Volltext Seite (XML)
einem der Spitzbuben verabredet. Noch am selben Abend wollte sie mit ihrem Franz entfliehen und nach Böhmen ziehen. Zuvor gedachte sie aber das Geschenk des Haupt manns an sich zu nehmen. Denn er beschenkte seine Ge liebte gar nobel, das wüßte sie. „Hast Dn Wort gehalten, Wenzel?" erinnerte sie ihn nach einer Weile. „lind ob, Schatz! Was der Hauptmann verspricht, das hält er. Heda, Löhr," rief er einen der Räuber an, „gib einmal was für Lotte Heraus!" Sofort öffnete der angesprochene Räuber einen Sack und brachte einen teuren Pelz zum Vorscheine. „O," rief Lotte, „wie fein, wie fein." Sie war überrascht von dem noblen Geschenk. „Richtig herrschaftlich," sagte sie, „richtig herrschaftlich". Dann flog sie dem Hauptmann an den Hals und bedeckte ihn mit Küssen. Lachend sahen die Räuber zu. Nur ihr geheimer Geliebter, der Fugauer Franz, der in einer Ecke lehnte, schoß wütende Blicke auf den Hauptmann. Bon allen Seiten wurde Lotte bewundert. Dann ging es ans Zechen. Der Wirt bekam alle Hände voll zu tun. Vier große Säcke lehnten in der Ecke. Die Teilung sollte später vorgenvmmen werden. Drinnen in der Stadt war bei Anbruch der Dämme rung ein Reiter angelangt nnd vor dem Hause des Stadt richters abgestiegen. Es war der Justitiar Sieber. Der Stadtrichter führte seinen Gast in die Stube nnd besprach mit ihm, wie er den Überfall vorzunehmcn gedachte. Der Justitiar war vollständig einverstanden. Nach kurzer Besprechung begaben sich die beiden Män ner wohlbewaffnet in die Schänke des Abbees. Hier machte ihn der Staötrichter mit dem Geistlichen bekannt. Es war aber keine Gelegenheit zu längerer Aussprache. Durch das Hinterpförtchen schlüpften nach nnd nach so viele bewaff nete Bürger herein, so daß die Stube bald nicht mehr alle fassen konnte. Der Stadtrtchter hatte einen Boten nach dem Neudorfe gesandt, der berichten sollte, ob die Räuber wirklich in der Schänke waren. Es dauerte auch gar nicht lange, kam er und erzählte in Hast, was er gesehen. Die Räuber seien mit vollen Säcken in die Schänke gegangen. Alsbald gab der Stadtrichter das Zeichen zum Aufbruch. Der Sohn des Stadtrichters ging voran. Hinter ihm schli chen im Gänsemarsch die Bewaffneten. Trotz größter Vorsicht war ab und zu eiu Klirren der Waffen nicht zu vermeiden. Der Stadtrichter hatte des halb den sogenannten Mühlsteig gewählt, der hinter den Häusern des Oberdorfes zum Fuchsberg hinaufführte. Es war leicht gefroren und nur wenig Schnee deckte die Erde. Die Vorbereitungen zum Überfall waren mit aller Vor sicht getroffen worden. Und doch hatte ein Mann beobachtet, wie die bewaffnete Schar aus der Schänke kam und den Weg nach dem Mühlsteig einschlug. Dieser Mann war aus dem Neudorf und ein Anhänger des Räuberhauptmannes. Wenzel hatte ihm einmal aus der Not geholfen, als harte Gläubiger ihn bedrängten und aus seiner Hütte vertreiben wollten. Sofort wußte er, was die bewaffnete Schar vor hatte. Eilends zog er seine Holzpantoffeln aus und rannte, so rasch er konnte, durch das Dorf auf den Strümpfen den Fuchsberg hinauf. Keuchend langte er im Neudorf an und pochte an der Schänke heftig an. Die Räuber hörten das Pochen nnd versteckten sofort die Säcke. Der Wirt ließ den ihm bekannten Mann ein, und dieser berichtete, was er gesehen habe. „Macht, daß Ihr fortkommt! Etwa 2V Mann kommen herauf! Geschwind!" schloß er seine Warnung. Die Räuber waren bei dieser Nachricht erschrocken auf gesprungen. „Verrat," schrien