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vornehmsten Männer unseres Landes nennen, wenn ich mich nicht scheute, die Ruhe, in welcher er sich den Wissen schaften widmet, durch eine öffentliche Bekanntmachung zu stören. Unsre Provinz überströmt nun fast die Lesesucht, und wird bald leider ein Übel werden. Die Oberlausih ist eine fruchtbare Mutter guter Köpfe, unter welchen ich das Publikum nur an Sie, an Lessing, Michaelis, Morus, Kretschmann und andere erinnern darf. Aber unter allen diesen ist der letzte nur noch im Vater lande. Die übrigen wanderten aus, weil wir nicht Ämter genug haben, sie zu versorgen. Wenige bleiben also bei uns, und diese verlieren sich unter der schrecklichen Menge von elenden Skribenten und Alltagsgesichtern. Was sie schreiben, wird, wie gesagt, auswärts gedruckt. Da nun die Gelehrten selbst Ursachen sind, daß nichts bei uns verlegt wird, und Buchhändler und Buchdrucker doch leben wol len, so drucken sie elendes Zeug. Monatsschriften und Wochenblätter, die nicht wert sind, Makulatur zu werden. Von diesen aber schließ ich das Ekardsche Tagebuch darum aus, weil es für den gemeinen Mann geschrieben ist und seine Absicht gut erreicht, freilich noch besser erreichen würde, wenn der Verfasser mehr Menschenkenner wäre. Es geht bis nach Franken und Brandenburg. Über das Budissiner Gesangbuch mutz ich hier auch meine Meinung sagen. Man wollte bessern und verdarb, da man keine Poesie verstand. Das alte Gesangbuch ist elend, das neue erbärmlich. Der Streit darüber ist eine Schande für die Gegenpartei, die ich lieber verschweigen als aufdecken will. Eine sonderbare Bemerkung muß ich noch hinzufügen: schwerlich wird ein Land so den Selbstmord hegen als unsre Provinz. Im Verhältnis übertrifft sie selbst Eng land darin. Auch wird kaum ein Land anzutreffeu sein, worin sich so viele Ausländer von allen Religionen niederlassen. Sie finden Franzosen, Dänen, Irländer, Briten, Holländer, Polen, Schweizer im Besitz der schönsten Güter. Die katho lischen Grafen Riaucour und Hirzan, der reformierte Baron Riesch kauften sich solche Ländereien, daß sie mit vielen Reichsfürsten nicht tauschen werden. Kirchliche und Staatsfreiheit bringt uns diesen Vorteil!" Wir teilten im Obigen den Brief mit einigen nur un wesentlichen Kürzungen und Verbesserungen der Recht schreibung mit. Könnte ein solcher heute uoch vvu einem Lausitzer geschrieben werden? Wir glauben nein. Wir preisen Landschaft und Volkstum unsrer Heimat dem Fremden gegenüber. Aber gerade über diese Mächte ver liert der Briefschreiber kein Wort. Der freien Geistesver fassung und der politischen Staatsverfassung mit ihren Vorteilen gilt sein Lob. Der Verfasser ist aufklärerisch ge sinnt. Zudem fühlt er sich voll und ganz als Oberlausitzer Staatsbürger, ein Gefühl, das bis vor kurzem vielleicht uoch in einigen Landedelleuten und einigen Städteverwal- tuugen schwach vorhanden war, heute aber, da die Ober lausitz alle ihre staatlichen Sonderrechte verloren hat, wohl erstorben ist. F. S. Ein Heimlübuch der Stadt Ostritz Nach erheblichen Schwierigkeiten ist es endlich gelun gen, eine München-Leipziger Verlagsanstalt für die Her ausgabe eines Heimatbuches von der Stadt Ostritz zu interessieren. Bearbeiter des Buches ist Lehrer Julius Rolle in Dresden. Den Bildschmuck besorgte Lehrer Paul Heidrich in Ostritz. Von den Abhandlungen seien erwähnt: Die Stadtgründung, die Stadtvcrfassung in alter und neuer Zeit, unter der Obergerichtsbarkeit des Klosters St. Marienthal, das Ostritzer Stadtgericht, Ratsrechnungen, Religionsstreitigkeiten, Ostritz