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einige Gebetsworte, dann stand ich auf, wandte mich rasch um und schlug den Heimweg ein. Was soll ich noch viel erzählen? Am Abend des Tages trat ich — das Herz klopfte mir zum Zerspringen! — wie der in mein Vaterhaus ein. Ich fand die Mutter allein in der Küche, wo sie beim trüben Schein eines Petroleum lämpchens ein geringes Abendbrot verzehrte. Mit einem Freudenschrei erhob sie sich und eilte mir entgegen, um meine beiden Hände willkommend zu fassen. Meine erste Frage galt dem Vater, und sie erwiderte mir, er sei vom gestrigen Morgen an noch düsterer als sonst gewesen und habe nicht ein Wort gesprochen, ihr auch nichts über mein plötzliches Verschwinden verraten. Sie hatte schon gefürchtet, ein Verhängnis würde sich erfüllen. Doch während sie mir ihre Freude beteuerte, daß ich mich doch wieder eingefun den habe, trat auf einmal schweren Schrittes der Vater ein. Zwar wollte eine lähmende Angst mich niederhalten,' doch bot ich ihm so tapfer wie ich konnte einen guten Abend. Er antwortete mit keiner Silbe; doch glaubte ich trotzdem ein flüchtiges Aufglänzen in seinen Augen zu be merken. Ich hielt aus. Auch der Vater schien aus jenem Zu sammenstoß seine Lehre gezogen zu haben. Er war von nun an noch verschlossener und wortkarger als zuvor,- doch ich war froh genug, daß er den alten Streit nicht wieder auffrischte und sich nicht ein einzigesmal über die Frage meiner Heirat ausließ. Heimlich hielt ich treu zu meinem guten Annel, tröstete mich über die Wartenszeit hinweg, indem ich von früh bis spät arbeitete wie ein Pferd, und nahm mir im übrigen vor, einmal, wenn die Zeit das Herz des Vaters erweicht und gewandelt haben würde, ihm in aller Ruhe und Vernunft meine unveränderte Absicht darzulegen, Annel zu heiraten. Doch zu einem solchen Schritt kam es nicht mehr; Gott ersparte uns allen neue Erschütterungen wegen dieser Angelegenheit, indem er mei nen alten Vater in einer stürmischen Februarnacht, als der Tauschnee von den Dächern troff, einen unerwarteten und sanften Tod sterben ließ. Ich trauerte ihm ohne alle Bitterkeit nach; doch ist es überdies begreiflich, daß mir auch eine schwere Last vom Herzen geschwunden war. Ehe wir in diesem Jahre die Ernte begannen, führte ich mein Annel als junges Weib heim, und das Glück, das mit ihr in den Birnbauerhof einzog, hat mir tausendfach alles Leid und Ungemach ausgewogen, das ich vorher ihretwegen hatte erdulden müssen. Meine gute Mutter hat sich noch einige Jahre mit uns freuen können. Ehe aber der erste kleine Israelit das Licht der Welt erblickte, habe ich übrigens mit meinem jungen Weibe an einem schönen Sonntag eine feine Hochzeitsreise gemacht. Können Sie sich denken wo hin? Bis zu dem Kreuzbild im böhmischen Walde, wo ich in jener unvergeßlichen Mondnacht den Mut zur Umkehr gefunden hatte. Natürlich fuhren wir diesmal mit der Bahn; denn wir waren ja keine scheuen Ausreißer, sondern zwei Leute, die sich mit ihrem ehrlich erkämpften Glück vor aller Welt sehen lassen konnten." — Der Birnbauer schwieg und ließ den Blick nachdenk lich in die Weite schweifen. Die Sonne hatte sich geneigt; auf den Kleefeldern und Rainen schimmerte unter ihren Strahlen ein dichtes Gewebe von Spätsommerfäden. Vom Buschrande her leuchtete das Heidekraut in seinem zarten Rot; der Wind, der träge aus den Bergwäldern strömte, brachte einen herzhaften, lockenden Pilzgeruch herüber. Ich drückte dem alten Bauer