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Bürger in Wehr ; Von Morgen und von Abend, von Mittag und von Mitternacht her zog der Wohlstand durch vier Lreitslüge- lige, eisenbeschlagene, wehrturmerhöhte Tore in die Stadt Bischofswerda ein. Warum hielt man diese Tore so ängst lich geschlossen während der Novembertage des Jahres 1588? Woher kam es, daß das sorglose, geschäftige, bei allem Eifer behagliche Treiben, das sonst die Gassen erfüllte, mit einem Male völlig weggefegt schien und die Bürger nur mehr eilig und mit zweifeldüsteren Gesichtern einhergingen? Fand sich eine Gruppe zusammen, so bewirkte gewiß das Wechselspiel der ausgetauschten Meinungen, daß die Aus- einandergehenüen noch um vieles trübseliger und furcht samer dreinschauten als vorher. Mehr als einmal streiften prüfende Blicke die wettergrauen Stadtmauern, als ob von deren sturmerschütterter Zuverlässigkeit das Heil der Stadt allein abhinge. Deutlich ließ sich überall erkennen, daß Be stürzung und Unruhe die Stadt im Banne hielten und den Bürgern ihren geruhigen Sinn verstörten. Die Ursache aller dieser aufreibenden Spannung lag in des Bischofs Flucht. Denn wenn der Bischof sich flüchten mußte vor seinen Feinden, sich flüchten aus seinem eigenen Lande bis weit nach Böhmen hinein zum Kaiser, so mußte auch des Bischofs Stadt böser Tage gewärtig sein. Inmitten der zunehmenden Kopflosigkeit trug einer das Haupt aufrechter denn je durch Bischofswerdas Straßen. Trotz der nun schon monatelang anhaltenden Ungewißheit der Lage und der unausgesetzten Furcht vor einem Über fall der Carlowitzschen Banden haftete dem Bürgermeister Tanner nichts von dem gedrückten und ratlosen Wesen an, dem langsam die ganze Stadt unterlag. Bernhard Tanner war durch das Unglück, das über den Bischof hereinbrach, innerlich aufs schmerzlichste getrof fen. Aber unschlüssiges und fruchtloses Klagen lag nicht in Tanners Art. Sogleich nach dem Schlage richtete er sich wieder auf, verschloß seinen Gram um seinen Freund und Herrn tief in der Brust und machte seinen Blick wieder scharf für die Aufgaben, welche der schwierige, immer drohender sich auswachsende Zustand der Stadt ihm stellte. Unverrückt stand ihm seine Pflicht vor der Seele, treu und unversehrt dem Bischof die Stadt zu erhalten gegen alle seine Widersacher. Das Regiment Bischofswerdas nahm er jetzt doppelt fest in seine Hände. Wenn Bernhard Tanner sich vornahm, Menschen nach seinem Willen zu lenken und Entscheidungen seinem Wunsch gemäß zu zwingen, so ge lang ihm das stets auf das glänzendste. Auch diesmal fügten sich die Herren des Rates aus nahmslos ohne ernstliche Widerrede der flammenden Be redsamkeit und mehr noch dem sichern, zielbcwußten Füh rerwillen des ihnen allen überlegenen Bürgermeisters. Dennoch konnte sich Tanner nicht verhehlen, daß nicht mehr, wie bisher, die ganze Stadt zu ihm stand. Oft und öfter fand er die Männer verzagt und kleinmütig, unlustig sich zu tapferer Gegenwehr aufzuraffen, die doch heute oder morgen sich nötig machen würde. Andere jammerten, daß durch die verwünschte Fehde, die im letzten Grunde sie selbst doch garnichts anginge, ihr Geschäft und ihr Gewerbe schwer zu verwindenden Schaden erlitte. Tanner ließ es sich nicht verdrießen, immer wieder den Ängstlichen den Mut zu stärken und den am Gewinn Geschädigten ihren Verlust nach Möglichkeit, teilweise aus der Stadtkasse, zu ersetzen. Das waren jedoch menschliche Schwächen seiner Mitbürger, mit denen ein so nüchtern kluger Kopf wie der Bürgermeister von vornherein rechnete. (Foitsttzung folg! ) Sverlausitzer