Volltext Seite (XML)
Kurzgefaßte Nachricht von dem Entstehen und dem Fortgang der Brüdergemeine zu Kleinwelka bey Gelegenheit ihres Jubel-Gemeinfestes am 2. July 1808 entworfen Non Erwin Ritter Die Erstlinge der hiesigen Gemeine waren aus der wendischen Nation. Dieses durch mancherlei» widrige Schick sale unterdrückte Volk, bey welchem noch in der Mitte des 17. Jahrhunderts das Schreiben unbekannt war, bekam erst im Jahr 1727 eine Übersetzung der heiligen Schrift in seiner Sprache. Die seligen Folgen dieses Gnadengeschenkes zeig ten sich sehr bald. Der Heiland bediente sich öeßelben, so wie mehrerer ausgezeichneter Männer, z. B. des Pastor Pech in Bautzen, des Pastor Kühn in Klix und anderer, zu einer allgemei nen Erweckung unter den Wenden. Es fanden sich viele Seelen, die ihre Seligkeit ernstlich suchten. Diese schloßen sich zu erbaulichen Versammlungen zusammen, und hatten begabte Führer aus ihrer Mitte, welche mit Geist und Kraft voir der Gnade zeugten, die sie an ihrem Herzen er fahren hatten. Ein solcher war z. B. der sel. Br. Martin Foerster, so wie auch der sel. Br. M. Lange. Sie scheuten weder Spott noch Verfolgung, lasen, sangen, beteten mit einander und besuchten auch bald die Gemeine in Herrn hut, wo einst im Jahr 1735 gegen 200 Wenden sich einfan den, die auch unterwegs geistliche Lieder sangen und sich die Zeit unterwegs zu Nutze zu machen suchten. Der damalige Ober-Amts-Hauptmann Graf von Gers- öorf, ein treuer Freund und Bekenner des Heilandes, freute sich dieser neuen Gnadenregung und suchte sie auf alle Weise zu befördern. Er richtete eine wendische Prediger- Konferenz ein, bestellte Besucher aus der Nation, welche von ihren Verrichtungen vierteljährig Nachricht ertheilten, rief, da sich in der Folge Schwierigkeiten zeigten, den da maligen Hof-Prediger Clemens von Sorau zu Hülfe, suchte bei den Ebersdorffischen Anstalten Unterstützung, konnte aber dennoch die gewünschte Vereinigung nicht er reichen. Es entstanden Spaltungen, welche der guten Sache die äußerste Gefahr drohten. Er wendete sich nun an den Grafen von Zinzendorf, welcher im Jahr 1746 Geschw. Huberts nach Teichnitz, einem Gute des Grafen, abschickte, um sich von da aus der er weckten Wenden anzunehmen. Geschwister Huberts kamen also in nächster Nachbarschaft des Dorfes Oehna, wo in der Hetdenzeit der Hauptort der Verehrung des vornehmsten Götzen der Wenden gewesen war. Dise Geschwister l-Eheleute) Huberts reisten nun herum, suchten alle Streitsütze zu vermeiden und allein auf den Herzensgenuß aus Jesu Verdienst hinzuarbeiten. Alle Sonntage wurden von besuchenden Brüdern aus Herrnhut in Teichnitz Versammlungen gehalten, bis Geschw. Hu bert durch Bruder Herzen abgelöst wurden. Dieser, ein Studiosus, lernte die wendische Sprache schnell und fertig; übersetzte viel Gemeinde-Reden, gab ein Gesangbuch unter dein Titel: „Stimme der Braut Jesu" heraus und predigte alle Sonntage mit großem Nachdruck. Da er im Jahr 1750 selig heim ging, kamen Geschw. Biefers nach Teichnitz. Diese erweiterten die vorgefun denen Einrichtungen mit sichtbar glücklichem Erfolg, so daß man die schönsten Hoffnungen vor sich sähe, als der im Jahr 1751 unerwartet erfolgte Heimgang des Grafen von Gers- dorf die ganze Sache zerstören zu wollen schien. Einige Zeit vorher, im Jahre 1745 hatte der sel. Br. Math. Lange das Rittergut Kleinwelka erkauft. Er dachte dabey auch an den Zweck, daß die