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Neuschirgiswahler Gestalten Ums Jahr 1800 Von Franz Rösler, Schirgiswalde Eine der Geliebten des Böhmischen Wenzels, jenes Räuberhauptmannes, der sich über ein Jahrzehnt hindurch das kleine Dörflein Neuschirgiswalde als Schlupfwinkel ausgesucht hatte, hieß Nesel. In ihrem Häuschen, an das der Wald mit seinen Zweigen stieß, hielt er sich sicher vor Überraschungen und Nachstellungen. Resel war ein hübsches Weib und genoß als Geliebte des Hauptmanns Ansehen unter den Bewohnern des Dörfleins. Zuweilen fanden sich allerlei verdächtige Gestalten in ihrem Stübchen ein, deren Besuche zumeist dem Hauptmann galten. Es war am Tage vor der „Kirmst". Den ganzen Tag über hatte Resel die Hände voll Arbeit. Eine stattliche An zahl Kuchen lag zum Backen bereit. Der Hauptmann feierte dieses Fest wie alle anderen Leute der Gegend mit Kaffee und Kuchen. Zwar saß er damals gerade im Gefängnis der Bautzner Ortenburg. Aber bei seiner Gefangennahme hatte er der Resel lachend zugerufen: „Zur Kirmst bin ich wieder da! Backe fleißig Kuchen!" Und Resel gehorchte. An Geld fehlte es nicht. Es war kein Geheimnis, daß selbst der Staötrichter in Schirgiswalde nicht so gute Kuchen zu essen bekam, wie sie die Geliebte des Böhmischen Wenzels zu backen verstand. Darauf war sie nicht wenig stolz. Besonders berühmt waren ihre Buch teln, ein Mohngebäck, das sie nach böhmischem Rezept be reitete und das beim Böhmischen Wenzel niemals znr Kirmst fehlen durfte. Auch mit Powiddel -Pflaumenmus) gefüllte Buchteln gab es in reichlicher Menge. Bereitwillig halfen die Nachbarsfrauen der „Frau Hauptmännin" bei der Arbeit, und auch ihre Männer stellten sich dann und wann ein, um zu sehen, ob ein Stück für ihre hungrigen Magen abfallen würde. Schon am frühen Morgen war die Nachbarin Male Kalich zur Resel gekommen und hatte ihre Dienste angeboten. Rüstig schafften die zwei Frauen und kneteten den letzten Teig. Ab und zu schenkte Nesel aus einer Flasche einen Schnaps ein, den sie sich schmecken lie ßen. Die Male, eine ältere Frau, schnalzte jedesmal beim Trinken mit der Zunge. Eben hatte sie wieder einen kräf tigen Schluck genommen. „So was gutes," sagte sie und nickte bedächtig mit dem Kopfe. „Nein, was Du es gut hast, Resel. So was Gutes." „Na, na, 's is nich so schlimm," antwortete jene und lächelte geschmeichelt, denn sie hörte es gern, wenn man sie lobte und beneidete. „Man hat auch so seine Sorgen," fuhr sie nach einer Pause fort. „Wer weiß, ob er kommt." Wäh rend des Sprechens warf sie mit den nackten Armen kräftig den Teig in die Höhe und ließ ihn langsam wieder herab fließen. „Een feiner Teeg, so schön zähe," sprach Male, indem sie mit Kneten inne hielt und Äesel bewundernd bei ihrer Arbeit zusah. „Du verstehst es äben. So gut kann keine Frau im ganzen Städtel backen wie Du." „Nu ja, aber wenn er nu nich kommt?" sagte Nesel und ließ ebenfalls ihre Arbeit einen Augenblick ruhen. Kurze Zeit herrschte Ruhe. Da erschien ein Kopf am Fenster. Die Frauen sahen auf. „Nu guck emol," kicherte die Male und wies mit der Hand nach dem Fenster. „So ein Kerl, der kanns nu mal nich Verwarten." Auch Resel lachte und sagte: „A, da lasse ihn nur rein. Ich glaube, die Kuchen sind zwar noch nicht gar, aber een Schnapse! wird, allemale." Die Male ging und schob den Riegel zurück. „Was willst 'n schon«? Hä? 