fleißig zur Kirche und Schule gehalten. Da hat er denn das ABC-Buch wohl drei- bis viermal durchstudiert bis an den Hals, aber in den Kopf war nichts hineingekommen. Hierauf haben ihn seine Eltern in ein Dorf gebracht zum Schweinehirten, um allda das Hand werk zu erlernen. Da hat er sich auch recht treu und fleißig gehalten, sodaß der Knüppel keine Klage über ihn geführt hat. Nun ist er krank geworden und hat sich Knall aui Fall niedergelassen auf das linke Ohr und die rechte A . . . backe. Da hat man es ihm an einer kräftigen Medi zin nicht fehlen lassen, nämlich: Glockenklang und Vogel sang, das Eingeweide von einer Mücke und das Gerumpel von einer Brücke. (Derartige unmögliche Rezepte sind ein alter Bolkswitz und werden heute noch sehr gern ver wendet.) Dies alles hat man in einen hörnernen Mörser mit einem rauhen Fuchsschwanz zu Pulver gestoßen und dem Patienten fein nüchtern drei Wochen vor Michaelis eingegeben. Als nun alle diese kräftige Medizin nicht an schlagen wollte, ließ er sein Testament machen. Seinem Vater vermachte er seine alte, geflickte Hose, der Köchin die Lauseharke und der Magd ein paar alte Zähne und ein paar alte Schuhschnallen." (Diese Predigten sind alt und volkstümlich. Beliebt waren sie und sind es zum Teil noch in einigen Gegenden Deutschlands bei dem Begräbnis der Fastnacht oder des Faschings am Aschermittwoch. Sie waren jedoch meist nicht sauber. Auch unser Beispiel zeigt dies an einigen Stellen, obgleich es dabei noch zu den „Harmlosen" zu zählen ist.) Aschermittwoch ebbte dann die Freude ab. Wer am längsten schlief, wurde von Mägden und Kindern „abge lehrt". Weiter wurde der Hühnerstall und der Tauben boden gereinigt und mit Asche bestreut, damit das Un geziefer sich nicht darin halte. In einigen Orten durfte nicht gesponnen werden. Gewöhnlich wurden da noch die Febern der zuletzt geschlachteten Gänse gerissen. Sonst war das Federreißen in den Zwölf-Nächten Sitte. Man fütterte die Tauben von Aschermittwoch ab vier Wochen lang mit Brot, in das Anis gebacken war. Es wurde am Ascher mittwoch selbst gebacken. Durch seinen Genuß sollten die Tauben gut geraten und nicht wegfliegen. In einigen Ortschaften wurden die 17 —20 jährigen Burschen am Aschermittwoch von ihren älteren Genossen gestäupt, also tüchtig mit Ruten geschlagen. „Bengeln" nannte man dies. Nachdem jene sich dann durch Zahlung von Geld oder durch andere Gaben „gelöst" hatten, er hielten sie das Recht, im Gasthause am Tisch der älteren Burschen zu sitzen, in deren Gesellschaft zu verkehren usw. Am Aschermittwoch war es Sitte unter den Kindern, sich gegenseitig oder auch erwachsene Personen, denen sie zufällig begegneten oder die sie in ihren Häusern aufsuch ten, zu äschern, d. h. mit Ruten, die aus Besenreis, Birken zweigen oder grünen Wacholdersträuchen gemacht waren, zu schlagen. Bon den Geschlagenen erhielten sie dafür Bretzeln oder andere kleine Geschenke. Dabei sangen sie folgendes Liedchen: Ascher-Aschermittwoch! Eine Bretzel gib mir doch! Tust du mir 'ne Bretzel geben. Wünsch ich dir ein langes Leben. Oder es lautete: Ist der Peter schon dagewesen? Ein paar Eier, Ein paar Dreier, Ein Stück Speck! Gleich bin ich wieder weg! Zu Gotthold Ephraim Lessings 200. Geburtstag 1927 war das Beethoven-Jahr, 1928 ist das Dürer- jahr, 19 29 wird das Lessingjahr werden. Die Zeitgenossen haben in Gotthold Ephraim Lessing den Dichter und Denker, vor allem aber den Kritiker verehrt. Ohne Lessing ist die Entwicklung der deutschen Literatur mit ihrer Anlehnung an die stammverwandte englische und ihre Loslösung von der damals herrschenden französischen Richtung, in die sie ein Gottsched gepreßt hatte, undenkbar. Die Menschen unserer und der späteren Zeit werden freilich mehr den Dramatiker, den Dichter der Miß Sara Sampson, der Emilia Galotti, der Minna von Barnhelm und vor allem des Nathan vor Augen haben. Und doch sind diese Stücke, noch heute gern und mit Erfolg aufgeführt, nur aus ihrer Zeit heraus zu verstehen. Gotthold Ephraim Lessing wurde am 22. Januar 1729 in Kamenz, der alten Sechsstadt der Oberlausitz, geboren. Er war das 3. von 12 Kindern, von denen aller dings 5 in früher Kindheit starben. Die Lessings waren mit Kamenz eng verbun den. Der Vater des Dichters, Johann Gottfried, war ev.-luth. Geistlicher, bei Gottholds Geburt Archidiakouus, später Pastor Primarius an der Stadtkirche St. Marien. Seine Mutter Justina Salome geb. Feller war die Tochter des 1. Geistlichen an demselben Gotteshause. Der Großvater väterlicherseits Theophil us Lessing war Bürgermeister in Kamenz, ein Bruder von ihm Kauf mann, ein Sohn Buchhändler, ein zweiter damals Stadt schreiber, später Bürgermeister. Der Vater des Dichters war ein sehr gelehrter und belesener Mann, der mit bedeutenden Theologen der Zeit in Briefwechsel stand. Sein Einkommen war ein kärg liches, Streitigkeiten mit dem Stadtrat und einem jünge ren Geistlichen taten das übrige, um dem leichterregbaren Manne seinen Lebensabend zu trüben. Um so beachtlicher ist, daß der Primarius seinen übrig gebliebenen 7 Kindern eine gute Ausbildung zuteil werden ließ. Diese waren: 1. Dorothea Salome, 1727-1893, die unvermählt und verbittert in Kamenz verstarb. 2. Gotthold Ephraim, der Dichter. 3. Johannes Theophilus, der spätere Rektor der Stadtschule in Chemnitz. 1732—1818. 4. Gottfried Benjamin, 1735—84, der jung als cand. jur. in Kamenz starb. 5. Gottlob Samuel, 1739—1803, später Domänen amtsjustitiarius in Namslau (Schlesien). 6. Karl Gotthelf, 1740—1812, der spätere Münzdirektor von Breslau und Herausgeber der Werke und Briefe seines großen Bruders. 7. Erdmann Salomo Traugott, 1741—1760, starb als Soldat in Warschau. Während vom Dichter selbst, wie bekannt sein dürfte, keine direkten Nachkommen vorhanden sind, leben