Geschwister bey ungünstigen Umständen einen Zufluchtsort haben möchten, und glaubte diesen um so mehr hier aufsuchen zu müßen, da der Graf von Zinzendorf schon vor mehreren Jahren bey einem Besuch den Gedanken geäußert hatte, daß er vest glaube, an diesem Orte werde einmal eine wendische Ge meine gedeihen. Da nun die Geschwister erfuhren, daß der neue Besitzer von Teichnitz ihnen ihre bisherigen Zusam menkünfte dort nicht mehr erlauben wolle, so nahmen sie Bänke, Tische und was sie sonst zu ihrer Einrichtung hat ten und trugen es in das Herrschaftliche Haus nach Klein- welka. Die Theilnehmer an den Versammlungen vermehrten sich so, daß der dort zurecht gemachte Saal von Zeit zu Zeit vergrößert werden mußte. Es fanden sich auch mehrere herbey, welche sich hier an zubauen wünschten und dazu Erlaubniß erhielten. Der Noth um Brunnen-Wasser, die gleich Anfangs drückend war, wurde unerwartet abgeholfen, da der bis jetzt noch brauchbare Quell gegen Groß-Welke zu — nach langem Suchen aufgefunden wurde. So entstand nach und nach, ohne einen vorher angeleg ten Plan unser Gemeinort, dem man zuerst den Namen Wendisch-Niska beylegte, welcher sich aber in der folgenden Zeit wieder verlor. Den Sinn und die Absicht unserer ersten Geschwister drückt folgender von ihnen damals gesungener Vers tref fend aus: „Warum sind wir beysammen, Geschwister? Daß die Flammen Von Jesu Altars Kohl'n Die kalten Herzen zünden Und wie ein Herz verbinden: Wer das fühlt, dem ist's bey uns wohl. Wenn Eigensinn nud Tücke Oder des Geizes Stricke Ein ander Ziel gesetzt, Wens Rotten Triebwerk plaget, Der glaub es, wenn man saget: Daß er sein Heil nicht kennt noch acht't. Man suchte auch bald einen Anfang zu zweckmäßigen Ein richtungen für die ledigen Chöre zu machen. Schon im Jahre 1751 bezogen einige ledige Schwestern ein Gewölbe im Herrschaftlichen Hause und einige ledige Brüder bauten sich auf eigene Kosten unterm Dache eine Stube aus. Hier schliefen sie und arbeiteten wenn sie zu Hause waren. Meist aber suchten sie sich auf den benachbarten Dörfern mühsam etwas zu verdienen. Auch rvurde in ihrer Stube Knabenschule gehalten und Sonntags allen besuchenden Ledigen Herberge gegeben. Da ihre Zahl zunahm, bekamen sie auf einem Holzboden eine Schlafstätte, wo sie aber von Regen und Schnee oft viel zu leiden hatten. Demungeachtet war bey ihnen so wie in der ganzen Gemeine eine vergnügte und zufriedene Herzens stellung. Schon im Jahre 1755 waren 10 eingerichtete Societäten, welche von Klein-Welke aus bedient wurden. Früher, im Jahre 1751, entstand ans eine unerwartete Weise die Ver bindung mit der N i e d e r - L a u s i tz, aus welcher 8 Män ner abgeschickt waren, um mit der Gemeine Bekanntschaft anzuknüpfen. Auch die Erweckten von Neukirch schloßen sich frühzeitig an die hiesige Gemeine an. Im Jahr 1756 wurde das Gut Klein-Welke von Bru der Lange an die Gräfin Reuß verkauft. Da nun die Zahl der Geschwister immer mehr zunahm, so sah man sich genöthigt, auf die Erbauung eines Gemein- Saales anzutragen. Den 26. April 1757 legte man den Grundstein zu dem selben iir aller Stille, um Aufsehen zu vermeiden; und in mancher Bedenklichkeit; so wie der Bedrängniße des 7 jäh rigen Krieges ungeachtet, wurde dies Gebäude noch in dem selben Jahre unter Dach gebracht und im Juny 1758 voll endet. Den 30. Juny war die erste Gemein-Versammlung im Saale. Man sang das Lied: „O, Haupt voll Blut und