's is doch noch nischt fert'g, alter Dunderch," polterte sie in gemachtem Ärger ihren Mann an. „Na, komm nur rein, Rubber Kalich." wandte sich Resel ! in gutmütigem Tone an den Nachbar, der zaghaft draußen - stand und sich anscheinend nicht wagte, einzutreten, weil ihn seine Frau, die Male, so liebenswürdig empfing. Auf die Aufforderung hin trat Nachbar Kalich langsam über die Schwelle und sah sich verwundert um. Er war ein Mann von einigen SO Jahren und machte einen recht ver hungerten Eindruck. Die Hände steckten tief in den Hosen taschen. „Na," lachte Resel, „Du fürchtest Dich wohl, Kalich? Immer ordentlich rein und mach'n Riegel wieder rum." Noch immer stand der Mann da und blickte neugierig umher, als wäre er noch niemals in dieser Stube gewesen. „Du sollst 'n Riegel wieder zumachen, alter Dunderch," schalt seine Frau. „Bist wohl nich recht, he?" Langsam gehorchte er der Aufforderung und trat dann näher. „Da steht der Schnaps," munterte Nesel den Nachbar auf. „Schenk Dir ein, Kalich." „Desterhalb kumm ich ne, Resel," sagte endlich der Mann mit tonloser Stimme. „Aber wenn de nischt d'rgegen hast, Resel, do schenk'ch m'r irscht mol ei." „Na, trink nor, Rubber, Du weißt doch, ich geb's gerne. Mach nur ne orscht e Wasen." Mit zitternden Händen goß sich Kalich ein Glas ein und trank es mit Wohlbehagen aus. Er leckte bedächtig mit der Zunge um die Lippen. „Nee, so etwas Gutes gibt's gor- nich mie," lallte er und legte die Hand auf die Brust. „So was Gutes, so was Gutes." „Siehste, Resel! Hab ich nich och schon gesagt, daß a gut is, der Schnaps," ließ sich Male hören. „Immer schenk ein, Rubber," gab Resel zurück. „Mir Han noch mehr." Dann wandte sie sich an ihre Gehilfin und sagte: „Also ich seh mal nach'n Backofen, 's könnte nu der erste Kuchen, gut sein. Mach nur d'rweile 'n Teig fertig." Mit raschen Schritten entfernte sie sich und verschwand in der Hinteren Haustür, wo der Backofen eingebaut war. Male schlug den Teig und tat, als ob ihr Mann gar nicht da wäre. Er hustete ein paarmal, ehe er sagte: „'s sein e poar doue." Dabei zeigte er mit dem Daumen über die Achsel nach der Richtung, wo die Schenke stand. Sogleich hielt die Frau mit Kneten inne und starrte ihn erst eine Weile an, bevor sie sprach: „Wer is 'n doue? Etwann der Büttel?" Bedächtig schüttelte Kalich den Kopf. „Nee doch, keene Büttel ne. Was tät'n denn die wolln? Wenn 'r doch drinne in Bantzen feste sitzt." Male räumte die letzten Reste des Teiges ab. Dann stellte sie sich dicht vor ihren Mann hin und sagte spöttisch: „'s wird wos rechts sein, drüben ei d'r Schenke. Woll e poar Lumpriche, he? Was?" „Een Aptheker is drüben," gab er ruhig zurück. „Was? Een Aptheker?" ries die Frau. „Da will ich's doch glei d'r Resel sagen. Die wollt doch was haben zum Einreiben. He, pack mal mit an, Kalich! Wir wolln den Teig nnustragen. „Also, c Aptheker. Nee fowas." Kalich hals seiner Frau den Teig hinaustragen. Soeben kam Resel mit dem ersten fertig gebackenen Kuchen in die Stube. „Da, guckt emal!" rief sie den Beiden zu. Die blieben stehen, hielten die Nasen hoch und Male sagte: „Aber der riecht gut!" „Hm, sehre gut," echote Kalich. „Schafft den Teig hinaus. Nachher kommt herein, den Kuchen kosten." Resel sprach diese Worte im Gehen und stellte den Kuchen aus den Tisch. Kurz darauf erschienen Kalich und Male, und das Bewundern des Kuchens nahm kein Ende. „Setzt Euch," kommandierte Resel. „Ich bring jetzt Kaf fee, jetzt wird gegessen. Male, kannst mal Kasfeetippel aus dem Braate nehmen." Die drei faßen nun hinter dem Tische und ließen sich den noch warmen Kuchen wohlschmecken. Die beiden Frauen