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Toöeinsam sind die Wälder hier. Manchmal blitzt ein Glanz über Schloß und Hütten von den steilen Heiöeseen her über. Und ein tiefes Leuchten blühender Heide kommt zur Spätsommerzeit aus Wäldertiefen und von einsamen Hügeln. An den Straßen stehen Birken und Ebereschen im Wechsel. Die Lüneburger Heide kann nicht schöner sein. Würde man von Uhyst den Weg über Lohsa, Weißkollm suchen, käme man in die Besitzungen der Familie Stinnes. Dort in den Wäldern, wo es noch Hirsch und Schwarzwild gibt, stehen mächtige Kiefern, 28—30 Meter hoch. Hier hor sten Reiher und ziehen hoch in den Lüften ihre Kreise. Wanderfalken schrecken in ihrer Nähe. Ein anderer Weg führt über Merzdorf, wo die Kirche einstürzen würde, wenn sie nicht durch Holzpfeiler gestützt würde, und Sprey, wo eine der merkwürdigsten Kirchen der ganzen Lausitz als Blockhauskirche mit wundervollem holzgeschnitztem Altar bild steht. Das Dorf Tschölln an der Spree war einst ein lebhafter Marktort. Mit dem Bahnbau hat es seine Bedeu tung verloren, und jetzt liegt es einsamer als je tief im Wald. Die Abendsonne umloht schon die dunklen Kronen der Kiefern mit Glut und Glanz, als wir über Neustadt nach Burghammer, das zu Lauchhammer gehört, einbiegen. Hier kann man Rast machen, wie wir beim Freund, dem Förster. Er kennt die Wenden, ihre Sprache, ihre Lieder, ihren Cha rakter und kann mancherlei von ihnen erzählen. Das macht die Abendstunde vertraut und schön. Am anderen Tage geht es in der frühen Morgenkühle wieder hinaus. Die Straße führt von Burghammer nach Spremberg. Hinter Neudorf leuchten die ersten Halden hell und gelb über den Wald. Der Volksmund nennt sie „Kip pen". Dahinter liegt die Grube Brigitta mit Wohnbaracken und Werken. Immer tiefer reißen dort die Bagger Land und Erde auf. Immer höher werden die Kippen. Schon geht man daran, sie planmäßig aufzuforsten. So werden in Jahr zehnten Bergwälder und Waldseen dort entstehen, wo wir heute Ödland sehen. Hinter Zerre stellt Trattendorf die Gebäude des Großkraftwerkes, das seine Elektrizität nach Berlin liefert, in ungeahnter Großartigkeit und prachtvoller Wucht in Szene. Wenn je Industrie sagen möchte, daß auch sie Schönheit im Leben sei, dann hat sie es hier unbestreit bar ausgesprochen. Und wer etwa nachts von Hoyerswerda nach Spremberg fuhr und die tausend und aber tausend Grubenlichter und die flammenden Öfen mit ihren roten Fanalen aus der Ferne sah, müßte diese Poesie der neuen Zeit tiefempfindend miterleben. Neue Zeit bedeutet auch Spremberg. Es muß hervor ragende Stadtbaumeister haben,- denn was hier und über dem Ufer der Spree an Arbeiterkolonien und Siedlungen geschaffen worden ist, beweist jenen Geist, der den Menschen die Wohnung zur Heimat machen will. Dabei wird es aber darauf ankommen, daß diese hier beheimateten Menschen ihr rationales Denken von jenem irrationalen Fluidum durchströmen lassen, das wir Geistigkeit und Herzlichkeit nennen, die beide berufen sind, den Menschen an der Ma schine über die Maschine zu erheben, wodurch das Leben überhaupt erst zum kulturwerten Eigenleben gesteigert und gestaltet werden kann. Die Straße von Spremberg nach Kottbus führt ein mal durch schönen Wald und gibt dann den Blick über Dör fer, Wiesen und Ackerbreiten weithin frei. Kottbus selbst ist der geistige, wirtschaftliche und kulturelle Sammelpunkt der Nieüerlausitz, wie Bautzen für die Oberlausitz,- nur hat Kottbus einen lebhafteren Pulsschlag und ist östlicher ge richtet. Es will mehr zur Oder, Bautzen neigt zur Elbe. Darf zudem das geistige Leben von Kottbus nach dem Äußeren seines Theaters beurteilt werden, so muß es ein