sie durcheinander. Nur der Hauptmann blieb ruhig. „Kameraden," donnerte er sie an. „Es wird nicht so schlimm sein! Nehmt rasch die Säcke und tragt sie fort. Schafft sie in die Kleebuschschänke!" Rasch waren die Säcke auf ihren Rücken und ein Räuber nach dem andern verließ die Schänke. Unbemerkt hatte sich in dem Trubel die schöne Lotte mit ihrem ge heimen Liebhaber Franz davongemacht. Der Hauptmann aber blieb sitzen und mit ihm zwei seiner Bande. „Nun, Hauptmann," sprach einer der Räuber, Michael Löhr geheißen. „Kommst Du nicht mit?" „Nein," sagte dieser in aller Gemütsruhe. „Geht nur! Ich bleibe. Es wird nicht viel werden. Aber besser ist besser. Sieh zu, daß die Säcke in die Kleebuschschänke kommen. Ich komme mit Lotte nach." Zwei Männer waren sitzen ge blieben und wollten nicht fliehen. Der Hauptmann wandte sich an die beiden Gesellen und sprach: „Und Ihr zwei? Wollt Ihr nicht fliehen?" „Wir bleiben," sagte einer namens Schieblich. „Wie Ihr wollt," nickte Wenzel. Laut jammernd lief der Wirt auf und ab. „Was winselst Du?" herrschte ihn der Hauptmann an. „Schänk lieber noch mal ein." „Ich dachte ein schönes Geschäft zn machen," barmte der Wirt. „Nun ist's wieder nichts." „Ach was," sprach der Hauptmann. „Ein andermal. Bring neuen Schnaps her, schließ die Läden und Türen gut!" Während der Wirt diesem Befehle nachkam, merkte Wenzel erst, daß auch seine Geliebte, die Lotte, fort war. „Wo ist Lottchen," rief er. „Die ist gleich zuerst mit dem Fugauer Franz davon," entgegnete einer der Räuber. „Gut!,"meinte der Hauptmann. „Sie wird in ihr Häus chen gegangen sein. Besser so. Ich komme bald nach." Die drei Räuber taten sich nun gütlich an den Ge tränken. Sie hatten einen anstrengenden Tag hinter sich und waren müde. Auf einmal schreckte sie ein lautes Pochen auf. „Holla," rief der Hauptmann und sprang auf. Immer stärker wurde das Klopfen und eine Stimme rief: „Heda, Wirt! Aufge macht! Sofort!" „Himmel und Hölle!" fauchte der Hauptmann, „ge schwind, Schieblich und Birnsacher, versteckt Euch! Das scheinen Büttel zu sein!" Nun bekam es der Wirt mit der Angst zu tun. Weh klagend lief er von Tisch zu Tisch und schob die herum stehenden Gläser zusammen. Der Hauptmann und die bei den Räuber waren bereits zur Hintertür hinausgeschlüpft. Wenzel Kummer hatte ihnen zugeraunt: „Versteckt Euch! Mir scheint, das Haus ist umstellt!" Da der Wirt nicht" sogleich aufmachte, donnerten die Häscher mit Waffen an Tür und Läden. „Aufgemacht! Oder wir schlagen die Tür ein," kam's zornig von draußen. „Ja, ja, ich komme schon," jammerte der Wirt und blies das Licht aus. „Ich habe geschlafen. Geduld, will mich bloß anziehen." Rasch entledigte er sich der Jacke, um sich den Anschein zu geben, als ob er aus dem Bett käme. Zitternd öffnete er die Tür, und die Bewaffneten, Karl Reime an der Spitze, stürmten herein. Sie trugen Pechfackeln und La ternen. „Wo sind die Spitzbuben," schrie der Sohn des Stadt richters, „die Stube ist leer! He Wirt, wo sind sie?" „Niemand ist hier, gnädiger Herr Stadtrichter," stot terte der Wirt, als er den Herrn Adam Reime mit dem blanken Säbel sah. „Du lügst, Wirt," donnerte dieser. „Augenblicklich ge stehe, wo sie sind!" Aber der Wirt war ein abgefeimter Spitzbube. Er heuchelte Erstaunen und blieb dabei: „Es war kein Räuber hier!" Der Stadtrichter schäumte vor Wut. „So," schrie er, ! „und die Gläser und Flaschen hier? He? Gestehe, wer hat t daraus getrunken? Ein Lügner bist Du!"