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nun ein Scheit übrig, bleibt die Dirne ein Einspänner, wird im laufenden Jahre nicht heiraten. Bleiben aber zwei Scheite, steht ihr das zweispännige Bett in Aussicht. Aus dem Aussehen des Scheites kann sie auch auf die Gestalt ihres Liebsten schließen. Ist es krumm, wird auch der Schatz so sein. Die Anzahl der Aste verrät, wievielemale er schon verheiratet war. Bis heute allbekannt ist folgender Brauch: die Dirne stellt sich unter den Hühnerstall und klopft. Gackert ü'r Hoahn, Krieg'ch an Moan, Gackert de Henne, Krieg'ch kenn. Wie töricht dieser Brauch auch zu sein scheint, so ist es doch nicht ausgeschlossen, daß der alte Glaube an die propheti schen Gaben des Hahnes darin seinen Niederschlag gefun den hat. Ebenso wird es heute noch gern geübt, am Andreas- tage von einem Kirschbaume einen Aweig zu brechen und in Wasser zu setzen. Dabei muß das Mädchen sprechen: Kirsche, knacke dich, Feinsliebchen, lache dich. Wenn die Kirsche wird knacken, So wird mein Feinsliebchen lachen. Den Zweig steckt das Mädchen ins Wasser. Blüht er um Weihnachten, kriegt es einen Schatz. Im heutigen Volks brauch ist die Sitte gewöhnlich nicht mehr mit dem Liebes orakel verbunden. Auch Leute, die längst über ihr Lebens schicksal Bescheid wissen, tun es und freuen sich zu Weih nachten an den jungen Blüten. Vor allem aber glauben die Mädchen, daß der Traum in der Andreasnacht ihnen die Zukunft offenbare. Da streuen sie einige Haferkörner mit Leinsamen vermischt tn ihr Bett und in die vier Winkel ihrer Kammer. Dabei sprechen sie folgende Beschwörung: Eas, Keas, mein lieber Sankt Andreas, ich sä', ich sä' Haberlein, daß mir mein Herzallerliebster erschein in der Tat und in der Wahrheit, was er um und an sich hat. Da kommt der Zukünftige während der Nacht in leibhaf tiger Gestalt zur Tür herein. Andere füllen, bevor sie zu Bett gehen, zwei Gläser, das eine mit Wein, das andere mit Wasser, und setzen sie mit folgenden Worten unter das Bett: Ach heiliger Andreas fein, wer soll mein Allerliebster sein, mir diese Nacht im Traum erschein und nehme Wasser oder Wein. Hat sich das Wasser während der Nacht vermindert, kriegt sie einen armen Mann, ist des Weines weniger geworden, wird der Zukünftige reich sein. F. S. Wüstungen in Neukirch Von Ni er ich, Neukirch Den Jndustriedörfern unserer Lausitz wird ihr länd liches Kleid zu eng, sie dehnen sich aus, verschlingen Acker breiten und Bauerngüter, und wo noch vor hundert Jah ren eine einsame Mühle stand, rasseln die Maschinen einer Fabrik, und wo der Landmann Hinterm Pflug schritt, gra ben Siedler Grund zu neuen Heimstätten. Aus Feldrainen werden breite Straßen, aus schmalen Stegen breite Brücken. Niemand denkt aber daran, daß es wohl auch in jedem Dorfe Stellen geben könnte, wo es umgekehrt ist, wo sich ein Weg mit Rasen überzieht, Blumen blühen, wo der Planwagen des Fuhrmanns holperte, die Sense saftiges Gras schneidet, wo ein trauliches Balkenhaus sich unter blühende Bäume duckte. Dem aufmerksamen Wanderer fällt wohl manchmal der größere Abstand zwischen den einzelnen Dorfhäusern auf, und vor etlichen Jahren war hier noch eine kleine Wildnis, wo unter meterhohen Brennesseln, giftigen Stechapfelstau den und brennendem Mohn noch Treppenstufen versteckt lagen und Türbänder rosteten. Ein Brand hatte vor vielen Jahren das Haus vernichtet. Armut zwang den Besitzer, den Grund zu verkaufen und als Mieter in ein bescheidenes Stübchen zu ziehen und