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ben-Wenden heimlich ihren verbotenen Göttern dienten. Bei dem halbverfallenen Gemäuer des alten Eulenturmes, hart am Fuße der Stadtmauer gelegen, war eine Niede rung, ein unheimlicher, spukumschauerter Fleck. Dorthin stahl sich Agnes im Dämmergrau mit erschlichenem Aus weise an der Torwache vorbei. Dort wartete Hans Krähe ihrer, nicht einmal, nein zehnmal, so viele Male als der Monat Tage zählte. Das herbstlich raschelnde Gebüsch deckte das Paar vor Späherblicken. Aus der schlängelnden Wesenitz stieg Nebel auf, machte alles Ausrechtstehende ge spenstisch verschwommen und lieh dem sündigen Spiel seinen bergenden Schleier. Hohnlachend sah Flyns, der Finstere, sein Werk ge lingen, und der gute Gott der Liebe, Swantewit, wandte sich traurig ab. So in Verblendung verstrickt war Agnes von Haug- witz, daß sie frohlockend ihr Glück nannte, was abgründige Schmach war. Obschon Agnes beinahe täglich ihre Freunde lächelnd betrog, entging Donatens mütterlicher Wachsam keit das unnatürlich gespannte, zerfahrene Wesen der Freundin nicht. Was konnte Agnes so aus ihrem Gleich gewicht bringen, außer der Trauer über das Unglück und die Trennung des Geliebten? Bestand da etwa noch eine Schuld, die ihr Inneres trübte? Als Agnes von einem ihrer tagscheuen Gänge wiederkehrte, tastete sich Donate mit vorsichtigen Fragen an sie heran — und brach fast zu sammen unter dem halben Geständnis, das Agnes ihr un umwunden entgegenschleuderte. Agnes stand hochgercckt da, die funkelnden Angen voll anfgeschlagcn. Sie ballte die feinen, wunderschönen Hände zu Fäusten und verließ das Gemach. Vor Entsetzen betäubt blieb Donate zurück. Die lichte Welt ihrer Vorstellung sank in Trümmer. Angesichts des Ungeheuerlichen, nicht zu Ende zu denkenden, zu dem Agnes, die stolze, weltfremde, herzensreine Agnes sich hatte hinreißen lassen, wer mochte da noch trauen, sich und den anderen? Eine ahnungsschwere Erkenntnis überkam Frau Do nate, daß auch sie noch nicht die tiefste Tiefe ihres eigenen Inneren ausgemessen hatte. Am Bautzner Tor Nikolaustag war vorüber. Es ging schon stark auf Weihnachten zu. Allein alles andere als weihnachtliche Ge danken rief das fieberhaft bewegte Leben innerhalb der Bischofswerdaer Mauern hervor. Reiter kamen täglich von Stolpen her angejagt und schafften Briefe mit dem bischöf lichen Haüssiegel aufs Rathaus, wo der wohledle Rat sorgenvoll stundenlang beisammensaß. Boten wurden nach allen Richtungen abgeschickt, nach Dresden, nach Stolpen, nach Prag. Alles drängte der Entscheidung entgegen. Der Raufbold Carlvwitz hatte nun wahrhaftig der Stadt Bischofswerda regelrecht die Fehde angesagt. Trotz dieser unerhörten Herausforderung verhandelte man güt lich mit ihm, unterließ freilich derweilen nicht, Tore und Mauern vor einem etwaigen Handstreich hinreichend zu sichern. Carlvwitz lehnte aber jede Verhandlung ab und schrieb grimmig an den Rat der Stadt zurück, daß seine Geduld zu Eude und er sich nicht länger an der Nase herumführen lassen wolle. Der Zuschendorfer hatte seinen besonderen Haß auf die Stadt. Veit Umblaufft und seine Schützen brüder wußten warum und lachten. Waren doch etliche zwanzig handfeste Kerle ans ihrer Mitte es gewesen, die wenige Tage vorher den Carlvwitz selbst vor Stolpen er bärmlich querfeldein gehetzt hatten. Sie hatten sich nach Stolpen zur Verteidigung anwerben lassen, da der Carlo- witz wieder vor die Feste gerückt kam, diesmal bei Tage, um sie mit halbwegs ansehnlicher Wehrmacht zu berennen. Schmählich mußte er abziehen und sein Mißgeschick ward im ganzen Stiftsgebiet bejubelt. In Bischofswerda machte