im 30 jährigen Kriege und in den schlesischen Kriegen, die brauberechtigte Bürgerschaft, Geschichte der Innungen, der Schützenbrnderschaft, der Apotheke, Lebensbilder Ostritzer Pfarrherren beider Be kenntnisse, der Bürgermeister, der Landsleute aus alter uud ueuer Zeit u. a. m. Der Preis des Buches ist mit 6 RM. veranschlagt. Ehe jedoch zur Drucklegung geschritten wird, soll durch eine unverbindliche Rundfrage die erste ungefähre Abnehmerzahl des Buches festgestellt werden. Es ergeht deshalb an alle Ostritzer Landsleute und Freunde der Ostritzer Heimat die Bitte, sich in den Zeichnungslisten eintragen zu wollen. Listen liegen aus in der Geschäfts stelle der „Oberlausitzer Heimatzeitung" in Reichenau, in der Buchhandlung Buder und in zahlreichen Vereinen zu Ostritz. Der „böhmische Wenzel" Von Franz Rösler, Schirgiswalde Uni das Jahr 1800 tauchte an der sächsisch-böhmischen Grenze eine Räuberbande auf, die von dem berüchtigten Hanptmann Wenzel Kummer angeführt wurde und lange Zeit gefährliche Einbrüche und Mordtaten verübte. Als nun das kleine Schirgiswalde im Jahre 1800 herrenlos geworden war uud so gut wie keine Polizeigewalt besaß, verlegte Wenzel Kummer, genannt der böhmische Wenzel, seinen Hauptsitz nach dem kleinen Walddörfchen Neu- schirgiswalde. Hier wußte er sich vor Verrat sicher. Die Bewohner des Ortes und der Umgebung schüchterte er durch Drohungen ein, ihn zu verraten. Mehr wie einmal hat er Versuche, seinen Aufenthaltsort zur Kenntnis der Behörden zn bringen, mit Hilfe seiner Spießgesellen blutig gerächt, so daß sich zuletzt niemand wagte, auch nur das Geringste verlauten zu lassen, wenn er sich in dem Dörf chen bei seiner Geliebten befand. Im Gegenteil, die ge ängstigten Leute suchten sich die Gunst des Hauptmanns zu erringen, indem sie ihm rechtzeitig verrieten, sobald Ge fahr im Verzüge war. Der Stadtrichter Reime ärgerte sich gewaltig, daß der böhmische Wenzel sich gerade sein Gebiet zum Aufenthalt erkor und hätte ihm zu gerne das Handwerk gelegt. Bisher waren alle Untersuchungen gegen den gefährlichen Menschen vergebens gewesen. Der Büttel, den er wiederholt nach Neuschirgiswalde gesandt hatte, kam stets nur mit leeren Händen wieder. Nun hatte sich einst der Räubcrhauptmann eine neue Geliebte angeschafft, die schöne Lotte. Dieses Mädchen war kurz vorher die „Braut" eines übelberüchtigtcn Mannes gewesen, der zu der Bande des gefangen genommenen Räubers Karraseck gehört hatte. Er hieß Görge. Von There sienstadt, wo er eine lange Zuchthausstrafe verbüßen sollte, war er ausgebrochen und trieb sich nun mit der Lotte in der Schirgiswalder Gegend herum. Der böhmische Wenzel machte ihm nun die Braut abspenstig, ivas ihm um so leichter gelang, da Görge ein häßlicher, dicker Mensch, Wenzel Kummer aber ein stattlicher, schöner Mann war. Lotte war ein »leichtsinniges verdorbenes Mädchen. Auch dem böhmischen Wenzel blieb sie nicht treu. Noch während sie die Geliebte des Hauptmanns spielte, bändelte sie mit einem anderen jungen Manne der Bande au. Aber davon wußte Görge nichts. Seine Wut richtete sich gegen den böhmischen Wenzel. Aus Haß gegen ihn wurde der Ver schmähte zum Verräter. Als Tagelöhner verkleidet begab er sich eines Tages zum Stadtrichter. „Was wollt Ihr," fragte dieser den Mann, der gar demütig vor ihm stand und verlegen seinen Hut in den Händen drehte. Zaghaft antwortete er: „Herr Stadtrichter, ich wollte, ich könnte, ja ich dachte, ich könnte mir was verdienen." „Womit? Habt Ihr eine Arbeit vor?" „Das gerade nicht, Herr Stadtrichter. Aber, Sie ken nen ihn doch, den Wenzel Kummer."