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Ar. 25 GberlauflHer HelmalzeUung 3ß5 das Schloß, auf welcher ein Richter seinen Sitz hatte, der über die Vasallen sprach, hat jedenfalls in der Nähe des früheren Gasthofes „Zum Schwan" sich befunden. Es spricht noch heute dafür der Name „Schloßgasse", sowie, daß man hinter dem Gasthofe (im Gartengrundstück des Herrn Carthaser) in den 60 er Jahren in bedeutenden Tiefen auf ein altes Gemäuer und Gewölbe stieß, wie sich auch unter irdische Gänge nach der Stadt vorgefunden haben, und daß der jetzige Müllerteich wahrscheinlich den Wallgraben um bas Schloß bildete. Aus einer Urkunde vom Jahre 1229 ergibt sich, daß schon damals die hiesige Stadt der Sitz eines Burgvogtes war. Ob damals unser Ort bereits Stadt war, ist mit Bestimmtheit nicht nachzuweisen, es darf dies aber aus dem Sitze des Burgvogtes als ziemlich sicher an genommen werden. Dagegen wird Reichenbach in der Ur kunde vom Tage Crispini 1346, mittelst derer die Brüder Krystian und Ramsold v. Gersdorf, Besitzer von Reichen bach, die Artikel der Tuchmacher bestätigen, ausdrücklich als Stadt genannt. Das steht jedenfalls fest, daß unser Ort mit zu den ältesten oberlausitzer Städten gehört. Was zu nächst die Lage der beiden Stadttore betrifft, so befand sich das „Niedertor" bei dem jetzigen Gasthaus zur Krone an der Löbauer Straße, das „Obertor" dagegen bei dem heute Mättigschen Hause. Von dem Geschlecht derer von Reichen bach, einer Patrizierfamilie, gab der Vortragende verschie dene geschichtliche Aufzeichnungen. Auch die Richtersche Chronik von Reichenbach unterzog er einer eingehenden Betrachtung. Wir haben den Ort Reichenbach in Deutsch land etwa 30 mal zu verzeichnen. Interessant waren seine Schilderungen in Bezug der früheren Straßenverhältnisse, wobei er ausführlich auf den damaligen Verkehr zu sprechen kam. Zum Schluß seines interessanten und lehrreichen Vor trages regt der Vortragende an, einen Stadtplan aus der ältesten Geschichte der Stadt Reichenbach auszuarbeiten nnd bat hierzu um Unterstützung der Mitglieder. An den Vor trag schloß sich eine sehr rege Aussprache, wo u. a. auch das Vorstandsmitglied Nicht einige geschichtliche Aufzeichnungen aus der älteren Geschichte Reichenbachs schilderte. Unter dem geschäftlichen Teil wurde das Winterprogramm des Vereins festgelegt. Die nächste Versammlung findet am 20. November in der „Sonne" statt, in welcher Herr Lehrer Titze einen Vortrag zugesagt hat über das Thema „Reichen bach OL. im Jahre 1800". Von Seiten der Vereinigung soll versucht werden, die beschädigte Windmühle am Töpfer berge, das alte Wahrzeichen Reichenbachs, wieder in Ord nung zu bringen. Dankbar wurde anerkannt, daß Herr Bräuer-Löbau dem hiesigen Heimatmuseum einige seiner Sammlungen überweisen will. Mit Worten des Dankes schloß hierauf der Vorsitzende die gut besuchte Versammlung. MD^ernverfttrnrnrrng Wie der kurze Dag vsrglükt ivntsr blauen Bergen, ek der scbneile llbend kommt, sckickt die dunklen Scbergsn. Säst entlaubt dis Bäume stskn, welkes Laub zu Nutzen — rostrot prangt nocb manckes Blatt, letztes Berbstesgrützen. Line Stille, wundersame, über Weg und Weite, daß des Winters Sckweigen sicb sanits vorbsrsite. Und du stekst und scbaust, wie bald Dämmer bullt dis §erne, und der blanke Sickelmond lockt die ersten Sterne. M-rg. N-ich«l-K-irg«i>. Die Mühle im Grunde Von E. Ni er ich, Neukirch Der Weg führt vom Dorfe weg durch goldenen Acker segen an leise nickenden Ähren und blauäugigen Korn blumen vorüber, schlängelt sich über ein Wiesenbächlein, steigt an blumigen Grasbreiten empor und