dankbar und mit stiller Bewunde rung die Hand. Was ich ihm noch sagte, ist ohne Belang. Bald verließ ich ihn; er rief mir noch ein paar Scherz worte nach auf den Heimweg. Jetzt, da ich dies niederschreibe, lebt er nicht mehr; deshalb kann ich seine Geschichte ohne Besorgnis preis geben. Vor wenigen Wochen erst haben sie ihn begraben, und da es ein Sonntag war, hatte auch ich Muße, meinen alten Freund zur letzten Ruhe zu geleiten. Alle seine Israe liten waren gekommen, alle erwachsen und gesund, stäm mig und keineswegs in schlechten Verhältnissen. Sie und ihr gebücktes Mütterchen schritten schluchzend hinter dem Sarge, und die Tränen, die um den Birnbauer geweint wurden, konnte niemand zählen außer den Engeln, die stets zugegen sind, wenn ein guter Mensch zu Grabe ge tragen wird. Was ein uraltes Kräuterbuch von der Johannisbeere erzählt (1563) Werner Ändert, Ebersbach Aus allen Gärten leuchten die hellroten Johannis beeren. Schon seit altersher waren sie bei uns angepflanzt und als Heilmittel geschätzt. Darüber berichtet uns Petrus Andreas Matthiolüs sehr ausführlich in seinem „Deutschen Kreutterbuch von 1863" jim Besitze des Humboldtvereins zu Ebersbach): „Sankt Johannes Träuble" ist ein kleines Bäumle, hat viel Zinken und Nestle, die sind mit braunroten Rinden bedeckt, dünn und zähe, üerhalben kann man sie gebrauchen zum Laubwerk der Gebäude. Die Blätter vergleichen sich dem Rebenlaub, sind sattgrün. Sein bleichgelbes gestirntes Blümlein bringts im Maien, daraus werden runde Beer lein, erstlich grün, darnach schön hellrot, die hangen wie Trauben, sind groß wie Pfefferkörner, haben einen lieb lichen Weinsäuren Geschmack. Es sind zwei Geschlechte; das zahme und das wilde. Das zahme wird in Gärten von Lust wegen gepflanzt. Darunter eine gefunden wird mit großen Beeren. Item, ein anders das gar weiße Beerlein trägt. Das wilde Geschlecht wächst gern an Bächeln und Ber gen, gleichet dem zahmen; doch ist sein Geschmack nicht so lieblich, sondern herber und strenger, deren etliche tragen schwarze Beeren, sein aber schädlich zu essen. (Gemeint sind schwarze Johannisbeeren, die man anscheinend damals für giftig gehalten hat.) Man sammelt die Beeren im Brach- und Heumonat (Juni und Juli), aus denen pressen die Apotheker einen Saft, sieden ihn mit Zucker und nennen ihn Rob de Ribis (Saft der Johannisbeeren). Natur, Kraft und Wirkung Der Saft aus diesen Beeren ist kalter, trockener und zusammenziehender Natur. Im Leib Diese Träublein haben alle Kraft des Sauerdorns (Sauerdorn-Saurach-Preißelbeere), allein daß sie milder und lieblicher sind. Den Saft aus diesen Trauben mit Wegwart- oder Sauerampferwasser getrunken, ist gut zu den hitzigen Fie bern und cholerischen Bauchflüssen. Er löscht den Durst, be nimmt den Unwillen des Magens und stärkt ihn mit seiner Zusammenziehung, wird derhalben nützlich geben denen, von denen es unten und oben gehet. Dieser Saft hilft auch wider das Blutspeien, so man ihn mit Bürgel- oder Wegerichwasser zu trinken gibt. Etliche nehmen ganze Trauben, machens mit Zucker ein, und brauchens darnach zu allen jetzt gedachten Gebre sten. Man mag obgemeinte Beerlein auch in der Sonnen dörren und zur Notdurft behalten. Außen Wem inwendig der Hals oder das Zäpfle geschwollen wäre, der gurgel mit diesem Saft und Rosenwasser. So man diesen Saft an die Stirn streicht, hilft er den triefen den, flüssigen Augen. Auch befestigt er die wackelnden Zähne und stärkt das Zahnfleisch.