schönes, großgedachtes Leben in dieser Stadt sein, die ja übrigens Gelegenheit hatte, zu -eigen, daß sie eine Situa tion zu erfassen weiß, als die amerikanischen Ozeanflieger in der Nähe landeten und begeistert ausgenommen wurden. Kottbus ist als Ausgangspunkt zu Spreewaldfahrteu be kannt. Man streitet oft, wenn der Spreewald am schönsten sei. Vielleicht im Winter? Den hohen Sommer fürchten viele. Herrlich jung und schön bleibt es unbestreitbar im Frühling, im ersten Licht der Birken! Spätsommer aber und früher Herbst, Septemberwonne wie Oktobergold er füllen das Land wie eine Schale. Da blüht es um Gehöft und Gärten, flammend, lohend, wuchernde Freude in Geor ginen, Chrysanthemen und Dahlien, verglühende Liebe in Rosen und Gladiolen, hinsterbende Lust der feurigen Boh nenblüten an braunem Gestänge. Das alles überwölkt der herzhafte Geruch von Dill und Thymian und allerhand Gartenkräutern. Weinlaub dörrt an den Spalieren. Blaue Trauben schwellen in letzter Sonne. Nüsse fallen. Da steht ein Alter im Schuppen am Hause und kocht Pflaumenmus. Mit wahrem Behagen rührt er die schwarzbraune, duftende Masse, zerreibt die Schalen der Nüsse und gibt das als Würze bei. Auf den Gartenbeeten liegen Berge von Kür bissen, Gurken und Tomaten. In den kleinen, flachen Spree waldbooten verlädt man Kraut und Früchte, um sie nach Lübbenau zu Markt zu bringen. Drüben auf den Feldern schwellt der dicke, beißende, herbstliche Rauch der Kartoffel feuer. Kinder springen hindurch, heute, wie wir ehedem. Und dann beißen sie voll Lust in die schwarzgebruzelten Erdfrüchte. Rufe fliegen herüber und hinüber. Altweiber- > sommer spinnt und wirrt uns ins Haar. Ins versponnene ? Haar! Und die Mädchen winken uns zu. Herbst ist es geworden. Rostrote Kastanienblätter zit- s tern über uns. Immer führt unser Weg am Wasser ent- ! lang. Jeder Weg eine Träumerei an sich. Jeder Ausblick l ein Bild. Das ist der Spreewald. Am Morgen sind wir mit unserem Fährmann zu s stundenlanger Fahrt bereit. Er hat uns Heu unter die Füße gelegt und Decken über die Knie. Die Sonne wärmt, so gut sie kann. Leise singt der Kahn sein Weglied im Wasser. Leise kommt das Grüßen herüber von Gehöften, Dörfern, Kolonien. Traumhaft schön das stille Gleiten. Trauerweiden hängen ihre Zweige tief hernieder, und wenn ein Wind hauch sie durchwühlt, ists, als klängen Harfen der Wehmut. Hinter Lehde tut sich die Landschaft mit den Kulissen der Weite auf. Dünn ist die Luft über den Wiesen. Fein wie zerbrechliches Glas. Die goldenen Schellenbäume der Bir ken machen eine verwirrend süße Musik. Ein blasses Ver gißmeinnicht steht frierend am Ufer. Ein Heuboot kommt uns lautlos entgegen. Wie Duck-Duck-Tänzer laufen die Heuhaufen am Ufer hin. Dann tut sich der Hochwald auf. Wundervoll werden die Spiegelungen. Es ist, als führe man in der Tiefe, einem versunkenen Vineta entgegen. Und dann schließt man die Augen ein wenig, wie Maler tun, wenn sie ein Bild erfassen wollen. In blausilbernem Schimmer erscheint nun die Welt, so schön, wie wir sie in unserer Jugend durch ein knitterndes, märchenhaftes Hauchblatt sahen. Zierlich schwingt sich eine Brücke über unsere glückliche Fahrt, zierlich, leicht, und doch ein Stück primitivster Kultur. Und immer sanfter gleitet unser Boot. Woher? Wohin? Da löst sich ein Blatt vom Baum. In leise wirbelndem Fall geht es hernieder und sinkt mit ent sagungsvollem Seufzer ins Wasser. Wie ein kleiner Auf schrei klingt das. Ein Leben ist dahin. Da zittert unser Herz. Wie die Stunden enteilen! Wie das Leben enteilt! Schon brennt die späte Sonne über Wald, Wasser und Weide. Es wird kühl, und es will Abend werden. Wir müssen heim. DverkEKMMer Gd andsreule