man sich nunmehr ernstlich auf den Ansturm gefaßt. Keiner war sich einen Augenblick im Zweifel darüber, daß der Carlvwitz glänzend abgeschla gen würde und mit Schaden abziehen müsse. Mit Wonne rüstete sich ganz Bischofswerda, es dem Friedensbrecher und Verwüster ihrer Fluren gehörig einzutränken. „Er soll Herkommen und sehen, daß es leichter ist, gegen Sänherden Krieg zu führen, als eine gute Stadt einzuneh men," spöttelten die Bürger. So war man guter Dinge in Erwartung des Angreifers. Überhaupt herrschte jetzt in der Stunde der Gefahr eine fröhliche Einmütigkeit wie lange nicht in der Stadt. Nun, da sie sich tatsächlich vor die Wahl gestellt sahen, Verrat oder Treue gegen ihren r chtmäßigen Herrn zu üben, war doch keiner unter der Bürgerschaft, der Partei für den Landschänder Carlvwitz genommen hätte. So langte der Brief des Bischofs aus Prag, worin er sei nen getreuen Bischofswerdaern ans Herz legte, doch ja seine Stadt keinem Räuber preiszugeben, just zu günstiger Stunde an. Die Ereignisse spitzten sich zu. An einem Nachmittag spät im Dezember hatte man ausgekundschaftet, daß die Carlowitzischen nach Bautzen zu auf der Lauer lägen. Inzwischen war die Nacht angebro chen, und noch ließ sich nichts Verdächtiges vor dem Bautz ner Tor blicken. In der Nacht ging es lebhafter zu als am Tage. Denn niemand, ein paar Kranke und Alte abgerech net, hatte in dieser Nacht Lust, sich aufs Ohr zu legen. Viel mehr drängte alles, was Beine hatte, der Bautzner Gasse und dem Bautzner Tore zu. Dort wimmelte es von Män nern und Frauen, die absonderliches Verteidigungsgerät jeder Art herbeischlepptcn. Eimer mit kochendem Wasser und siedendes Pech wurden bereit gestellt, im Notfall den Eindringlingen einen heißen Empfang damit zn bereiten, falls wirklich das Tor gestürmt werden sollte. Indessen dürfte es damit gute Weile haben. Oben auf den Mauer wehrgängen hallten Befehle hin und wider. Dorthin hatte man die Alteren der Bürgerwehr postiert, denn das Ziegel dach und die feste Brustwehr gaben einen guten Schutz gegen heranschwirrende Geschosse. Jakob Birckner hatte im Wachttorturm seinen Platz bei der Mannschaft, die er befehligte, eingenommen, und am Tore selbst scharten sich die jungen Schützenbrüder, Veit Umblaufft voran, um die mächtige seidene Stadtfahne, die im Kampfe vorauzutragen des Bürgermeisters Pflicht und Ehre war. Tanners Augen sprühten Blitze vor Lust am bevorstehenden Kampfe. Aller zwei Stunden wurde die Bürgerwehr durch eine andere Abteilung ersetzt. Die Ab gelösten stapften taktfest singend dem Markte zu, sich vor erst einmal im gastlichen „Löwen" die Glieder zu wärmen. Alles vollzog sich in bester Ordnung. Natürlich waren alle aufgeregt, aber die gesamte Bürgerschaft trug eher über legene Lustigkeit denn irgendwelche Furcht zur Schau. (Fortsetzung folgt.) Lausitzer Abend in Dresden Die unter der rührigen künstlerischen Leitung des Herrn Metelmann stehende Vereinigung „Volkswohl" ver anstaltete kürzlich unter der strebenswerten Voraussetzung, zu mäßigen Eintrittspreisen eine gute Volkskunst zu bie ten, einen speziell „Lausitzer Abend", der vor einem zahlreichen Publikum anregend und abwechslungsreich ver lief. Vorerst hielt Martin Weise einen in seiner übersicht lichen Art gut gegliederten Vortrag über die „Schöne Lausitz" mit Lichtbildern. In kurzen, aber sehr eingehen den und charakteristisch die einzelnen Städte und Gegen den behandelnden Einführungen streifte er die wesentlichen Charakterzttge der ganzen Lausitz, von Kamenz, der bald jubilierenden Lessingstadt, über die Wendet, Kloster Marien- stern, Pulsnitz, die Pfcfferkuchcnstadt, Löbau, Bautzen, mit