als vor einigen Jahren die ord nende Hand das Lanömannes die blühende Wildnis be seitigte, den Keller zuschüttete und die Steine fortfuhr, um mehr Heuertrag zu erzielen, da war auch die letzte Spur des alten Hauses verwischt. Wüstungen nennt man solche Orte, die einst Wohnstätten trugen, und der Name „Wustlche", den ein Gut am Abhange nördlich der Staats straße trägt, ist die durch den Volksmund verstümmelte Form des Wortes und bezeichnet die Stelle, auf der das Freigut des durch den Dreißigjährigen Krieg verarmten Geschlechts derer von Parzifeld stand, das 1631 von Kroa ten niedergebrannt wurde und als Wüstung lange liegen blieb. In dem ältesten Kirchenbuche wird 1629 eine „Neu mühle" (auch Naumühle geschrieben) genannt, die nach Dr. Pilk wahrscheinlich identisch ist mit der 1716 als verfallen erwähnten Kretzschmarischen Mühle, deren verfallene Rad stube noch um 1856 am „Flösse!", in der Nähe der Fohren brücke, zu sehen gewesen ist. Jetzt murmelt der Bach un gebunden durch ein blühendes Wiesental, wo einst das Mühlrad sich drehte. Selbst der Niederhof ist zum Teil eine Wüstung: denn als zu Anfang des 18. Jahrhunderts durch Vereinigung die beiden Rittergüter Niederneukirch und Oberneukirch in eine Hand kamen, erlangte der bau fällige, wohl auch ältere Niederhof nur die Bedeutung eines Vorwerkes. Nach dem Einsturz des baufälligen Herrenhauses wurde an dessen Stelle nur ein kleines ein stöckiges Wirtschaftsgebäude errichtet und der Hof durch Errichtung des östlichen Stallgebäudes wohl um die Hälfte verkleinert, so daß die Lindenallee, die einst nach dem Haupteingang führte, jetzt auf den leeren Grasplatz mün det. Auch das Oberdorf hatte einen Ritterhof, der aber be reits 1657 durch Verkauf in vier Bauernwirtschaften auf geteilt worden ist. In der südlichsten Buschecke, die östlich der Straße nach Naundorf von den Gickelshäusern, die zu Anfang des 18. Jahrhunderts auch Neuhäuser genannt wur den, nach dem Dorfe zu sich erstreckt, findet man noch unter Erlengestrüpp behauene Steine und Reste einer Grund mauer. Hier stand die übelberüchtigte Ziegelscheune, nach der öfters „Visitationen" (Haussuchungen) unternommen werden mußten, weil sie Unterschlupf für zahlreiches Diebesgesindel bot. Im Jahre 1800 hielt sich sogar eine 30 Mann starke Räuberbande im Meißnischen Kreise auf, deren Oberhaupt der berüchtigte böhmische Wenzel war. Die Ermordung des Bauern Schäfer in Niederneukirch 1771 war die Tat der 17 Mann starken Räuberbande, die der Zimmermann Frenzel aus Schmölln befehligte. Der artige abgelegene Gebäude boten ihnen natürlich einen will kommenen Unterschlupf dar. Auf der Höhe hinter den Gickelshäusern liegt das „Raubschloß". Der Name schon sagt, daß das Volk hier Überreste einer wehrhaften Ansied lung vermutet. Wenn es auch kein Ritterschloß war, was hier vor hundert Jahren gewesen ist, so zeigt doch der unter hohen Kiefern verborgene Doppelwall, in dem Knochen und Scherben gefunden wurden, deutlich die Anlage einer sla wischen Fanalstation. Um 1700 ist in vielen Rechnungen von einer „Badstube" die Rede, die tn der Nähe des Hof gerichtes gelegen aus einem einfachen Haus mit Wohnung hes Badedieners bestand. Sie diente vor allen Dingen dem Zwecke der Krankenheilung, wie verschiedene Rechnungen des Medikus Waizmann vom Jahre 1759 besagen. Sie stand für geringes Entgelt jedermann im Dorfe zur Verfügung. Eine öffentliche Vadestube für warme Bäder im Jahre 1759! Man scheint -och damals weiter gewesen zu sein als