verschwindet in altem Buchenwalde. Auf weichem Moospolster schreitet der Fuß,' nur hin und wieder lassen die dichten Laubkronen ein verstohlenes Sonnenkringel durchblitzen, das huscht über zarte Farnwedel, überzieht dien alten Buchenstamm mit samtigem Gold und bleibt kreßfarben auf dem Wege liegen. Dann senkt sich der Weg hinab ins Tal und hält eine Zeit lang wacker Schritt mit dem lustig gurgelnden Flüßchen, das sich unter riesigen Pestwurzblättern zu verstecken sucht. Doch wenn der neue Wandergeselle in den schattigen Buchen hain eintritt, der hier bis zur Talsohle reicht, dann wird auch er ehrfürchtig still. Fast unmerklich fließt das Wasser dahin und steht dunkel wie Rehaugen zu den alten Stäm men empor, die ihr grüngoldenes Blätterdach schützend darüber halten. Auch der Weg drückt sich scheuer an einer Felswand vorbei. Doch da leuchtet aus dem grünen Ge wirrs das rote Dach einer Mühle, und nun ists vorbei mit aller Feierlichkeit der beiden Gesellen. Schäumend stürzt sich der Bach übers Wehr, breiter, sonnenüberflutet geht der Weg freudig seinem Ziele zu. Eselsteg nennen die Leute diesen anmutigen Pfad, doch ists schon lange her, daß des Grundmüllers Esel die Säcke hier ins Dorf trug. Eigent lich rot ist das Dach der Mühle garnicht. Alle Farben vom grün-goldenen Leuchten bis zum violetten Schatten sind auf den moosüberwucherten alten Ziegeln aufgetragen. Am fachwerkgeschmückten Giebel steht stolz die Jahreszahl 1768. Doch das ist nur das Jahr des Neubaues, nachdem im Siebenjährigen Kriege ungarische Kroaten das alte Ge bäude weggebrannt hatten. Daß hier in dem stillen Tale das Räderwerk einer Mühle zuerst schnarrte, ist noch viel, viel länger her. Feiner Mehlstaub siebt aus der Türe, in der der weiße Müller erscheint und einige Augenblicke in die Helle Sonne blinzelt, um dann in der dunklen Rad stube zu verschwinden. — Länger schieben sich die Schatten des Waldes über die Wiese,' der letzte Abendsonnenstrahl hat schon längst das alte Mühlendach verlassen und hängt nur noch im Gezweig der großen Eiche, die als Wächter auf dem Talrande steht. Tintenfarben ist das Wasser geworden, Nebelstreifen damp fen aus dem Mühlgraben und geistern an den alten Buchen entlang. Da schiebt auch der Müller den Hebel zurück, daß das Mühlrad langsamer geht, um endlich mit einem letzten Seufzer stille zu stehen. Er wischt die staubigen Hände an den mehligen Hosen ab, tritt vors Haus, schiebt die Mütze ins Genick und kratzt sich den kahlen Schädel. Ja, jetzt in der Dämmerung erscheint der Müller fast unheimlich. Alles ist weiß an ihm, wie die Schleier der Elfen, die drüben am Walörain ihren nächtlichen Tanz beginnen. Sein bart- und wimperloses Gesicht, in dem nur die dunklen Augenhöhlen zu sehen sind, wirkt spukhaft. Ist hier die Geistermühle, von der der Balladensänger Loewe singt? Da leuchtet ein Fenster auf, und gar traulich ists in der alten Schankstube. Die Schankgerechtsame liegt schon seit Jahrhunderten auf der Mühle, und gar bald polterts in dem Hausflur. Der herrschaftliche Förster tritt herein, hängt sein Gewehr an das Gehörn eines Spießers, das aus der alten Holzver kleidung ragt. Dann kommt der Dorfarzt, den ein Kranken besuch zufällig hier vorttberftthrte. Darauf tritt der Herr Pfarrer ein. Ein Amtsgang hielt ihn länger auf, und so hoffte er. hier Gesellschaft zu finden, um nicht allein durch den dunkeln Wald zu müssen, daher trinkt er auch nur ein Kleines. Prustend und schwankend tritt mit feuerrotem Ge sicht der dicke Gutsinspektor in die Stube, von dem seine Knechte behaupten, er zöge seine langen Kanonensttefel auch