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-Ne. 3 GveriausttzeeHelmarzvttuntt nach der wieder geschlossenen Gartentür starrte, sank, sein Mut noch mehr. Was sollte er noch da drin? Er wußte ja nichts mehr von seinem Bekenntnis, nicht eine Silbe war ihm mehr erinnerlich! Er wollte den lieben Gott um Hilse anrufen, aber alle Gebete waren vergessen. Sollte er sich noch vor den hochgelehrten fremden Herrn hinstellen, törichtes Zeug stammeln, sich von ihm ausfragen, etwa gar ins Zuchthaus bringen laßen? Ach, das war ja alles Un sinn, fürchterlicher Unsinn, und er konnte einfach nicht sich aussprechen und jemandem seine Sache klarlegen. Das ging und ging nicht! Es regnete jetzt stärker,' der Boden wurde glitschig und glänzte vor Nässe. Von den Ahornbäumen, welche die Straße umsäumten, schwebten langsam braune Blätter her nieder. Der Bauer schenkte all dem keine Beachtung,' er stand mitten auf dem Bürgersteigs die Fußgänger, denen er nicht Platz machte, streß len ihn mit verwunderten Blicken. Die Gartentür öffnete und schloß sich verschie dentlich,' Klienten kamen ins Büro. Von dem Turm der roten Kirche, der spitz in den Nebel hinaufragte, schlug es zehn Uhr. Der Bauer setzte sich wieder in Bewegung. Er sah nicht mehr nach der Gartentür, er kehrte nicht mehr um. Viel leicht wußte er nicht recht, was er tat,' seine Beine trugen ihn ohne seinen Willen. Den Stock stieß er mechanisch vor sich her. Manchmal taumelte er,' Vorübergehende wandten sich belustigt nach ihm um. In ihm weinte, klagte, ja schrie es. Einmal dachte er: „Heute paßte es nichts wirst ein andermal gehen!" Aber er wußte schon, ein andermal würde es auch nicht, niemals würde es. Was sollte da werden, ach Gott, ach Gott! Plötzlich stand er vor dem Bahnhof. In seinem Kopfe wirbelte es durcheinander, doch er biß die Zähne zusam men. Heim, nur heim, alles andere mußte sich dann finden! In zehn Minuten fuhr der Zug nach dem Heideland. Dem Manne am Schalter mußte er zweimal sein Be gehren sagens er lallte, als hätte seine Zunge keine Kraft mehr, und der Beamte warf ihm die Fahrkarte ärgerlich zu. Mit schweren, unbeholfenen Schritten ging der Bauer durch die Menschenmenge und durch die Sperre. Als er die Stufen in den Bahntunnel hinabstieg, fühlte er jenen langgefürchteten Blitz des rächenden Gottes, nur stürzte er nicht von außen hernieder, sondern barst gräßlich aus seinem Innern hervor, riß ihm die Arme in die Höhe, wirbelte tosend um sein Haupt, schleuderte ihn, wie einen gefällten Stamm die granitene Treppe hinab. Schreiend eitlen Leute Herbeis doch schon tropfte Blut eilends von Stufe zu Stufe. Frauen wandten ihr erblaßtes Antlitz hinweg, um den Toten nicht ansehen zu müssen. Fastnachtsfeiern vor 100 Jahren aus der Gegend von Zittau Die Feier der Fastnacht hat heute fast alles von ihrem früheren volkstümlichen Glanze eingebüßt. In den Städ ten merkt man von diesen gemeinsamen Belustigungen gar nichts mehr und auf dem Lande sehr, sehr wenig. Das war früher ganz anders. Damals feierte man den Abschied von der freudevollen Zeit mehrere Tage lang. So taten sich in einigen Dörfern die verschiedenen Spinnklubs zu gemein samer Feier zusammen. Die jungen Burschen kauften vom zusammengelegten und erbettelten Geld ein Kalb, das in Gesellschaft der jungen Mädchen in der Wirtschaft verzehrt wurde. Außerdem aß man dort auch die Würste, die man auf dem Bittgang bet den Bauern gesammelt hatte. So holten sich in einigen Dörfern zur Fastnachtszeit die Bauernsöhne und Knechte in den einzelnen Gehöften Brat wurst, Speck, Eier und Geld. Der jüngste Knecht, Eier hure genannt, trug einen