G» anSSIeute veft-n« - lest sie Vom Cunewalder Tal Arthur Grünewald Die neue Bahnlinie von Löbau nach OLercunewalde, welche am 7. Oktober dss. Js. eröffnet wurde, wird vie len Wanderern der Zittauer Pflege den Weg zum Czorne- boh und Bieleboh erleichtern. Da wünschte ich, daß das treffliche Heimatbüchletn mit dem Titel: „Das Cunewalder Tal und seine Umgebung", geschrieben vom hochverdienten Heimatfreunde des Tales, des leider so früh Heimgegan genen Pfarrers Gustav Mann, in aller Besucher Hände sein könnte. Aber es wird überall fehlen, da es seinerzeit so schnell vergriffen war. Vielleicht läßt es der Heraus geber, der Gebirgsverein „Cunewalder Tal" wieder neu auflegen. Wovon erzählt der Führer durchs Tal? Von der Lage, vom Lande des Tales, vom Dorf, von besonderen Ge bäuden, von den Denkmälern und Bewohnern des Tales, von ihrer Beschäftigung und schließlich von der Geschichte des Tales. Dann folgt eine Betrachtung der Vorgeschichte lichen und sagenhaften Stätten und am Ende eine Zu sammenstellung der Wanderungen nach und von Cune walde. Greifen wir in Kürze das Wichtigste heraus: Man merkt beim Durchwandern des Dorfes oder beim Talblick von den Höhen, wie lang sich Cunewalde hinstreckt. In einer Stunde ist es nicht durchgegangen. Es steigt auch an, fast 110 Meter beträgt der Unterschied der Höhe zwischen der Rodewitzer Spreebrücke und der kleinen Hochebene zu den Füßen des Hochstetnes und Kötschauer Berges. Einst stand Urwald auf den einschlteßenden Höhen. Die Talsohle war sumpfig. Da suchten Ansiedler die rauhen Gebirge auf und bauten, dem Wasser folgend, hier ein Dorf. Später entstanden noch kleine Ortsteile, so Schön berg nach dem Czorneboh zu, Zieglerthal nach dem Biele boh gelegen, Klipphausen am Fuße des schwarzen Gottes. Besondere Gebäude und Denkmäler Besonders in die Augen fallend sind die alten Herren sitze von Halbendorf, Weigsdorf, Niedercunewalüe mit sei nem aus grünen Bäumen hervorragenden Turm und Obercunewalde. Das obere Schloß war gewiß eine alte Wasserburg. Gebrannte Ziegeln kommen in dem ältesten Teile des Mauerwerkes nicht vor. Der alte Graben, über den eine Zugbrücke führte, ist erst im vergangenen Jahr hundert zugeschüttet worden. Nach Norden hat der Rttter- gutshof eine Schanze, in alter Zeit eine Zufluchtsstätte gegen räuberische Einfälle und Kriegsgefahr. Hervorragend ist der Bau der Kirche, die wohl die größte Landkirche Sachsens ist, bietet sie doch 2632 Sitzplätze. Mit einer Lotteriehilfe von 1400 Losen wurde sie 1786—1783 erbaut. Ihre Höhe beträgt 277F Meter. An vergangene Schicksale erinnert die turmartige Ruine, die vom Wein berge — Weinbau ist dort wirklich einmal getrieben wor den — auf die Häuser von Mtttelcunewalüe herabsieht. Ein in Erz gegossenes Kriegerdenkmal steht hier am Wege, an die Kriege 1866 und 1870-71 erinnernd. Es stellt einen stürmenden Krieger dar. Ein Höhepunkt in der Ge schichte des Ortes war der Weihetag des Gedenksteines für den Dichter Wilhelm von Polen z. Ihn errichte ten dankbare Verehrer des Dichters am 4. Juli 1909. Zwei große Granitblöcke sind aufeinander geschichtet, Lausitzer Granitblöcke, aus dem Heimatboden stammend. Ein Bronze relief mit dem Bildnis des Frühvollendeten ist in den oberen Block eingefügt. Vornehm, kraftvoll und schlicht, wie Wilhelm von Polenz auch im Leben war, ist auch das Bildnis. Die Bewohner und ihre Beschäftigung Daß die ältesten Bewohner Wenden gewesen sein wer den, darauf deuten mannigfache Spuren. Nicht zum min desten die vielen wendischen Namen, die das älteste Kirchenbuch vom Jahre 1623 an enthält und deren slavi-