Korb, in den die Gaben gelegt wurden. Eine gelb und rot gekleidete Mannsperson be gleitete den Zug uud teilte mit einer Peitsche nach allen Seilen Schläge aus. Er machte zugleich den Hanswurst. Bei diesem Umzuge erhielten die Burschen von ihren Mäd chen bunte Bänder, bisweilen auch seiöene Halstücher oder Stoff zu einer Weste. Die Bänder wurden wie eine Schürze über die rechte Schulter gebunden oder an die Mützen ge steckt. Die Tücher oder das Westenzeug wurde auf dem Rücken des Burschen befestigt. Dafür mußten dann aber auch die Burschen fleißig mit ihren Mädchen abends tan zen. Die Hauptperson des Umzuges war aber der Träger der mit bunten Bändern unü Schleifen geschmückten Schüttegabel. Die Bäuerin, die mit einem Spruch angeredet wurde, in dem um eine Gabe gebeten ward, suchte oft eine Ehre darin, die größte und beste Wurst aus ihrer Vorrats kammer dem Burschen an seine Schüttegabel zu hängen, sodaß dieser, obgleich er der größte und stärkste war, oft seine liebe Not hatte, den Wurstsegen fortzubrtngen. Abends wurde dann das ganze gemeinsam verzehrt. Neben der Jugend nahmen auch die älteren Bauern und Handwerker willig an der Feier teil, zumal oft mehrere Tonnen Bier von dem Gelde angeschafft werden konnten. Zwei Nächte wurden ganz dem Tanze gewidmet, die Tage aber mit Lust und Freude hingebracht. Da trieb man ohne Rücksicht auf das Wetter unter allgemeiner Teilnahme der Bewohner auf der offenen Dorsstraße seinen Mummenschanz. Ver kleidete Leute zogen unter anderem umher, die fremde Vögel zum Verkauf anboten. Sie ahmten dabei die Art der Ver käufer auf dem Markte nach, indem sie ihre gefärbten Sperlinge wegen ihrer Kunst im Singen lobten. Andere zeigten als Seltenheiten weiße Mäuse und gefärbte Ka ninchen vor, die angeblich aus fernen Erüteiten bezogen waren. Auch Orgelmanner fehlten nicht. Als Orgeln dien ten Käsebauer, die mit einer Sofadecke verhüllt waren. Einen Griff hatte man sich selbst dazu gemacht und schlug damit an Glocken von verschiedenem Klange, die man im Bauer aufgestellt hatte. Ganz wie die Bänkelsänger wurden auch Bilder gezeigt und erläutert, Bilder, die oft auf die dörflichen Ereignisse anspielten. Allgemeine Heiterkeit erregte die russische Schlitten fahrt, die bei Schnee durch das ganze Dorf gemacht wurde. Den Schlitten stellte man sich dadurch her, daß man in das Ende eines langen Leiterbaumes ein Loch schlug, eine Stange darein steckte und auf diese ein Wagenrad legte, das mit einer Seite die Erde berührte. Zwei Männer setzten sich darauf, vor den Baum wurde ein Pferd ge spannt, und die lustige Fahrt begann. Beim Tanze abends auf dem Saal durchdrang plötzlich die Menge der Ruf, es sei einer krank geworden. Man schickte nach einem Arzte. Dieser eilte sofort herbei und nahm eine Untersuchung vor. Dabei stellte sich heraus, daß der Erkrankte an einem Bandwurm leide. Dies festzustel len war nicht schwierig, denn der angebliche Kranke hatte aus der etwas aufgetrennten Hintern Hosennaht ein kleines Ende weißes Band heraushängen, dessen Knäuel in seiner Hose verborgen war. Der Bandwurm mußte entfernt wer den, wenn der Kranke gerettet werden sollte. Zu dem Zweck wurde eine Haspel herbeigeschafft und der Wurm aufgehaspelt. Doch der Kranke überstand die Operation nicht. Er starb und mußte begraben werden. Zu der Bei setzung erschien ein Pastor unü hielt ihm folgende Grab rede: „Hier unter diesem Leichenstein, Da ruht der Doktor Klapperbein, Gesegnet von uns allen. Sein Tod aühier ward ihm nicht schwer, Denn seine Saat war ringsumher Auf guten Grund gefallen, Friß Neid, Haß und Hader, Für Doktor, Feldscher unü für Bader.